Im Zusammenhang mit dem Slowakischen Nationalaufstand wurde Tisovec, gelegen im Süden des damaligen Slowakischen Staates, Schauplatz eines Massakers an der örtlichen romani Bevölkerung. Nach Aussage einer Angestellten der Gemeinde von Oktober 1972 erschossen Mitglieder des Einsatzkommandos 14 der Einsatzgruppe H am 21. November 1944 zahlreiche Roma an Ort und Stelle und verschleppten die Frauen und Kinder, welche ebenfalls erschossen wurden. Insgesamt wurden vermutlich 44 Rom:nja an diesem Tag ermordet.
Tathergang
Nach Aussagen von Július B., einem Bewohner von Tisovec, dessen Zeugnis im Archiv des Slowakischen Nationalaufstandes aufbewahrt wird, sollen zwei ‚Agenten‘ oder ‚Provokateure‘ in die Siedlung der Rom:nja in Tisovec, genannt „U Papírny“ [Zur Papierfabrik], gekommen sein und sich als Partisanen ausgegeben haben. Nach den Ermittlungsergebnissen der Generalprokuratur (der höchsten Staatsanwaltschaft der damaligen Tschechoslowakei) zu Beginn der 1970er-Jahre soll es sich dabei um Angehörige des Sicherheitsdienstes gehandelt haben. Es gelang den beiden Männern, von dort lebenden Rom:nja, die mit Partisanen zusammenarbeiteten, Informationen über Waffenverstecke und Widerstandsaktivitäten zu erhalten. Sie wurden zudem in die Pläne zur Sprengung einer Brücke in der Nähe von Rimavska Pila eingeweiht.
Kurz darauf wurden am 20. November 1944 gegen 16 Uhr alle Rom:nja in Tisovec von Mitgliedern des Einsatzkommandos 14 auf Befehl des SS-Obersturmführers Otto Mayer (Lebensdaten nicht bekannt) aus ihren Häusern getrieben. Frauen und Kinder wurden von den Männern getrennt.
Vierzehn Männer wurden in den frühen Morgenstunden des 21. November 1944, unter dem Vorwand, einen Schützengraben auszuheben, dazu gezwungen, ein Massengrab auf einer Wiese unterhalb der Erhebung Tisovská Hradová vorzubereiten. An sie wurden nach verrichteter Arbeit Zigaretten verteilt und sie wurden – nach Angaben eines unbekannten jugoslawischen Soldaten – noch während der Rauchpause erschossen. Mária B., die zur Tatzeit in der Verwaltung der Gemeinde arbeitete und Augenzeugin der Erschießungen war, gab an, dass der zivilen slowakischen Gemeindeverwaltung nach der Tat 14 Personalausweise von ihr bekannten Roma aus dem Ort übergeben wurden. Die Gemeinde machte anschließend die Erschießungen durch einen Aushang an der Tür des Gemeindehauses publik.
Die Frauen und Kinder der Siedlung, wahrscheinlich 30 Personen,1Bei der Zahlenangabe wird der Gemeinde gefolgt, die eine Personenliste der vom Krieg betroffenen Menschen erstellte und darin insgesamt 44 Rom:nja benennt: 14 erwachsene Männer und 30 Frauen und Kinder. Die einzige Überlebende Ema Mušuková spricht ebenfalls von circa 30 Frauen und Kindern. Nečas, Slovenští Romové v letech 1939–1945, 162, nennt abweichend 34 Frauen und Kinder. Halaj, Fašistické represálie na Slovensku, 43, gibt 64 Frauen und Kinder sowie 14 Männer als Opfer an, versieht diese Information jedoch nicht mit einer Quellenangabe. wurden nach Banská Bystrica verschleppt und entweder in Kremnička oder Nemecká ermordet. Das Verbrechen wurde verschleiert, indem in einer amtlichen Mitteilung der Gemeindeverwaltung davon die Rede war, dass die „Familien zur Arbeit nach Deutschland gebracht“ worden seien.2Tschechisches Nationalarchiv, Fond ČSVKSNVZ, Karton Nr. 244, Aktennr. S a, b Tisovec.
Die einzige Überlebende – dank der Geistesgegenwart ihrer Mutter – war Ema Mušuková (1923–unbekannt). Als die Mutter das Haus verließ, verriegelte sie die Tür. Die zurückbleibende Ema Mušuková versteckte sich zunächst unter einem Bett, kletterte dann am nächsten Tag aus einem Fenster und lief in Richtung des nahegelegenen Waldes. Einige deutsche Soldaten beobachteten ihre Flucht und schossen nach ihr. Mit einer Verwundung am Fuß gelang es ihr dennoch den Wald zu erreichen, wo sie auf eine Partisanengruppe stieß. Bis zur Befreiung konnte sie bei dieser bleiben.
Exhumierung 1945 und Ermittlungen
Unmittelbar nach dem Krieg wurde die Ermordung der Rom:nja aus Tisovec in die Liste der Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgenommen, die für den Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten Jozef Tiso (1887–1947) erstellt wurde. Erwähnt wurden jedoch nur die Tötung und das Massengrab der vierzehn Roma und eines anderen slowakischen Partisanen, der sich damals in der Siedlung aufgehalten hatte.
Im Frühjahr 1945 wurde das Massengrab in Tisovec geöffnet und die 15 geborgenen Leichname wurden auf den örtlichen Friedhof umgebettet. Der Ehemann der Zeugin Mária B. dokumentierte die Exhumierung fotografisch. Später übergab das Ehepaar die Fotografien dem Museum des Slowakischen Nationalaufstandes und dem Historischen Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften.
Wo die Leichname der erschossenen Frauen und Kinder begraben wurden, ist bis heute nicht bekannt.
Anfang der 1970er-Jahre wurde die Tat vom Generalprokuratur untersucht und es wurden Zeug:innen vernommen. Der Ausgang der Ermittlungen ist nicht bekannt.
Denkmal
In Tisovec wurde am Tatort (heute Malinovský Straße) ein Denkmal für die Opfer des Zweiten Weltkriegs errichtet.3Das Datum der Einweihung ist nicht bekannt. Da Maria B. es in ihrer Zeugenaussage von Oktober 1972 erwähnt, muss es zuvor errichtet worden sein. Darauf sind auch die Namen der 14 ermordeten Roma wie folgt angebracht: Dono Ondrej (1910–1944), Ľudovít Horváth (1904–1944), Aladár Mušuka (1914–1944), Dezider Mušuka (1929–1944), Ladislav Mušuka (1894–1944), Bartolomej Oláh (1906–1944), František Oláh (1927–1944), Ľudovít Oláh (1907–1944), Gejza Oláh (1913-1944), Ján Oláh (1886–1944), Ján Oláh (1901–1944), Ján Oláh (1909–1944), Ján Oláh (1929–1944), Matej Oláh (1912–1944).