Robert Georg Lehmann

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Robert Georg Lehmann
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 8. Februar 2024

Robert Georg Lehmann wurde am 24. März 1942 in Niederkorn, einem Stadtteil der Industriestadt Differdingen, im Süden Luxemburgs geboren. Die Geburt in Luxemburg war ein Versuch seiner Eltern Christine Lehmann (1920–1944) und Karl Hessel (1907–unbekannt), ihr Kind vor Verfolgung zu schützen. Christine Lehmann war in ihrer Heimatstadt Duisburg, Deutschland, rassistisch als Zigeunerin erfasst worden. Da der Vater als arisch galt, hatten die Eltern, die bereits den gemeinsamen Sohn Egon Karl (1939–unbekannt) hatten, aufgrund der Nürnberger Gesetze nicht heiraten dürfen. Als die Eltern und die sechs Geschwister von Christine Lehmann 1940 in das Generalgouvernement deportiert wurden, blieb sie zunächst verschont, durfte jedoch aufgrund des Festsetzungserlasses ihren Wohnort nicht mehr verlassen.

Geburt in Luxemburg

1941 wurde das Paar von der Kriminalpolizei in Duisburg vorgeladen und unter Androhung von Konzentrationslagerhaft dazu aufgefordert, sich zu trennen. Nachdem bei einer Hausdurchsuchung die erneute Schwangerschaft von Christine Lehmann bemerkt worden war, beschlossen beide, zur Geburt des Kindes nach Luxemburg zu reisen. Christine Lehmann begab sich zu der in Niederkorn lebenden Schwester von Karl Hessel, Amélie (Amalia), und ihrem Ehemann Jean-Pierre Blom. Robert Georg Lehmann kam in der Bommertstraße 18 zur Welt. Im Melderegister der Gemeinde Differdingen wurde die Identität des Vaters nicht preisgegeben. Am 5. April 1942 fand die Taufe von Robert Georg Lehmann in der Peter und Paul Kirche in Niederkorn statt.

Christine Lehmann mit ihren Kindern Egon Karl (links) und Robert Georg, 1942. Aufgrund der „Nürnberger Gesetze“ war es Christine Lehmann verboten worden, den Vater der Kinder zu heiraten. Christine Lehmann wurde im Juli 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet. Vergeblich hatten sie und der Kindsvater versucht, die Kinder zu retten. Robert Georg Lehmann wurde von der Kriminalpolizei Duisburg, Deutschland, im Februar 1944 aus Luxemburg abgeholt und wenig später zusammen mit seinem Bruder ebenfalls nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Auch sie überlebten nicht.

Die Fotografie ist das letzte Zeugnis von Mutter und Söhnen. Sie wurde im September 1942 an eine Verwandte geschickt und trägt die Aufschrift „Passe gut auf die 2 tschawe [Romanes: Kinder] auf.“

Fotograf:in: unbekannt (Studioaufnahme)

Sammlung Mario Reinhardt

Christine Lehmann kehrte einige Zeit später wieder nach Duisburg zurück und lebte gemeinsam mit Karl Hessel und dem Sohn Egon Karl bei den Eltern ihres Lebensgefährten. Im Januar 1943 sollte sie in Vorbeugungshaft genommen werden, da sie Duisburg verlassen hatte und weiterhin ein „eheähnliches Verhältnis“ zu Karl Hessel pflegte. Ihr gelang es jedoch, unterzutauchen. Erst Wochen später wurde sie festgenommen und im Duisburger Polizeigefängnis interniert. Karl Hessel wurde zum Wehrdienst eingezogen. Robert Georg Lehmann wurde am 19. Mai 1943 nach Duisburg zu seiner Großmutter väterlicherseits gebracht. Im Juli 1943 wurde Christine Lehmann in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert.

Vergebliche Rettungsversuche

Karl Hessel brachte einen Monat später, während eines Fronturlaubes, seinen Sohn Robert Georg wieder zu Amélie und Jean-Pierre Blom nach Luxemburg und meldete ihn in Differdingen an. Die Familien Blom und Hessel wehrten die Versuche der Essener Kriminalpolizeistelle, den Jungen auszuliefern, zunächst erfolgreich ab. Doch im Februar 1944 entsandte die Duisburger Kriminalpolizei eine Büroangestellte nach Luxemburg, um den Jungen mit der Unterstützung der deutschen Ordnungspolizei in Luxemburg ins Reich zu verbringen. Am 7. März 1944 wurden die beiden Kinder Robert Georg und Egon Karl Lehmann in einem Einzeltransport in Begleitung eines Duisburger Kriminalbeamten nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Ihre Mutter Christine Lehmann starb am 28. März 1944 im dortigen Häftlingskrankenhaus, angeblich an einem „Darmkatarrh bei Körperschwäche“. Nach der Mitteilung über ihren Tod versuchte Karl Hessels Mutter vergeblich, die Freilassung ihrer beiden Enkelkinder zu erreichen. Robert Georg Lehmann starb am 27. Juni 1944 in Auschwitz. Die Todesumstände seines Bruders Egon Karl konnten bislang nicht geklärt werden. Karl Hessel wurde am 14. Juli 1944 in Beremowce, heute Berymitvtsy, als vermisst gemeldet. Da es kein Lebenszeichen von ihm nach 1945 gibt, ist davon auszugehen, dass er als Soldat an der Front starb.

Im Jahr 2014 wurde die Geschichte von Christine und Robert Georg Lehmann in Luxemburg erstmals aufgearbeitet. Im gleichen Jahr wurde im Gedenken an Robert Georg Lehmann ein Stolperstein an seinem Geburtsort, der Bommertstraße 18 in Niederkorn, verlegt.

Zitierweise

Jérôme Courtoy / Daniel Thilman: Robert Georg Lehmann, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 8. Februar 2024. -

1944
7. März 1944Der zweijährige Robert Georg Lehmann wird gemeinsam mit seinem fünfjährigen Bruder Egon Karl Lehmann in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, nachdem er zwangsweise von der deutschen Kriminalpolizei aus Luxemburg in das Deutsche Reich überführt wurde. Beide Kinder überleben das Lager nicht.