Vladimiro Torre, geboren am 20. August 1946 in Carpi (Modena), Italien, war ein wichtiger Initiator für die Aufarbeitung der Internierung italienischer Sinti:ze unter dem faschistischen Regime.
Kindheit und Familie
Sein Vater Oscar Torre (1915–1976) bereiste die Jahrmärkte in Norditalien mit einer Schießbude, seine Mutter Marsilia De Bar (1921–1974) gehörte einer Familie von Zirkuskünstler:innen französischen Ursprungs an. Als Oscar Torre während des Zweiten Weltkrieges einberufen wurde, floh er, um nicht an der Front eingesetzt zu werden, und versteckte sich zusammen mit seiner Frau in verschiedenen Landhäusern. Die meisten ihrer Verwandten waren in Prignano sulla Secchia, im modenesischen Apennin, interniert worden.
Von früher Kindheit an arbeitete Vladimiro Torre mit seiner Familie als Schausteller und bereiste Nord- und Mittelitalien, je nach Jahrmarktskalender. 1962 heiratete er Catia Truzzi (1948–2020); aus der Verbindung gingen fünf Kinder hervor. Vladimiro Torre engagierte sich in den Berufsverbänden des Schaustellergewerbes und war der Initiator mehrerer Kampagnen, die darauf abzielten, die Lebensumstände von Rom:nja und Sinti:ze zu verbessern. Rom:nja und Sinti:ze waren ab den 1980er-Jahren gezwungen, mit ihren Wohnwagen in „Nomadenlagern“ zu leben, von denen sie sich faktisch nicht entfernen konnten.
1998 gründete Vladimiro Torre in Reggio Emilia eine regionale Ortsgruppe von Thèm Romanó. Zu den Hauptzwecken des Vereins gehören der Schutz der Bürgerrechte, die Förderung der Kultur und die Berufsausbildung von Rom:nja und Sinti:ze.
Aufarbeitung
Ab 2001 begann Vladimiro Torre, unter den Sinti:ze in Reggio Emilia Zeugenaussagen über die unter dem faschistischen Regime erlittene Verfolgung zu sammeln. Er wirkte an einem Projekt für die Recherche von Dokumenten mit, das zu den ersten Veröffentlichungen über die Internierung in Kommunen der italienischen Rom:nja und Sinti:ze während des Zweiten Weltkrieges führte. 2010 war Vladimiro Torre der Hauptinitiator der ersten Tagung über die Internierung der italienischen Sinti:ze sowie der Anbringung einer Gedenktafel in der Kommune Prignano sulla Secchia, die von 1940 bis 1943 als Internierungsort diente.
Sozialpolitisches Engagement
Ab 2014 hat der Verein Thèm Romanó in Reggio Emilia gemeinsam mit der Region Emilia-Romagna an der Abfassung des Regionalgesetzes 11/2015, „Bestimmungen für die soziale Inklusion von Roma und Sinti“, gearbeitet und dabei die beteiligten Institutionen dahingehend sensibilisiert, dass die Vorstellungen der Sinti:ze zu Themen von grundsätzlicher Bedeutung berücksichtigt wurden. Eine der wichtigsten Forderungen des Vereins war die Auflösung der sogenannten „Nomadenlager“ und die Errichtung von kleineren Familiensiedlungen, um bessere Lebensbedingungen zu gewährleisten. Seine letzten Lebensjahre widmete Vladimiro Torre der Aufgabe, die Umsetzung des im Jahr 2015 verabschiedeten Regionalgesetzes zu verfolgen, da es von vielen Kommunalverwaltungen nicht beachtet und von der Region Emilia-Romagna nicht ausreichend finanziert wurde. Vladimiro Torre starb am 25. Oktober 2021 in Budrio di Correggio (Reggio Emilia).