Das Lager Gurs befand sich in der ländlichen Gemeinde Gurs im Département Basses-Pyrénées, 40 Kilometer westlich von Pau, Frankreich. Es wurde im April 1939 von der französischen Regierung eingerichtet, zunächst für spanische Flüchtlinge und Kämpfer:innen des Spanischen Bürgerkriegs. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 waren dort etwas mehr als 27 000 Menschen interniert, von denen 40 Prozent nach und nach entlassen oder repatriiert wurden. Zwischen September 1939 und Juli 1940 wurden zudem fast 15 000 Ausländer:innen (Spanier:innen, Deutsche oder Österreicher:innen) interniert, die von den französischen Behörden als „unerwünschte Personen“ betrachtet wurden.
Unter dem Vichy-Regime, das im September 1940 die Macht übernahm, wurden in Gurs zwischen Oktober 1940 und November 1943 weitere mehr als 18 000 Personen interniert. Ein großer Teil der Internierten waren Juden:Jüdinnen deutscher, österreichischer und polnischer Herkunft, von denen schließlich fast 4 000 nach Osten deportiert wurden, hauptsächlich in das Konzentrations– und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
Wenig bekannt ist, dass das Lager Gurs auch für die Verfolgung von Rom:nja, Sinti:ze (Manouches) und Kale (Gitans) von Bedeutung war: Schätzungsweise 200 bis 300 von ihnen waren von Sommer 1940 bis Sommer 1944 dort interniert oder inhaftiert.
Das Lager
Das Lager umfasste eine rechteckige Fläche von zwei Kilometern Länge und 400 Metern Breite und war in 13 „kleine Inseln“ (îlots) unterteilt, die mit den Buchstaben A bis M bezeichnet waren. Das gesamte Lager war durch eine asphaltierte Straße in zwei Teile geteilt. Jedes îlot war durch Stacheldraht und ein bewachtes Tor von dem anderen getrennt, und um das gesamte Lager herum verlief eine zweite, mit Stacheldraht versehene Umzäunung. Für Frauen und Kleinkinder wurden separate îlots eingerichtet.
Im Oktober 1940 bestand das Lager aus 428 Baracken, von denen 382 für Internierte bestimmt waren, und hatte eine Aufnahmekapazität von 19 000 Personen. Die Baracken, gebaut nach dem Vorbild französischer Militärbaracken des Typs „Adrian“, waren nur rudimentär ausgestattet und setzten die Internierten Kälte, Feuchtigkeit, Dunkelheit und Enge aus. Unter dem kollaborierenden Vichy-Regime wurde das Lager von mehreren hohen Polizeibeamten verwaltet, die dem Präfekten der Basses-Pyrénées unterstellt waren. Die jeweiligen Lagerleiter waren für die Verwaltung sowie etwa fünfzig Polizeibeamte und mehrere Dutzend Wächter zuständig.
Romani Flüchtlinge
Im Sommer 1940 diente das Lager Gurs der Unterbringung von Flüchtlingen, die der nationalsozialistischen Verfolgung entronnen waren. Ab Mai 1940 waren mehrere hundert Rom:nja, vor allem aus der Region Paris, in den Süden Frankreichs geflohen, in der Hoffnung, die Grenze nach Spanien überqueren zu können. Etwa einhundert Rom:nja, denen die Einreise nach Spanien gelang, wurden jedoch nach Frankreich zurückgeschickt, als deutsche Truppen am 27. Juni 1940 die Grenzstadt Hendaye erreichten.
Die Betroffenen, hauptsächlich Familien mit Kindern, wurden zunächst in einem Flüchtlingszentrum in Orthez untergebracht und dann in das Lager Gurs verlegt, das östlich der am 25. Juni festgelegten Demarkationslinie zwischen dem von Deutschland besetzten und dem unbesetzten französischen Staatsgebiet (Vichy-Frankreich) lag.
Matéo Maximoff (1917–1999), der sich unter den nach Gurs Verlegten befand, erinnerte später insbesondere die Zeit zwischen Ende Juni und Anfang August 1940, in der die Familien auf unterschiedliche îlots des Lagers aufgeteilt worden waren: diejenigen für Männer und diejenigen für Frauen und Kleinkinder. Die Trennung der Familien rief unter den Betroffenen großen Widerstand hervor. Zusätzlich hatte die Lagerverwaltung beschlossen, die romani Flüchtlinge von den übrigen Internierten zu trennen und in separaten Baracken unterzubringen.
Während ihrer Einsperrung in Gurs wurden die romani Familien von den anderen Internierten ausgegrenzt und litten unter chronischer Unterernährung. Einige Männer wurden zu Zwangsarbeiten herangezogen und mussten Holz hacken; manchen wurde gestattet, zu Fuß nach Orthez zu gehen, um in einer Apotheke Medikamente zu besorgen. Auch wirkten einige der Männer in einem Orchester mit, das für die Feierlichkeiten der Offiziere am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, gegründet wurde.
Der französische Schriftsteller und Filmkritiker Léon Moussinac (1890–1964), der wegen „kommunistischer Propaganda“ interniert worden war, erwähnt in seinen Erinnerungen die Anwesenheit von romani Internierten in Gurs. Die deutsch-französische Künstlerin und Malerin Lou Albert-Lasard (1895–1969), die im Sommer 1940 in Gurs interniert war, fertigte eine Reihe von Zeichnungen von romani Frauen und Kindern an, die im selben îlot wie die deutschen und österreichischen Frauen interniert waren.
Nach sechswöchiger Internierung wurden die etwa einhundert romani Männer, Frauen und Kinder am 9. August 1940 nach Tarbes verlegt und von Frühjahr 1941 bis Kriegsende größtenteils im Zwangslager Lannemezan interniert.
Internierung von „Nomades“
Ab Sommer 1940 wurde das Lager Gurs auch zu einem Ort der Internierung von Personen, die in Frankreich als „Nomades“ bezeichnet wurden und einem staatlichen Dekret über zwangsweisen Aufenthalt (Hausarrest) vom 6. April 1940 und einem Internierungsbefehl vom 4. Oktober 1940 unterlagen. Zwischen Juli 1940 und der administrativen Auflösung des Lagers am 1. November 1943 betraf dies mehrere Dutzend Personen. Es handelte sich um Schausteller:innen [Forains], ambulante Händler:innen [Marchands ambulants] oder „Nomades“, die von der Gendarmerie verhaftet worden oder zuvor in Gefängnissen inhaftiert gewesen waren. Sie wurden vorübergehend in Gurs interniert und dann in andere Lager oder in Nachbarstädte verlegt, wo sie unter Hausarrest gestellt wurden.
Mehrere Dutzend Sinti:ze (Manouches), die ab Herbst 1939 aus dem Elsass nach Südfrankreich evakuiert worden waren, wurden in dieser Zeit ebenfalls in Gurs interniert. Ihre Familienangehörigen waren in den Lagern Rivesaltes, Argelès, Le Barcarès oder Noé interniert, und sie selbst waren zum Teil aus diesen Lagern geflohen, jedoch erneut verhaftet und dann vorübergehend in Gurs interniert worden. Im April 1941 zählte die Lagerverwaltung außerdem etwa zehn internierte „Nomades“.
Zwischen dem Sommer 1941 und dem Winter 1942/43 wurden erneut mehrere Dutzend „Nomades“ im Lager Gurs interniert. Ihre ebenfalls zeitlich begrenzte Internierung basierte auf einer Weisung vom Oktober 1941, derzufolge die Internierten je nach ihrer – aus Sicht der Behörden – Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie (Juden:Jüdinnen, Widerstandskämpfer:innen und „Nomades“) sowohl in der besetzten als auch in der unbesetzten Zone umzuverteilen waren. Die internierten „Nomades“ gelangten auf ihrem Weg in Lager oder aus Lagern wie Noé, Fort-Barraux, Brens und Nexon durch Gurs. Nach der Einrichtung des Lagers Saliers im März 1942 wurde das Lager Gurs auch zu einem Ausgangspunkt für Überstellungen nach Saliers und diente als Straflager für Gruppen oder Einzelpersonen, die aus Saliers geflohen waren, oder für Gruppen, die von den Behörden als widerständig gegen das Hausarrestregime eingestuft wurden.
Frühjahr 1944
Mit dem Herannahen der alliierten Truppen und dem Befehl zur Evakuierung der südfranzösischen Küstengebiete ab dem Frühjahr 1944 wurde das Lager Gurs abermals zu einer Haftstätte für sogenannte Nomades. Einige Gruppen, die aus Sicht der Verwaltung des Lagers Saliers am hartnäckigsten Widerstand gegen die Internierung leisteten, wurden nach Gurs verlegt.
Zahlreiche Gemeinden im Südwesten Frankreichs nutzten die Situation ebenfalls, um die Inhaftierung von romani Gruppen zu beantragen, die in ihrem Zuständigkeitsbereich bereits dem zwangsweisen Aufenthalt unterlagen. In îlot J wurde ein separater „Bereich für Nomades“ eingerichtet.
Bis Ende Juni 1944 waren 55 Personen als „Nomades“ im Lager Gurs eingesperrt. Gegen Ende des Krieges gelang einigen Gruppen die Flucht, manchmal mit Hilfe des Maquis. Die letzten „Nomades“ wurden im Oktober 1944 entlassen, einige von ihnen jedoch anschließend unter Hausarrest gestellt.
Ausblick
Die Bedeutung des Lagers Gurs für die Verfolgung der als „Nomades“ bezeichneten Personen in Frankreich und Europa ist bisher unterschätzt worden. Gurs war ein wichtiges Durchgangslager, das als vorübergehender Internierungsort für Hunderte von Rom:nja, Sinti:ze (Manouches) und Kale (Gitans) diente, von wo aus die Vichy-Behörden ihre Verlegung in Zwangslager, insbesondere nach oder von Saliers, kontrollierten.
Das Lager Gurs diente zudem auch als Ort der Repression, um „Nomades“ zu bestrafen, die geflohen waren oder sich der Internierung in Lagern oder dem zwangsweisen Aufenthalt widersetzt hatten. Die Gesamtzahl der in Gurs internierten oder inhaftierten „Nomades“ kann derzeit auf bis zu 300 Personen geschätzt werden.
Nachwirkungen
Am 30. August 1944 übernahm die Résistance-Bewegung die Kontrolle über das Lager. Eine minimale Verwaltung blieb bis Januar 1945 bestehen. Im Jahr 1946 wurden die Lagerstrukturen aufgelöst und alle Baracken vollständig abgebaut. Ab 1957 wurde der Friedhof saniert und 1963 wiedereröffnet. Zum Gedenken an die Opfer wurden mehrere Stelen aufgestellt.
Seit 1979 wurden regelmäßig Gedenkfeiern abgehalten, aber die Präsenz von Rom:nja und Sinti:ze im Lager Gurs wurde erst in jüngster Zeit anerkannt. Am 23. Oktober 2011 wurden entlang einer Gedenkallee siebenundzwanzig Stelen zur Erinnerung an alle Gemeinschaften der Internierten aufgestellt. Eine Stele ehrt seitdem auch „126 Gitans (Gitanos) Franzosen, Rumänen und Bulgaren“. Der Ursprung dieser Zahl und der Grund für die Nennung der Nationalitäten sind nicht bekannt.