Edward Dębicki

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Edward Dębicki
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 13. Januar 2025

Edward Dębicki wurde am 4. März 1935 in Kałusch, damals der polnischen Woiwodschaft Stanisławów, heute dem Oblast Iwano-Frankiwsk in der westlichen Ukraine zugehörig, geboren. Sein Geburtsname war Edward Krzyżanowski. Seine Eltern Władysław Krzyżanowski (1901–1979) und Franciszka Raczkowska (1912–1996) gehörten einer Roma Community an, die saisonal auf Reisen ging, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Den Sommer über war die Familie, der Dębickis Geschwister Janina (1932–2003), Adam (1936–2020) und Adela (1938–2009) angehörten, auf Reisen, im Winter mietete sie eine Unterkunft.

In seiner 2004 erschienenen Autobiografie „Ptak umarłych“ (2018 auf Deutsch unter dem Titel „Totenvogel. Erinnerungen“ veröffentlicht) berichtet Edward Dębicki anschaulich über sein Heranwachsen in einer Zeit großer Umwälzungen und Verfolgung.1Die Autorinnen danken Edward Dębicki für seine Hilfe bei der Erstellung der Biografie.

Musikalische Tradition in der Familie

Dębicki stammte aus einer Familie, die tief in der Romani Musiktradition verwurzelt war. Zu den Vorfahren zählten die Familien Wajs und Korzeniowski, die seit Generationen ihren Lebensunterhalt überwiegend als Musiker:innen verdienten. Sie waren besonders bekannt für die Harfen, die sie in ihrem Orchester mit sich führten. Edward Dębickis Familie väterlicherseits besaß ein Haus und Land in Alexandriia in Wolhynien, Ukraine, wurde aber nach dem Ersten Weltkrieg und im Zuge der Oktoberrevolution vertrieben.

Edward Dębicki erlernte bereits als Zehnjähriger autodidaktisch das Akkordeonspiel und schon in jungen Jahren musizierte er in dem mit Harfen besetzten Ensemble seiner Onkel. Musik sollte zu einem eng mit seiner Romani Herkunft verbundenen Grundpfeiler seiner Identität und Karriere werden.

Verfolgung und Überleben

Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges brachte der Roma Community unermessliches Leid. Als NaziDeutschland am 1. September 1939 Polen überfiel und die Sowjetunion östliche Landesteile Polens besetzte, flohen die Familien in südöstliche Richtung. Den Winter 1939/40 verbrachten sie in Kozowa (einer Ortschaft im Oblast Ternopil, Ukraine), wo sie Freund:innen hatten und Unterschlupf finden konnten.

Doch die wachsende Gefahr durch deutsche Besatzer:innen und ihre lokalen Kollaborateur:innen zwang die Familie dazu, ständig unterwegs zu sein. Sie ließ sich schließlich zeitweilig in Leżachów – einem Dorf im Südosten Polens – nieder, wo Dębickis Vater Edward Krzyżanowski 1942 ein kleines Haus erwarb. Aber selbst dort drohte ihnen Deportation und Ermordung. Sie hörten von Massakern an Juden:Jüdinnen und Rom:nja, darunter eines in der Nähe von Beresteczko (einer Kleinstadt in der Oblast Wolhynien im Nordwesten der deutsch besetzten Ukraine): Überlebende erzählten schreckliche Geschichten von Massenerschießungen.

Im Winter 1942/43 flohen sie nach Włodzimierz (heute Volodimir-Volynskii im Oblast Volyn, Ukraine), wo sie in der Nähe eines Gettos lebten, in dem die meisten jüdischen Gefangenen bereits ermordet worden waren. Die Rom:nja wurden gezwungen, weiße Stoffflecken als Kennzeichnung auf ihrer Kleidung zu tragen und mussten Zwangsarbeit leisten. Dębickis Vater wurde verhaftet, nachdem er einer jüdischen Familie Brot gegeben hatte, wurde aber später mit Hilfe von Edward Dębickis Onkeln freigelassen.

Als die Verfolgung zunahm, floh die Familie in den Wald, um sich polnischen Partisan:innen anzuschließen, und entkam mehrfach nur knapp der Gefangennahme durch deutsche Truppen und ukrainische nationalistische Kräfte. Sie verbrachte viele Monate versteckt in den Wäldern und war täglich der Bedrohung durch die Nazis und die ukrainischen Streitkräfte unter Stepan Bandera (1909–1959) ausgesetzt. Ihr Überleben hing von schnellen Entscheidungen, der Unterstützung durch lokale polnische Partisan:innen und schierer Widerstandsfähigkeit ab.

Leben und Karriere nach dem Krieg

Nachdem das Gebiet im Juli 1944 durch die Rote Armee befreit worden war, kehrte Dębickis Familie schließlich nach Polen zurück, um sich ein neues Leben aufzubauen. Ein Jahr später nahm die Familie den Nachnamen Dębicki an.

Edward Dębicki setzte nach dem Krieg seine Ausbildung in Polen fort und besuchte Musikschulen in Gorzów Wielkopolski und Zielona Góra. Seine Hingabe für die Musik führte 1955 zur Gründung von Kcham (Romanes: Sonne). Dies war Polens erstes Romani Musikensemble, aus dem später das international bekannte Musiktheater Terno (Romanes: Jung) hervorging.

Dębicki komponierte etwa 200 Musikstücke, verfasste zahlreiche Theaterstücke und schrieb Filmmusiken. Seine Arbeit überwand Grenzen und machte ihn zu einer über die polnische Roma Community hinaus bekannten und gefeierten Persönlichkeit. Seit 1989 organisiert er die Romane Dyvesa (Romanes: Romani Tage), ein internationales Treffen von Romani Musiker:innen in Gorzów Wielkopolski. Auch war er maßgeblich an der Gründung der „Bronisława-Wajs-Gesellschaft der Schöpfer und Freunde der Zigeunerkultur“ [Stowarzyszenie Twórców i Przyjaciół Kultury Cygańskiej im. B. Wajs-Papuszy] im Jahr 2002 beteiligt, die an seine Verwandte Bronisława „Papusza“ Wajs (1908–1987) erinnert.

Kultureller Beitrag und Vermächtnis

Edward Dębickis Beiträge zur Kultur der Rom:nja sind weithin anerkannt. Sein musikalisches und literarisches Werk zeugt von der Geschichte und den künstlerischen Errungenschaften seiner Community. Seine Autobiografie „Ptak umarłych“ bietet einen seltenen, ergreifenden Einblick in das Leben der Rom:nja während des Krieges und die einzigartigen Herausforderungen, mit denen seine Gemeinschaft konfrontiert war. Als Akkordeonist, Komponist und Schriftsteller übte er sowohl in Polen als auch international großen Einfluss aus.

Einzelnachweise

  • 1
    Die Autorinnen danken Edward Dębicki für seine Hilfe bei der Erstellung der Biografie.

Zitierweise

Joanna Talewicz / Karola Fings: Edward Dębicki, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 13. Januar 2025.-

2002
Mai 2002In Gorzów Wielkopolski, Polen, wird die „Bronisława-Wajs-Gesellschaft der Schöpfer und Freunde der Zigeunerkultur“ gegründet; Präsident ist der Überlebende Edward Dębicki.