Milena Hübschmannová

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Milena Hübschmannová
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 3. Juni 2025

Milena Hübschmannová war Indologin und Begründerin der Romani Studies an der Karls-Universität in Prag. Ihr Interesse an Romanes brachte sie in Kontakt mit vielen Überlebenden und führte dazu, dass sie eine wichtige Rolle bei der Bewahrung der Geschichte der Verfolgung und Ermordung der tschechischen und slowakischen Rom:nja unter der deutschen Besatzung und während des Zweiten Weltkriegs spielte.

Gelehrsamkeit und Aktivismus

Hübschmannová wurde am 10. Juni 1933 in Prag geboren. Ihr Vater war Rechtsanwalt, ihre Mutter arbeitete als Büroangestellte in einer Fabrik und spezialisierte sich auf fremdsprachige Korrespondenz. Zwischen 1951 und 1956 studierte Hübschmannová in Prag die Sprachen Hindi, Urdu und Bengali und begann im Dezember 1956, als Redakteurin für Kultur und Literatur beim Tschechischen Rundfunk zu arbeiten.

Hübschmannovás Interesse an der Sprache und Kultur von Rom:nja entwickelte sich seit 1953. Während des Schuljahres 1968/1969 unterrichtete sie Kinder in der romani Siedlung Rakúsy in der Tatra.

Kurz darauf wurde sie Leiterin des Sozialwissenschaftlichen Ausschusses der Union der Zigeuner-Roma, und zusammen mit dem Vorsitzenden der tschechischen Union der Zigeuner-Roma, Miroslav Holomek (1925–-1989), war sie Mitverfasserin eines Memorandums über die soziale Lage der Rom:nja in der Tschechoslowakei, das 1970 veröffentlicht wurde. Sie arbeitete auch eng mit den Redakteur:innen der Zeitschrift Romano ľil [Romani Blatt (Zeitung)] zusammen.

Nach 1975 verlor sie ihre Stelle, weil sie sich der Assimilationspolitik der Kommunistischen Partei widersetzte. Außerdem setzte sie sich für die öffentliche Verwendung von Romanes ein. Es wurde vermutet, dass Hübschmannová höchstwahrscheinlich eine Autorin des an die Vereinten Nationen (UN) gerichteten Dokuments der Charta 77 über die soziale Lage und die Rechte der tschechoslowakischen Rom:nja („O postavení Cikánů-Romů v Československu“ [Über die Lage der Zigeuner-Roma in der Tschechoslowakei]) war.

Hübschmannová selbst erklärte jedoch in einem Interview mit Lada Viková (geb. 1969), das Dokument sei von dem Dissidenten Jozef Vohryzek (1926–1998) verfasst worden und sie habe lediglich Kommentare zum Text abgegeben.

Sie blieb bis 1982 arbeitslos und begann dann, als Romanes- und Hindi-Lehrerin in einer Prager Sprachschule zu arbeiten. Nachdem 1991 der Lehrstuhl für Romani Studies am Institut für Indologie der Karls-Universität eingerichtet worden war, war sie dort viele Jahre lang als Dozentin tätig. Im Jahr 1994 wurde sie Chefredakteurin der Zeitschrift Romano Džaniben [Romani Wissen].

Zu ihren Veröffentlichungen gehören ein 1991 in Zusammenarbeit mit ihren Studentinnen Anna Žigová (Lebensdaten nicht bekannt) und Helena Šebková (1952–2004) erstelltes tschechisch-romani Wörterbuch und das 1993 erschienene Buch „Šaj pes dovakeras-Můžeme se domluvit“ [Wir können uns gegenseitig verständlich machen].

Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter den František-Kriegel-Preis und die Verdienstmedaille dritten Grades, die ihr 2002 vom tschechischen Staatspräsidenten Václav Havel (1936–2011) überreicht wurde, sowie eine Plakette, die sie im Jahr 2000 in Prag auf dem Fünften Internationalen Kongress der International Romani Union (IRU) erhielt.

Sammeln von Zeugnissen

Im Laufe ihres Lebens sammelte Hübschmannová 330 Magnetbandaufnahmen und 180 Kassetten mit Geschichten, Märchen oder Liedern aus dem Leben der Rom:nja. Im Jahr 1997 unterstützte sie die Erstellung und Veröffentlichung der Autobiografie von Elena Lacková (1921–2003) „Narodila jsem se pod šťastnou hvězdou“ [Eine falsche Dämmerung. Mein Leben als Zigeunerin in der Slowakei, 2000].

Außerdem stellte sie eine Sammlung von romani Märchen und eine kommentierte Ausgabe von Zeugnissen von Rom:nja über den Zweiten Weltkrieg zusammen („Po Židoch Cigáni“ [Nach den Juden die Zigeuner]) zusammen. Das erste dieser Bücher wurde 2005 veröffentlicht, das Erscheinen des zweiten Bandes ist für 2025 in Vorbereitung.

Am 8. September 2005 kam Milena Hübschmannová bei einem Autounfall in Südafrika ums Leben. Sie wurde auf den Olšany-Friedhöfen in Prag beigesetzt. Ihre Manuskripte und Sammlungen werden im Museum of Romani Culture in Brno aufbewahrt.

Zitierweise

Monika Stachová: Milena Hübschmannová, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 3. Juni 2025.-