Kuščëvskaja

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Kuščëvskaja
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 8. Oktober 2024

Kuščëvskaja [Deutsch: Kuschtschewskaja] ist ein Dorf [stanica] im gleichnamigen Rajon, Kraj Krasnodar, Russland. Im Zuge des Unternehmens Blau wurde Kuščëvskaja am 1. August 1942 von Einheiten der Heeresgruppe A eingenommen. Die längste Zeit der gut sechsmonatigen Okkupation war es Teil des rückwärtigen Heeresgebiet A und lag im Zuständigkeitsbereich der 454. Sicherungsdivision. Die Verwaltung von Kuščëvskaja und Umgebung übernahm die Ortskommandantur I/696. Die mehrheitlich kosakische Bevölkerung galt aus Sicht der Besatzer als deutschfreundlich und sollte eine entsprechend bevorzugte Behandlung erfahren. Südlich von Kuščëvskaja wurde ein „Versuchsgebiet“ zur Selbstverwaltung der Kubankosaken eingerichtet, das knapp ein Fünftel des rückwärtigen Heeresgebiets A einnahm.

Auch der Rajon Kuščëvskaja barg für die Besatzer wenig innere Gefahren. In ihrem Bericht für den Monat November 1942 meldete die 454. Sicherungsdivision, dass keine nennenswerte „Bandentätigkeit“ – gemeint sind Aktivitäten von Partisan:innen – festgestellt worden sei. Dennoch wurde unter der Rubrik „III. Abwehr“ die Festnahme von 325 Personen, davon 132 Zivilist:innen, aufgeführt. Unter den festgenommenen Zivilist:innen waren auch Rom:nja: „In Kuschtschewskaja wurde eine wandernde 22-köpfige Zigeunergruppe festgenommen und […], da sie abwehrmäßig eine Gefahr bedeutet, in dem dortigen Judenlager untergebracht […]“.1Staatsarchiv Nürnberg, NOKW 2856, Tätigkeitsbericht der Abteilung Ic der 454. Sicherungsdivision für den Monat November 1942, 6. Dezember 1942. Das Original des Tätigkeitsberichts findet sich in BArch, Abteilung Militärarchiv, RH 26-454/20, ohne Paginierung. Der Hinweis auf die abwehrmäßige „Gefahr“ basiert auf der Annahme einer Spionagetätigkeit durch wandernde Rom:nja, die in den deutschen Berichten häufig zu finden ist; diese Einstufung ist in Anbetracht der kriegsbedingten Flüchtlingsströme und aus antiziganismuskritischer Perspektive jedoch generell mit Vorsicht zu behandeln.

Das weitere Schicksal der festgenommenen Rom:nja ist nicht überliefert, zumal auch die Außerordentliche Staatliche Kommission keine Ermittlungen zu diesem Fall durchgeführt zu haben scheint. Es ist davon auszugehen, dass sie kurz nach ihrer Einlieferung von der deutschen Sicherheitspolizei (Sonderkommando 10a) erschossen wurden, spätestens jedoch Ende Dezember 1942, als das Lager aufgelöst und sämtliche verbliebenen Insass:innen ermordet wurden.2Vgl. Tyas, „The Kaukasier Kompanie“, 105. Kuščëvskaja wurde bereits Anfang Februar 1943 von der Roten Armee zurückerobert.

Einzelnachweise

  • 1
    Staatsarchiv Nürnberg, NOKW 2856, Tätigkeitsbericht der Abteilung Ic der 454. Sicherungsdivision für den Monat November 1942, 6. Dezember 1942. Das Original des Tätigkeitsberichts findet sich in BArch, Abteilung Militärarchiv, RH 26-454/20, ohne Paginierung.
  • 2
    Vgl. Tyas, „The Kaukasier Kompanie“, 105.

Zitierweise

Martin Holler: Kuščëvskaja, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 8. Oktober 2024.-

1942
28. Juni 1942Unter dem Decknamen „Unternehmen Blau“  bzw. „Fall Blau“  beginnt die Sommeroffensive der Wehrmacht im Südabschnitt der deutschen Ostfront mit Vorstößen in Richtung Wolgagebiet und Nordkaukasus (Sowjetunion). Bis Ende Februar 1943 werden in diesen Gebieten Hunderte Rom:nja von deutschen Einheiten ermordet.
November 1942Im nordkaukasischen Kuščëvskaja, deutsch besetztes Russland, nimmt die 454. Sicherungsdivision im November eine Gruppe von 22 Rom:nja fest und weist sie in das dortige „Judenlager“ ein.