Sinti:ze und Rom:nja leben seit Jahrhunderten in der Gegend von Den Bosch (deutsch auch ’s-Hertogenbosch) in den Niederlanden. Die ersten Berichte über sogenannte „Ägypter“ oder „Heijdens“ stammen aus dem 15. Jahrhundert. Aus dem Jahr 1879 existieren Zeitungsberichte, die von einem von Zäunen umgebenem Zeltlager berichten und so einen längerfristigen Aufenthalt belegen. Jahrhundertelang waren die in Den Bosch lebenden Sinti:ze und Rom:nja hauptsächlich Pferdehändler, die von Markt zu Markt fuhren. Sie reisten durch Limburg und Noord-Brabant und hielten sich in den verschiedenen Städten und Ortschaften kurzzeitig in Zelten oder Wohnwagen auf.
Um 1920 wurden in Den Bosch dauerhaft Wohnwagenplätze eingerichtet. Der erste war der Platz „Het Stortje“ in der Nähe der Bastion Sint-Anthonie an der Hekellaan. Es folgte „De Sieb“, ein Wohnwagenplatz, der 1932 im gleichnamigen Neubauviertel eingerichtet wurde. Zu den Bewohner:innen dieses Platzes gehörten die bekannten Familien der Rom:nja Westhiner und Basily.
Nach dem deutschen Einmarsch im Mai 1940 wurden die Sinti:ze und Rom:nja in Den Bosch mit neuen restriktiven Vorschriften konfrontiert. So war beispielsweise ab Juli 1943 das Reisen in Wohnwagen in den Niederlanden verboten. In den ersten Jahren der Besatzung fanden auch in und um Den Bosch kleinere Razzien statt, bei denen „Asoziale“ gejagt wurden. Nach der nationalsozialistischen Rassenideologie zählten dazu auch Sinti:ze und Rom:nja. Die bei diesen Razzien verhafteten Sinti:ze und Rom:nja wurden schließlich in das Polizeilager Amersfoort und das Konzentrationslager Vught gebracht.
Landesweite Razzia und Deportation
Am 16. Mai 1944 fand eine landesweite Razzia gegen Sinti:ze und Rom:nja statt. Am frühen Morgen dieses Tages wurde der Lagerplatz im Arbeiterviertel De Sieb von niederländischen SS-Männern und der örtlichen niederländischen Polizei umstellt. Im Vergleich zu den Razzien, die anderswo im Land stattfanden, war es für die zuständigen Behörden hier viel unklarer, wer Sinti:ze und Rom:nja waren und wer nicht. Unter der Aufsicht eines Polizeikommissars wurde eine Auswahl anhand der Hautfarbe getroffen: „Reisende“ mit „braunem Teint“ wurden verhaftet, während eine „Zigeunerin mit niederländischem Pass“ ihren Mann nicht begleiten durfte.
Die Gefangenen wurden dann in ihren Wohnwagen oder zu Fuß zum Bahnhof in Den Bosch gebracht. Die Beamten verhielten sich unfreundlich, aber zu Misshandlungen kam es erst im Zug nach Westerbork. Dieser Zug war bereits mit den in Eindhoven verhafteten Personen überfüllt. Weinende Kinder saßen auf dem Schoß ihrer Eltern, berichtete ein Überlebender. Auf dem Weg nach Westerbork konnte man aus den Fenstern schauen, aber an den Bahnhöfen mussten sie verhangen werden.
Von den 51 Personen, die nach Westerbork gebracht wurden, wurden 33 nach wenigen Tagen wieder freigelassen, einige mit der Begründung, sie verfügten über eine ausländische Staatsangehörigkeit. Von den 18 Männern, Frauen und Kindern, die am 19. Mai 1944 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden, überlebten nur fünf Sinti:ze und Rom:nja.
Nachwirkungen
Kurz nach dem Krieg wurde der Wohnwagenplatz De Sieb verlegt. Ein neuer Standort wurde am Vlijmenseweg gefunden, mit einem neuen Namen: „camp De Moerputten“. Ende der 1950er-Jahre wurde dieser Wohnwagenplatz – einer der größten in den Niederlanden – vollständig renoviert und mit neuen und größeren Wohnwagen und beispielsweise einer eigenen Schule ausgestattet. Zu dieser Zeit waren wegen der strengen neuen Vorschriften praktisch keine Reisen mehr möglich. Seit 1945 hat Den Bosch auch in anderer Hinsicht eine wichtige Rolle für die Gemeinschaft der Sinti:ze und Rom:nja gespielt. So ist die Stadt zum Beispiel Heimat für Gruppen der Rom:nja geworden, die in den 1970er-Jahren aus dem Balkan in die Niederlande kamen. Und seit 1981 befindet sich in Den Bosch der Hauptsitz des Pastoraat Woonwagenbewoners (PWN), einer katholischen Seelsorge für Bewohner:innen von Wohnwagen. Den Bosch beherbergte auch den Sitz des Niederländischen Instituts für Sinti und Roma, bis es 2012 geschlossen wurde. Am 27. Januar 2020 wurde in Den Bosch ein Denkmal zum Gedenken an die deportierten und ermordeten Sinti:ze und Rom:nja enthüllt.