Kremnička

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Kremnička
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 27. April 2025

Kremnička [Deutsch Altkremmnitz] liegt 207 Kilometer nordöstlich von Bratislava, ist Teil der Stadt Banská Bystrica in der Mittelslowakei und gehörte während des Zweiten Weltkrieges zum Territorium des Slowakischen Staates. Nach der Niederschlagung des Slowakischen Nationalaufstands im Oktober 1944 wurde es zum Tatort mehrerer Massaker. In Banská Bystrica befand sich das Hauptquartier des Einsatzkommandos 14 der Einsatzgruppe H unter der Leitung von Kurt Herbert Deffner (1916–1945),1 Archiv des Museums des Slowakischen Nationalaufstands, Fond IX, Karton Nr. 6, Nr. S2/78. Deffner gilt seit dem 3.4.1945 als vermisst im Raum Nitra, vgl. https://www.volksbund.de/erinnern-gedenken/graebersuche-online/detail/6ab4521c09016fb79c3ec369f96bc7cb [Zugriff: 12.11.2024]. das nach der deutschen Besetzung des Gebiets dorthin verlegt worden war. Die Massenerschießungen wurden in der Zeit vom 5. November 1944 bis zum 17. März 1945 durchgeführt.

Tathergang

Der Massenmord mit der größten Zahl an Opfern fand in der Nähe von Banská Bystrica statt. Als Hinrichtungsort wurden Panzergräben gewählt, zu denen nach und nach Häftlinge aus dem Regionalgefängnis Banská Bystrica gebracht wurden. Anfang November 1944 waren in dem Gefängnis mehr als 2 000 Menschen konzentriert, die von den deutschen Bewachern grausam misshandelt wurden. Die Opfer wurden mit Lastwagen, Bussen oder Autos nach Kremnička und in die nähere Umgebung transportiert. Dann wurden sie zu den Panzergräben getrieben und mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet; wer sich noch bewegte, auf den wurde erneut geschossen. Die Morde erfolgten meist in den frühen Morgenstunden, wobei die Täter in der Regel versuchten, Kleidung und persönliche Gegenstände der Opfer zu verbrennen.2 Archiv des Museums des Slowakischen Nationalaufstands, Fond IX, Karton Nr. 5, Nr. 104/65.

Das Einsatzkommando 14 arbeitete mit der 5. Feldkompanie der Hlinka-Garde unter der Führung von Jozef Nemsila (1913–1997) zusammen. Am 20. November 1944 nahmen die Mitglieder der 5. Feldkompanie der Hlinka-Garde an den Erschießungen teil.3 Hurboň, 5. Poľná rota Hlinkovej gardy, 41–43. Allein an diesem Tag wurden in Kremnička mindestens 47 Rom:nja aus der Umgebung von Banská Bystrica und Krupina ermordet.4 Baranová, Pred bránami pekla, 37–40. Auch 109 Rom:nja aus dem Dorf Ilija im Bezirk Banská Štiavnica wurden nach Kremnička deportiert und dort getötet. Unter den Inhaftierten waren 21 Frauen und 69 Kinder. Die einzige Überlebende der Razzia in Ilija war Mária Kalajová, da sie sich zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Kind außerhalb der Siedlung aufhielt.5 Nečas, Pronásledovaní Cikánů v období slovenského státu, 44; Nečas, Českoslovenští Romové v letech 1938–1945, 162. Die Lebensdaten von Mária Kalajová und ihrem Kind sind nicht dokumentiert. Insgesamt wurden ausweislich des Haftbuches des Gefängnisses von Banská Bystrica in Kremnička 747 Opfer ermordet, darunter mehr als 150 Rom:nja.6 Šindelářová, Einsatzgruppe H, 126; Baranová, Pred bránami pekla, 57; Mičev et al., Fašistické represálie na Slovensku, 34.

Exhumierung und Prozesse

Die Exhumierung der Massengräber fand etwa einen Monat nach dem Ende der Morde im April 1945 statt. In mehreren Massengräbern wurden 536 Leichname gefunden, die teilweise identifiziert werden konnten, darunter auch einige Rom:nja.7 Archiv des Museums des Slowakischen Nationalaufstands, Fond IX, Karton Nr. 5, Nr. 104/65. Etliche Leichname verblieben demnach in den Massengräbern.

Der Kommandant des Einsatzkommandos 14, Kurt Herbert Deffner, wurde 1946 in Abwesenheit vor einem Volksgericht angeklagt. Das Verfahren wurde mit der Begründung eingestellt, dass er Bürger des Deutschen Reiches sei, der auf seine Auslieferung warte.8 Šindelářová, Einsatzgruppe H, 284. Von 1945 bis 1947 wurden zudem mehrere Prozesse gegen Mitglieder der 5. Feldkompanie der Hlinka-Garde geführt, in dem die Angeklagten Urteile von mehrjährigen Haftstrafen bis hin zum Freispruch erhielten. Viele von ihnen erhielten jedoch milde Strafen.

Im Jahr 1958 wurden die Verfahren erneut aufgerollt. Zwölf ehemalige Mitglieder der Kompanie wurden zum Tode oder zu langen Haftstrafen verurteilt. Ihr ehemaliger Kommandant Jozef Nemsila entging jedoch einer Strafe, da es ihm gelang, nach Kanada zu fliehen.9 Hruboň, 5. Poľná rota Hlinkovej gardy, 51–56. Die wichtigste Zeugenaussage in beiden Prozessen, die ausschlaggebend für die Verurteilungen war, stammte von dem jüdischen Überlebenden Alexander Breuer (1927–2012).10 Breuer, Vojak č. 151, 35–36.

Denkmal

An die Menschen, die in Kremnička ermordet wurden, erinnert heute ein Denkmal für die „Opfer des Faschismus“. Es wurde 1949 nach einem Entwurf des berühmten slowakischen Architekten Dušan Jurkovič (1868–1947) an dem vormaligen Tatort errichtet und 1963 zum nationalen Kulturdenkmal erklärt. Im Jahr 1995 kam ein Denkmal in Form einer Menora zur Erinnerung an die ermordeten Juden:Jüdinnen hinzu.11 Gedenkstätte der Opfer des Faschismus in Kremnička. Rom:nja werden als Opfergruppe bis heute nicht explizit erwähnt.

Einzelnachweise

  • 1
    Archiv des Museums des Slowakischen Nationalaufstands, Fond IX, Karton Nr. 6, Nr. S2/78. Deffner gilt seit dem 3.4.1945 als vermisst im Raum Nitra, vgl. https://www.volksbund.de/erinnern-gedenken/graebersuche-online/detail/6ab4521c09016fb79c3ec369f96bc7cb [Zugriff: 12.11.2024].
  • 2
    Archiv des Museums des Slowakischen Nationalaufstands, Fond IX, Karton Nr. 5, Nr. 104/65.
  • 3
    Hurboň, 5. Poľná rota Hlinkovej gardy, 41–43.
  • 4
    Baranová, Pred bránami pekla, 37–40.
  • 5
    Nečas, Pronásledovaní Cikánů v období slovenského státu, 44; Nečas, Českoslovenští Romové v letech 1938–1945, 162. Die Lebensdaten von Mária Kalajová und ihrem Kind sind nicht dokumentiert.
  • 6
    Šindelářová, Einsatzgruppe H, 126; Baranová, Pred bránami pekla, 57; Mičev et al., Fašistické represálie na Slovensku, 34.
  • 7
    Archiv des Museums des Slowakischen Nationalaufstands, Fond IX, Karton Nr. 5, Nr. 104/65.
  • 8
    Šindelářová, Einsatzgruppe H, 284.
  • 9
    Hruboň, 5. Poľná rota Hlinkovej gardy, 51–56.
  • 10
    Breuer, Vojak č. 151, 35–36.
  • 11
    Gedenkstätte der Opfer des Faschismus in Kremnička.

Zitierweise

Matej Beránek: Kremnička, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 27. April 2025.

1944
5. November 1944In Kremnička, Slowakischer Staat, finden nach der Niederschlagung des Slowakischen Nationalaufstandes bis zum 17. März 1945 Massaker statt. Unter den Opfern sind mindestens 150 Rom:nja.