Bernhard Wilhelm Neureiter zählt zu den maßgeblich an der Verfolgung der österreichischen Rom:nja und Sinti:ze beteiligten nationalsozialistischen Politiker. Er wurde am 8. Mai 1900 in Gnigl, im Bundesland Salzburg, Österreich, geboren. Seine Jugend verbrachte er in Salzburg und im Sudetenland, das er nach dessen Angliederung an die Tschechoslowakei verließ. Der ausgebildete Lehrer kam 1922 ins Burgenland, wo er alsbald zum Schulleiter von Steinbach, Bezirk Oberpullendorf, aufstieg. Ende der 1920er-Jahre machte er mit einigen Publikationen, Radiobeiträgen und Vorträgen über Rom:nja auf sich aufmerksam.1Burgenländisches Landesarchiv (BLA), Personalakt, Gruppe VIII, 1250/55, Zl. 4816/46.
Politischer und ideologischer Akteur
Am 1. Februar 1933 trat Neureiter der NSDAP bei, gründete eine Ortsgruppe in Steinbach und wurde 1933 zum Bürgermeister gewählt. Mit dem Verbot der NSDAP im Juni 1933 in Österreich erfolgten seine Abberufung als Bürgermeister, eine kurzzeitige Inhaftierung wegen illegaler Tätigkeit und schließlich die Versetzung als Lehrer in den Ruhestand.2Ebd.
Bereits kurz nach der NS-Machtübernahme in Österreich im März 1938 trat Bernhard Wilhelm Neureiter wieder bei nationalsozialistischen Versammlungen und als Publizist in Erscheinung. In seinen hetzerischen Schriften im Geist der NS-Ideologie forderte er die Sterilisation von Rom:nja und die Einweisung aller Rom:nja in Lager, um sie dort zu „gemeinnütziger Arbeit“ heranzuziehen.3Bernhard Wilhelm Neureiter, „Die Zigeuner. Die Zigeuner im Burgenland,“ in: Grenzmark Burgenland, 17. Juli 1938, S. 7. Zudem brüstete er sich damit, im Auftrag von Gauleiter Tobias Portschy (1905–1996) Vorschläge zur „Beseitigung der Zigeunerplage“ ausgearbeitet zu haben.4Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, „Dokumentation“, 34. Bei der Dokumentation handelt es sich um den Abdruck eines von Bernhard Wilhelm Neureiter verfassten „Bericht[s] über das bisherige Ergebnis auf dem Gebiete der Bekämpfung der Zigeunerplage im Gau Niederdonau“ vom 28. September 1941.
„Erfinder“ des Lagers Lackenbach
Bernhard Wilhelm Neureiter, ab dem Sommer 1939 „Beauftragter für Zigeunerfragen im Rassenpolitischen Amt der Gauleitung Niederdonau“, setzte sich aktiv für die Errichtung eines überregionalen Lagers ein, da die „Verbringung von Zigeunern in Konzentrationslager“ sich seiner Einschätzung nach in absehbarer Zeit nicht realisieren lassen würde.5Ebd., 35. Er nahm mit allen beteiligten Institutionen – wie Gendarmerie, Polizei, Landräten, Bürgermeistern, Fürsorgeämtern, Arbeitsämtern, Kreisleitern und anderen – Kontakt auf und fand deren Zustimmung, ein zentrales Lager zu errichten. Als Standort konnte er mithilfe des Landrates von Oberpullendorf einen ehemaligen Meierhof in der Gemeinde Lackenbach finden und nach langwierigen Verhandlungen mit den Kreislandräten und Bürgermeistern einen Vertrag abschließen. Das Zwangslager Lackenbach nahm am 23. November 1940 seinen Betrieb auf.6Ebd.
In weiterer Folge setzte sich Neureiter für den Aus- und Aufbau des Lagers ein und organisierte die Einweisung der Rom:nja und Sinti:ze dorthin. Zudem forcierte er die Ausstellung von Arbeitsverträgen mit regionalen und überregionalen Betrieben sowie die Rekrutierung von Zwangsarbeiter:innen zum Bau der Reichsautobahn in Niederösterreich.7Ebd., 36–38. Neureiter sah das Lager nur als Übergangslösung an und betonte, dass eine „Verbringung“ aus dem Gau zu gegebener Zeit verwirklicht werden sollte.8Ebd., 38 f. Am 4. und 7. November 1941 wurden 2 000 Rom:nja und Sinti:ze aus dem Lager Lackenbach in das Getto Litzmannstadt deportiert.9Baumgartner, „Zigeunerlager Lackenbach,“ 10.
Ermittlungsverfahren und Volksgericht
1946 wurde Bernhard Wilhelm Neureiter verhaftet und das Volksgericht Wien leitete eine Voruntersuchung wegen Hochverrat und Illegalität gegen ihn ein.10BLA, Personalakt, Gruppe VIII, 1250/55, Zl. 4816/46, Bl. 69. Nachforschungen bezüglich seiner Tätigkeit als „Rassenbeauftragter“ bzw. seine Rolle bei der Vertreibung, Zwangsumsiedlung und Deportation der Rom:nja und Sinti:ze wurden vonseiten der Staatsanwaltschaft Wien nicht getätigt. Trotz schwerer Anschuldigungen durch Zeug:innen, die ihm politische Verbrechen zur Last legten, kam es zu keiner Verurteilung. Nach dreijähriger Voruntersuchung, teilweise nur halbherzig durchgeführt, wurde das Ermittlungsverfahren gegen Neureiter am 16. August 1949 eingestellt. Staatsanwalt und Volksgericht konnten sich zu keiner eindeutigen Sachverhaltsdarstellung durchringen.
Die Anrechnung seiner Dienstzeit von 1938 bis 1945 und der Zeit von 1945 bis 1947 klagte Neureiter erfolgreich ein, sodass er mit vollen Pensionsbezügen in den Ruhestand ging. Bernhard Wilhelm Neureiter starb am 28. November 1966 in Salzburg.11Ebd., Bl. 118.