Nemecká

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Nemecká
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 27. April 2025

Nemecká (deutsch Deutschdorf an der Gran) liegt 229 Kilometer nordöstlich von Bratislava und 22 Kilometer von Banská Bystrica entfernt. Es handelt sich um den Tatort eines Massakers, das im Slowakischen Staat vom 4. bis 11. Januar 1945 begangen wurde. Innerhalb von sieben Tagen wurden mehr als 400 Menschen unterschiedlichen Alters ermordet; unter den Opfern waren Juden:Jüdinnen, Rom:nja, Sympathisanten des Slowakischen Nationalaufstandes, Aufständische sowie slowakische und ausländische Partisan:innen.

Tathergang

Noch während Massenerschießungen durch das Einsatzkommando 14 der Einsatzgruppe H in Kremnička andauerten, fanden parallel dazu in Nemecká im Ráztocka-Tal weitere Morde statt. Diesen Hinrichtungsort wählte SS-Obersturmführer Kurt Herbert Deffner (1916–1945),1 Archiv des Museums des Slowakischen Nationalaufstands, Fond IX, Karton Nr. 6, Nr. S2/78. Deffner gilt seit dem 3.4.1945 als vermisst im Raum Nitra, vgl. https://www.volksbund.de/erinnern-gedenken/graebersuche-online/detail/6ab4521c09016fb79c3ec369f96bc7cb [Zugriff: 12.11.2024]. Kommandant des Einsatzkommandos 14 und der Festung in Banská Bystrica, aufgrund der Überfüllung der Massengräber in Kremnička und wegen des Anfang Januar 1945 gefrorenen Bodens, der das Ausheben von Gruben unmöglich machte.2 Baranová, Pred bránami pekla, 59. Das Einsatzkommando 14 arbeitete mit den Bereitschaftstruppen [Pohotovostné oddiely Hlinkovej gardy, POHG] der Hlinka-Garde aus Považská Bystrica unter dem Kommando von Oberwaffenmeister Vojtech Hora (Lebensdaten nicht ermittelt) zusammen.

Die meisten Opfer wurden aus dem Regionalgefängnis in Banská Bystrica an den Tatort gebracht, bei dem es sich um eine Kalkbrennerei in Ráztocká dolina nahe der Gemeinde Nemecká handelte. Bevor die Täter des Einsatzkommandos 14 und der Bereitschaftstruppen der Hlinka-Garde die ihnen ausgelieferten Menschen töteten, beraubten sie sie ihrer Wertsachen. Schließlich zwangen sie die Opfer, sich über einen glühenden Kalkofen zu beugen und schossen ihnen in den Hinterkopf. Waren Opfer nicht unmittelbar tot, wurden sie bei lebendigem Leibe verbrannt.3 Mičev et al., Fašistické represálie na Slovensku, 35, Šindelářová, Einsatzgruppe H, 126–127. Die Asche der Ermordeten wurde in den Fluss Hron geschüttet. Die genaue Zahl der Opfer konnte nicht ermittelt werden, da die meisten von ihnen im Kalkofen verbrannt wurden; eine Schätzung der Opferzahl und die Identifizierung der getöteten Menschen beruht hauptsächlich auf dem Häftlingsbuch des Regionalgefängnisses in Banská Bystrica.4 Ebd., 127, Baranová, Pred bránami pekla, 76. Die Anzahl der während des Massakers ermordeten Rom:nja ist unbekannt. Namentlich identifiziert wurden Samuel Bučko (1902–1945) und Milan Bučko (1930–1945).5 Ebd., 71.

Die Täter des Massakers aus den Reihen der Gardisten unterzeichneten Verschwiegenheitserklärungen. Darin verpflichteten sie sich auf Anweisung von Kurt Herbert Deffner, mit niemandem über die verübten Morde zu sprechen. Diese Verpflichtung galt nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auch gegenüber anderen Angehörigen der Hlinka-Garde und den deutschen Vorgesetzten. Jedes Gelöbnis trug drei Unterschriften: die von Kurt Herbert Deffner, die des Übersetzers (einem SS-Unterscharführer) sowie die Unterschrift des jeweiligen Gardisten.6 Archiv des Museums des Slowakischen Nationalaufstands, Fond IX, Karton Nr. 6, Nr. S 3/78.

Nach dem Krieg

Die Mitglieder der POHG aus Považská Bystrica wurden unmittelbar nach Kriegsende nicht vor Gericht gestellt. Ein Prozess gegen 15 ehemalige Mitglieder der Hlinka-Garde wegen der in Nemecká begangenen Verbrechen fand erst 1958 statt. Vier der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt, die anderen erhielten Strafen zwischen 14 und 25 Jahren.7 Gryzlov, Gardistické inferno, 113.

Heute befindet sich am ehemaligen Ort der Hinrichtungen die Gedenkstätte Nemecká, die auch ein Kulturdenkmal ist. Eine Ausstellung informiert über den historischen Ort, außerdem finden alljährlich im Januar Gedenkveranstaltungen statt. Seit 2002 wird die Gedenkstätte vom Museum des Slowakischen Nationalaufstandes verwaltet.

Einzelnachweise

  • 1
    Archiv des Museums des Slowakischen Nationalaufstands, Fond IX, Karton Nr. 6, Nr. S2/78. Deffner gilt seit dem 3.4.1945 als vermisst im Raum Nitra, vgl. https://www.volksbund.de/erinnern-gedenken/graebersuche-online/detail/6ab4521c09016fb79c3ec369f96bc7cb [Zugriff: 12.11.2024].
  • 2
    Baranová, Pred bránami pekla, 59.
  • 3
    Mičev et al., Fašistické represálie na Slovensku, 35, Šindelářová, Einsatzgruppe H, 126–127.
  • 4
    Ebd., 127, Baranová, Pred bránami pekla, 76.
  • 5
    Ebd., 71.
  • 6
    Archiv des Museums des Slowakischen Nationalaufstands, Fond IX, Karton Nr. 6, Nr. S 3/78.
  • 7
    Gryzlov, Gardistické inferno, 113.

Zitierweise

Matej Beránek: Nemecká, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 27. April 2025.

1945
04. Januar 1945 – 11. Januar 1945Mitglieder der Einsatzgruppe 14 und die Bereitschaftstruppen der Hlinka-Garde aus Považská Bystrica verüben einen Massenmord an 400 Menschen in der Nähe von Nemecká, Slowakischer Staat. Unter den Opfern befanden sich auch Rom:nja.