Franz Langmüller, geboren am 10. Mai 1909 in Paulenstein bei Pressburg (zu der Zeit der österreichisch–ungarischen Monarchie zugehörig, heute Borinka, Slowakei), trat nach seiner Schulzeit und einer kurzen Zeit als Hilfsarbeiter und Beamter im April 1930 den Dienst bei der Wiener Polizei an, wo er 1934 von der Sicherheitspolizei zur Kriminalpolizei wechselte.
Nach einem kurzen Intermezzo bei der Abteilung „Verkehrsunfallkommando“ kam er wieder zum Sicherheitsbüro und wurde als Diensthundeführer eingesetzt. Langmüller war kein Mitglied der NSDAP, wurde aber im Dezember 1942 für die Waffen-SS gemustert und hatte zuletzt den Rang eines SS-Obersturmführers inne.1Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DOEW), Akte Nr. 09626.
Lagerleitung in Lackenbach
Im April 1941 wurde Franz Langmüller dem im November 1940 eingerichteten Zwangslager Lackenbach, Bezirk Oberpullendorf im Burgenland, als stellvertretender Lagerleiter zugeteilt. Im Frühling 1941 erfolgten Masseneinweisungen von Rom:nja und die Anzahl der in dem ehemaligen Gutshof eingesperrten Menschen stieg auf bis zu 2 000 Personen an. Das Lager war auf diese große Häftlingsanzahl nicht vorbereitet, so dass auf Grund der schlechten hygienischen Bedingungen im Winter 1941/42 eine Typhusepidemie ausbrach, der circa 250 bis 300 Rom:nja zum Opfer fielen. Als der Lagerkommandant Johannes Kollroß (1892–1942) ebenfalls an der Seuche starb, übernahm Franz Langmüller ab Januar 1942 die Lagerleitung.2Brettl, Nationalsozialismus im Burgenland, 277.
Misshandlungen der Eingesperrten
Während seiner rund einjährigen Lagerleitung versuchte Langmüller, sich mit brutaler Gewalt und auf sadistische Art und Weise gegenüber den Gefangenen Autorität zu verschaffen. Bei Verstößen gegen die strenge Lagerordnung, etwa im Hinblick auf Sprech- und Rauchverbote, wurden Rom:nja für mehrere Tage mit Einzelhaft, Essensentzug und Schwerarbeit bestraft. Gefassten Flüchtlingen wurden auf Anordnung von Langmüller nach ihren Fluchtversuchen von „Lagerkapos“ 25 Stockhiebe verabreicht. Auch der Lagerleiter selbst teilte den Häftlingen immer wieder Ohrfeigen oder Schläge aus.
Ebenso waren Demütigungen der Häftlinge unter Langmüller an der Tagesordnung. Rom:nja wurden unter anderem dazu genötigt, die Latrinen mit bloßen Händen auszuschöpfen oder ihre Nasen in die Exkremente zu stecken. Nach Aussagen von Überlebenden waren die Behandlung der Häftlinge in Lackenbach unter der Führung von Langmüller wesentlich grausamer und die Lebensbedingungen deutlich schwieriger als unter seinen Vorgängern und Nachfolgern.
Im September 1942 wurde Langmüller als Lagerleiter abgelöst und nach Wien abgeordnet. Nach seiner Musterung für die Waffen-SS war er als Feldpolizeisekretär bei der Geheimen Feldpolizei im südlichen Russland im Einsatz. Wegen einer schweren Verwundung im Sommer 1944 in Bessarabien gelangte Langmüller in ein Lazarett in Wien. Es folgte schließlich im Januar 1945 seine Versetzung nach Bratislava, bevor er sich mit seiner Truppe bei Kriegsende nach Passau zurückzog.3Ebd., 288.
„Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
Im April 1946 wurde Langmüller auf Grund seiner vorherigen SS-Zugehörigkeit verhaftet und als politischer Internierter im Lager Glasenbach in Morzg bei Salzburg festgehalten. Gegen ihn bestand der Verdacht der Erschießung von Partisan:innen in der deutsch besetzten Sowjetunion und anderer – in der Akte nicht näher ausgeführter – dort begangener krimineller Amtshandlungen. Am 22. Mai 1947 wurde er, ohne juristisch belangt worden zu sein, entlassen.
Am 23. Juni 1947 erstattete die Polizeidirektion Wien gegen Franz Langmüller aufgrund der Zeugenaussagen von zwei Überlebenden, Stefan H. und Margarethe H., über die Zustände im Lager Lackenbach bei der Staatsanwaltschaft Wien Anzeige. Er wurde Verbrechen gemäß der Paragrafen 3 und 4 des Kriegsverbrechergesetzes („Quälerei und Misshandlung sowie Verletzungen der Menschenwürde“) beschuldigt. Nach den ersten Voruntersuchungen wurde Langmüller im Juli 1948 in gerichtliche Untersuchungshaft genommen.
Die Hauptverhandlung fand am 15. Oktober 1948 vor dem Volksgericht Wien am Landesgericht für Strafsachen statt. Aufgrund der Aussagen zahlreicher Zeug:innen kamen die verübten Grausamkeiten ans Tageslicht. Während die ehemaligen Häftlinge die Anschuldigungen, etwa Essensentzug, Strafarbeit, Schläge und Erniedrigungen, eindrucksvoll bestätigten, entlasteten den Beschuldigten sowohl der ehemalige Lagerarzt, als auch frühere Lagerverwaltungsbeamte und seine vormaligen Handlanger. Dies taten sie nicht zuletzt deshalb, weil sie sich selbst vor Anklagen schützen wollten.
Langmüller bekannte sich vor Gericht nur teilweise schuldig, indem er Essensentzug und Schläge einräumte. Er rechtfertigte sein Vorgehen damit, dass er von der vorgesetzten Behörde keine Unterstützung erhalten habe und die Ausbreitung des Flecktyphus auf die Region unbedingt habe vermieden werden müssen. Sein Verhalten sei daher eine Notwendigkeit gewesen, auch um „Ordnung“ im Lager zu schaffen und Fluchten zu verhindern.
Verurteilung und Amnestie
Am 15. Oktober 1948 wurde Franz Langmüller vom Volksgerichtshof für schuldig befunden. Das Volksgericht Wien bewertete seine Taten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Menschenrechte. In der Urteilsbegründung hielt es fest: „Der Angeklagte Franz Langmüller ist schuldig, er habe in Lackenbach im Burgenland in den Jahren 1941 und 1942 zur Zeit der NS-Gewaltherrschaft, unter Ausnützung dienstlicher Gewalt, Menschen, nämlich Zigeuner, in einen qualvollen Zustand gesetzt und empfindlich misshandelt und in ihrer Menschenwürde gekränkt und beleidigt.“4WStLA, Zl. 4594/47, Franz Langmüller, Urteil des Volksgerichts Wien vom 15. Oktober 1948, ohne Blattangabe.
Das Gericht verurteilte Langmüller zu einem Jahr schwerem Kerker. Das milde Urteil begründete das Gericht damit, dass der Angeklagte unbescholten sei, ein Teilgeständnis abgelegt und einen guten Leumund habe. Zudem folgte das Gericht der Entlastungsstrategie Langmüllers, wonach aufgrund der Seuchengefahr eine gewisse Zwangslage geherrscht habe.
Weil Franz Langmüller die Haftzeit im Internierungslager und die Untersuchungshaft angerechnet wurden, konnte er bereits nach zweieinhalb Monaten das Gefängnis als freier Mensch verlassen. Im Juli 1957 wurde seinem Ansuchen um Tilgung des Urteils gemäß der NS-Amnestie von 1957 durch das Landesgericht für Strafsachen Wien stattgegeben.
Auch ein weiteres, nach Anschuldigungen eines ehemaligen Häftlings von Lackenbach angestrengtes Ermittlungsverfahren verlief für Langmüller glimpflich. Die Staatsanwaltschaft Wien nahm 1954 Ermittlungen wegen der Beschuldigung auf, im Lager sei vergiftete Milch ausgegeben worden und Kinder seien dadurch zu Tode gekommen. Nachdem der Verdacht nicht erhärtet werden konnte, wurde das Verfahren am 3. März 1955 eingestellt.
In den 1950er-Jahren hielt Langmüller sich in Niederösterreich auf und war als Stellmacher tätig. Danach verliert sich seine Spur.5Brettl, Nationalsozialismus im Burgenland, 289.




