Jiří Letov wurde am 24. April 1897 in Tísek (Bezirk Nový Jičín) als Jiří Sommer geboren. Wie sein Vater, wollte er den Beruf eines Lehrers ausüben, bis er 1917 in die österreichisch-ungarische Armee eingezogen wurde. Während des Ersten Weltkriegs kämpfte er hauptsächlich an der Südfront und wurde mit mehreren Medaillen ausgezeichnet. Nach dem Krieg setzte er seine Karriere in der tschechoslowakischen Armee fort.
1935 trat er eine Stelle im Verteidigungsministerium in Prag an. 1937 änderte er seinen deutschen Nachnamen „Sommer“ in die tschechische Übersetzung „Letov“, womit er gleichzeitig seine Bewunderung für den deutschen General Paul von Lettow-Vorbeck (1870–1964) zum Ausdruck brachte.
Abteilung für Arbeitslager im Innenministerium
Nach der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren wurde das Verteidigungsministerium aufgelöst. Da er nicht wie erhofft eine Stelle im Kulturbereich finden konnte – Letov war ein begeisterter Kinoliebhaber – nahm er eine Stelle im Innenministerium an.
Ab April 1942 arbeitete er in der Abteilung für Arbeitslager des Ministeriums, die später in das Büro des Kommandanten der nicht uniformierten Schutzpolizei eingegliedert wurde. Als ehemalige Arbeitslager fielen die „Zigeunerlager” Lety bei Pisek und Hodonin bei Kunstadt in seinen Zuständigkeitsbereich. Obwohl er ein überzeugter tschechischer Nationalist war, baute er auch zu seinen deutschen Vorgesetzten gute Arbeitsbeziehungen auf.
Nach einer Inspektion des Lagers Lety im Dezember 1942 unternahm Letov verschiedene Anstrengungen, um die Bedingungen im Lager zu verbessern. Es gelang ihm, die Ernährung der Häftlinge, die Trinkwasserversorgung im Lager und die medizinische Versorgung der Insass:innen zu verbessern. Er war auch an der Ablösung des Lagerkommandanten Josef Janovský (1888–1956) beteiligt.
Nach dem Krieg
Nach dem Krieg wurde Letov mehrfach der Kollaboration beschuldigt. Obwohl er 1948 von diesen Vorwürfen freigesprochen wurde, wurde er 1950 endgültig aus dem Innenministerium entlassen, was ihm eine weitere berufliche Perspektive im Staatsdienst verbaute. Stattdessen nahm Letov eine Stelle als Versandangestellter bei Auto-Praga, einem Hersteller von Lastwagen, Autos und Flugzeugen, an. Nach einigen Monaten kündigte er und wurde Buchhalter beim nun staatseigenen Verlag Kniha Lidu [Das Buch des Volkes], wo er bis zu seiner regulären Pensionierung im Jahr 1958 blieb. Er starb am 18. April 1963 in Prag.
Letov führte fast sein ganzes Leben lang Tagebuch. Obwohl einige Teile nach seinem Tod verloren gingen, konnte Markus Pape (geb. 1962) Letovs Einträge für die Jahre 1912–1917 und 1920–1963 auffinden. Nach der Geburt seines Sohnes hatte Letov eine weitere Version seiner Tagebücher geschrieben, die einen Zeitraum von zehn Jahren umfasste und die er in Form einer fiktionalisierten Darstellung der Ereignisse aus der Sicht seines Sohnes verfasste. Auf der Grundlage dieser Quellen veröffentlichte Pape 2019 ein Buch über Letovs Biografie.
Wie die tschechische Historikerin Anna Míšková (geb. 1989) hervorhob, bieten Letovs Tagebücher einen einzigartigen Einblick in die Gedankenwelt eines Mannes, der in sehr schwierigen Zeiten versuchte, zu überleben, seine Familie zu schützen, seine Karriere fortzusetzen und – wann immer möglich – anderen zu helfen. Allerdings sind nur die in Papes Buch zitierten Passagen für Forscher:innen und die Öffentlichkeit zugänglich. Die Original-Tagebücher befinden sich im Besitz von Letovs Nachkommen.




