Fioravante Lucchesi wurde am 23. Februar 1927 in Bastia Umbra (Perugia), Italien, geboren und ging als junger Mann, nachdem er mit seiner Familie in Modena interniert gewesen war, in die Resistenza (Widerstand).
In der Zeit kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges pflegten mehrere Sinti-Familien in Modena, einer Stadt in der heutigen Region Emilia-Romagna, Halt zu machen, um dort die Wintermonate zu verbringen. Sie lebten in ihren Wohnwagen und nahmen im Frühling ihre Tätigkeit als Gaukler:innen und Zirkuskünstler:innen in Mittel- und Norditalien wieder auf.
Internierung
Mit dem Runderlass vom 11. September 1940 wurde die Internierung in Kommunen derjenigen Sinti:ze und Rom:nja mit „feststehender oder vermutlicher italienischer Staatsbürgerschaft“ verordnet, die sich noch „im Umlauf“ [„in circolazione“] befanden.
Der Präfekt von Modena ordnete die Verhaftung der Sinti:ze an, die in der Stadt Halt gemacht hatten, und ließ sie ab dem 18. November 1940 in Prignano sulla Secchia, im modenesischen Apennin, internieren. Von der Internierung waren etwa 80 Personen betroffen, 60 Prozent davon waren minderjährig. Fioravante Lucchesi wurde zusammen mit den Großeltern mütterlicherseits, Salvatore Torre (1889–unbekannt) und Eva Marsiglia Truzzi (1893–unbekannt), sowie vielen Onkeln und Tanten, Cousins und Cousinen verhaftet.
Die Lebensbedingungen der Internierten waren sehr schwierig, einige von ihnen lebten weiter in ihren Wohnwagen auf dem damaligen Sportplatz, andere wurden in einem großen Raum in einem von der Stadtverwaltung gemieteten Haus untergebracht. Sie bekamen kein Holz, mit dem sie hätten heizen können, und die Verpflegung war vollkommen unzureichend.
Beteiligung an der Resistenza
Im Frühling 1943 konnten alle in Prignano internierten Sinti:ze den Ort verlassen, ohne dass sich die Behörden widersetzten, da keine Mittel mehr zur Verfügung standen, um die Internierung aufrechtzuerhalten. Viele versteckten sich in Landhäusern, wo sie zusammen mit den Bauernfamilien lebten und arbeiteten. Nach fast drei Jahren Internierung reifte in Fioravante Lucchesi der Entschluss, sich an der Resistenza zu beteiligen und sich den Partisanen anzuschließen. Am 15. Juni 1944, im Alter von erst 17 Jahren, trat er der Brigade Corsini der Division Modena Armando bei, und blieb dort bis zum 16. November 1944. Er nahm an den Gefechten im emilianischen Apennin teil, in Rocchetta am 11. August 1944, in Ranocchio am 7. September 1944, und an mehreren Sabotageaktionen in Montespecchio. Nachdem er an Typhus erkrankt war, wurde er von Mönchen in einem Kloster im Apennin gepflegt und beschloss dann, zu seiner Familie zurückzukehren. Diese war inzwischen in die Marken gezogen, wo sie weiterhin Karussells betrieb.
Nach der Befreiung
Nach dem Krieg ließ sich Fioravante Lucchesi in Reggio Emilia nieder und heiratete 1948 Lucia Santa Pozzi (1934–2016). Das Paar hatte acht Kinder, welche die Familientradition fortsetzten und weiterhin als Schausteller:innen tätig waren. Fioravante Lucchesi trat nach 1945 dem Nationalen Verein der Partisanen Italiens (Associazione Nazionale Partigiani d’Italia, ANPI) und der Italienischen Kommunistischen Partei (Partito Comunista Italiano) bei.
Die Zeit des Krieges hinterließ auch in der Familie Spuren. Zwei seiner Söhne geben an, dass ihr Vater öfters in der Nacht aufwachte und sie zwang, den Wohnwagen zu verlassen, während er schrie, dass alles brenne und er höre, wie die Schüsse immer näherkämen: Es waren Erinnerungen an die Zeit, in der er als Partisan gekämpft hatte. Auch habe er seinen Kindern immer wieder gesagt: „Kriege anfangen ist leicht, schwer ist es aber, sie zu beenden.“1Persönliche Mitteilung von Massimo Lucchesi anlässlich eines Interviews mit Paola Trevisan. Fioravante Lucchesi starb am 18. April 1996 in Reggio Emilia.
Im April 2020 stellte der Verein Thèm Romanó einen Antrag bei der Stadtverwaltung Reggio Emilia, eine Straße nach ihm zu benennen. Der Antrag wurde 2022 genehmigt, bisher aber nicht umgesetzt.