Dubnica nad Váhom

Logo
Suche
Dubnica nad Váhom
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 27. April 2025

In der Stadt Dubnica nad Váhom (deutsch Dubnitz an der Waag), gelegen im Bezirk Ilava im Nordosten der Slowakei, rund 140 Kilometer von Bratislava entfernt, befand sich während der Zeit des Slowakischen Staates ab Herbst 1942 eine ‚Arbeitseinheit‘, in der auch männliche Roma Zwangsarbeit leisten mussten. Diese Einrichtung wurde im November 1944 in ein Zwangslager umfunktioniert, in das ausschließlich Rom:nja – Kinder, Frauen und Männer – eingewiesen wurden. Am 23. Februar 1945 ermordeten deutsche Soldaten 26 der Lagerinsassen, die sie zuvor als Typhuserkrankte selektiert hatten.

‚Arbeitseinheit‘ Dubnica nad Váhom

Aufgrund des Mangels an Arbeitskräften sollte auf der Grundlage eines Erlasses des Innenministers Alexander Mach (1902–1980) vom September 1942 eine ‚Arbeitseinheit‘ gegründet werden, um in der Nähe des Flusses Waag verschiedene Bauarbeiten für ein Wasserkraftwerk durchzuführen. Dem Erlass zufolge sollten für Arbeiten, die staatlicherseits als bedeutend eingestuft worden waren, sowohl nicht in Arbeitsverhältnissen stehende Roma als auch andere Personen, die als asozial diffamiert wurden, eingesetzt werden.1Gardista [Der Gardist] 25. September 1942, IV. Jahrgang, Nr. 219, 3. Die Einrichtung der offiziell als „Arbeitseinheit Dubnica nad Váhom“ bezeichneten Zwangsarbeitsstätte erfolgte trotz der Proteste der örtlichen Waffenfabrik (Škoda Werke) und der Stadt, die unter anderem Sabotage befürchteten.

Die ersten Zwangsarbeiter trafen zwischen dem 7. und 12. September 1942 in dem außerhalb der Stadt gelegenen Lager ein. Für die in der Einheit eingesetzten Personen waren schwerste Erdarbeiten vorgesehen. Arbeitgeber der Arbeitseinheit war die Firma Ing. Lozovský und Štefanec, ein Bauunternehmen, dessen Arbeitskräfte von Gendarmen bewacht wurden.2Nečas, Nucená táborová koncentrace Cikánů v Dubnici nad Váhom, 72–75. Obwohl die Arbeitseinheit für Roma und „asoziale“ Personen eingerichtet wurde, lautete die Anweisung des Innenministeriums, ausschließlich gesunde und arbeitsfähige Roma im Alter zwischen 18 und 40 Jahren auszuwählen. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Arbeitseinheit aus 300 Personen bestehen sollte. Nach und nach wurde diese Anzahl jedoch erhöht, sodass insgesamt bis zu 2 000 Männer die Arbeitseinheit durchliefen.3Janas, Zabudnuté tábory, 60–61. Die tatsächliche Zahl der Eingezogenen hing auch von saisonalen Witterungsverhältnissen ab. Auch die Zusammensetzung der Arbeitskräfte im Lager Dubnica nad Váhom schwankte. Anfang 1943 lag der Anteil der Roma unter 50 Prozent, Ende 1943 war er auf über 50 Prozent angestiegen. Im Laufe des Jahres 1944 änderte sich die Belegung des Lagers erheblich, die Zahl der Roma war nun weitaus höher als die Zahl der anderen zur Zwangsarbeit verpflichteten Personen. Aus der Arbeitseinheit gab es Beschwerden über die schlechte Verpflegung, die mangelhaft ausgestatteten sanitären Anlagen und Unterkünfte sowie unzureichende Kleidung und Schuhwerk. Die Arbeitseinheit in Dubnica nad Váhom bestand bis etwa zwei Monate nach dem Ausbruch des Slowakischen Nationalaufstands.

Zwangslager für Kinder, Frauen und Männer

Im November 1944 ging die Zuständigkeit für Polizeiangelegenheiten vom Innenministerium auf das Ministerium für Nationale Verteidigung über. Am 2. November 1944 erließ das Ministerium für Nationale Verteidigung den Sondererlass Nr. 776.131 -4d- 1944, mit dem in Dubnica nad Váhom ein Zwangslager ausschließlich für Rom:nja eingerichtet wurde, in dem sie unabhängig von Alter und Geschlecht kollektiv untergebracht wurden. Am gleichen Tag wurde die bestehende Arbeitseinheit per Erlass (Nr. 776.111 -4d- 1944) zum 15. November 1944 aufgelöst. Dem Erlass zufolge waren nur die Häftlinge der ‚weißen Rasse‘ zu entlassen; alle Roma hingegen wurden aus dem Arbeitsdienst unmittelbar als Häftlinge dem neuen Zwangslager zugewiesen. Über jede Person wurde eine Akte angelegt. Die Akten wurden dann in zwei Gruppen (Männer und Frauen) aufgeteilt und diese wiederum in zwei weitere Gruppen (Kinder unter 14 Jahren, Personen über 14 Jahren) unterschieden. In diesem Zusammenhang betonte der amtierende Verteidigungsminister Štefan Haššík (1898–1985), dass es sich bei dem neu geschaffenen Zwangslager nicht um eine Fortsetzung der Arbeitseinheit, sondern um ein separates und eigenständiges Lager handelte. Die Zahl der Wachen wurde auf 60 Personen festgelegt. Diese Tätigkeit wurde von slowakischen Soldaten übernommen.4Militärhistorisches Archiv, Fond Ministerium der nationalen Verteidigung, Vertrauliche Akten, Karton Nr. 499, Nr. 92 3/4.

In das Zwangslager wurden nicht nur Roma aus der Arbeitseinheit überführt, sondern ganze Familien aus dem Kreis Trenčín und anderen Bezirken verschleppt. Die ursprüngliche Kapazität lag bei 315 Personen, stieg aber schnell auf 729 Gefangene an.5Nečas, Nucená táborová koncentrace Cikánů v Dubnici nad Váhom, 77 Die Überbelegung des Lagers führte zu schlechten gesundheitlichen und katastrophalen sanitären Bedingungen, sodass sich innerhalb weniger Wochen Krätze und Läuse verbreiteten. Der gravierende Mangel an medizinischer Versorgung führte zum Tod vieler Kinder und älterer Menschen. Dokumentiert sind neun Todesfälle; das jüngste Opfer war Helena Demeter {geb. 1944), die nur drei Monate alt wurde, die älteste Maria Hoferovic (1863–1944), die im Alter von 81 Jahren starb.6Janas, Zabudnuté tábory, 96–97.

Die Morde vom 23. Februar 1945

Im Dezember 1944 brach eine Typhusepidemie aus, die zur Quarantäne und vollständigen Isolierung des Zwangslagers führte. Den slowakischen Soldaten gelang es nicht, die Epidemie unter Kontrolle zu bringen und die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Zahlreiche Menschen starben bis Mitte Februar 1945. Im Februar 1945 übernahmen deutsche Einheiten die Initiative im Lager und beschlossen, alle Kranken und diejenigen, die sie für krank hielten, zu liquidieren.7Rajcan, Dubnica nad Váhom, 859. Am 23. Februar 1945 erklärte der Direktor des Werks Sonnewend in Dubnica sein Einverständnis damit, ein Massengrab in dem „Tal“ genannten Werksabschnitt auszuheben. Am selben Tag brachten die Deutschen 26 Rom:nja in Lastwagen dorthin. Die Opfer wurden über den Zweck des Transports getäuscht: Angeblich sollten sie in das Krankenhaus von Trenčín gefahren werden. Tatsächlich fuhren die Lastwagen aber direkt zum Fabrikgelände, wo alle 26 Personen erschossen und in einem Massengrab verscharrt wurden. Am Tag nach dem Massaker wurde die Quarantäne des Lagers aufgehoben. Das Massengrab wurde am 5. Mai 1945 geöffnet und eine Exhumierung durchgeführt. Im Protokoll der Exhumierung wurden die Leichname von 1 bis 26 nummeriert. Unter den Toten befanden sich 20 Männer und sechs Frauen, von denen eine hochschwanger war (sie war im 7. Monat). 18 Menschen waren tödlich getroffen worden, sechs waren bei lebendigem Leibe unter dem Lehm erstickt, mit dem das Grab abgedeckt worden war.8 Janas, Zabudnuté tábory, 101-102, 108–112.

Das Lager bis Kriegsende

Das Lager war anschließend weiterhin unter der Kontrolle der slowakischen Armee. Die Soldaten blieben dort bis Anfang April 1945, danach übernahm eine Gendarmerie-Einheit aus Trenčín seine Bewachung. Die Gendarmen verließen das Lager am 8. April 1945; gemeinsam mit ihnen mussten auch die noch am Leben gebliebenen Rom:nja den Ort verlassen. Schließlich wurde beinahe das gesamte Lager in Brand gesteckt und zerstört. Übrig blieben lediglich die Baracken für die Wachmannschaften, das Waschhaus und die Werkstatt, die jedoch später abgebaut wurden.

Erinnerung

Nach dem Krieg wurde eine Kommission zur Untersuchung der Verbrechen in Dubnica nad Váhom eingesetzt. Diese Kommission begann in Juli 1945 mit ihren Ermittlungen und setzte sie bis 1946 fort. Es wurden einige Zeugenaussagen gesammelt, aber den genauen Ablauf der Exekutionen und somit auch die Verantwortlichkeiten konnte die Kommission nicht aufklären.9 Ebd., 112–115.

In der Bundesrepublik wurde 1973 ein Ermittlungsverfahren gegen das Einsatzkommando 13 der Einsatzgruppe H wegen der an Rom:nja begangenen Verbrechen in Dubnica nad Váhom eingeleitet, jedoch wieder eingestellt.10 Staatsarchiv Freiburg, F 178/2, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Konstanz, 20 Js 50/73.

2007 wurde auf Initiative der Organisation In Minorita an dem ehemaligen Lagergelände, das weiterhin von einer Firma, der ZVS Holding s.r.o., genutzt wird, ein Denkmal errichtet. Es erinnert an die 26 ermordeten Rom:nja. 18 Namen sind in dem Protokoll der Exhumierung überliefert: Július Bartoš, Jozef Biháry, Ondrej Čajka, Ján Gorol, Alžbeta Grundzová, Gustáv Herák, Pavlína Hrešková, Ondrej Kakara, Jozef Koto-Dudy, Ernest Lacko, Sebastian Malík, Štefan Malík, Jozef Oláh, Albín Pihík, Rudofl Pihík, Rudolf Rác, Margita Rácová, Ján Surmay.

Einzelnachweise

  • 1
    Gardista [Der Gardist] 25. September 1942, IV. Jahrgang, Nr. 219, 3.
  • 2
    Nečas, Nucená táborová koncentrace Cikánů v Dubnici nad Váhom, 72–75.
  • 3
    Janas, Zabudnuté tábory, 60–61.
  • 4
    Militärhistorisches Archiv, Fond Ministerium der nationalen Verteidigung, Vertrauliche Akten, Karton Nr. 499, Nr. 92 3/4.
  • 5
    Nečas, Nucená táborová koncentrace Cikánů v Dubnici nad Váhom, 77
  • 6
    Janas, Zabudnuté tábory, 96–97.
  • 7
    Rajcan, Dubnica nad Váhom, 859.
  • 8
    Janas, Zabudnuté tábory, 101-102, 108–112.
  • 9
    Ebd., 112–115.
  • 10
    Staatsarchiv Freiburg, F 178/2, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Konstanz, 20 Js 50/73.

Zitierweise

Matej Beránek: Dubnica nad Váhom, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 27. April 2025.

1942
19. September 1942In der Slowakei gibt Innenminister Alexander Mach den Erlass Nr. 419/1942 heraus, mit dem die Bedingungen in den ‚Arbeitsabteilungen‘ für „Asoziale“ und Rom:nja verschärft werden.
1944
2. November 1944Das Ministerium der nationalen Verteidigung des Slowakischen Staates ordnet die Errichtung eines Zwangslagers für Rom:nja in Dubnica nad Váhom an.
1945
23. Februar 194526 Rom:nja aus dem Zwangslager Dubnica nad Váhom, Slowakischer Staat, werden aus dem Lager geführt und auf dem Gelände einer nahegelegenen Fabrik erschossen.
5. Mai 1945In der Nähe des ehemaligen Zwangslagers Dubnica nad Váhom des vormaligen Slowakischen Staates wird ein Massengrab mit den Leichnamen von 26 Rom:nja geöffnet. Bei der Exhumierung wird festgestellt, dass sich unter den Opfern eine im 7. Monat schwangere Frau befand und dass acht Menschen bei lebendigem Leibe begraben worden waren.