Johann Wilhelm Trollmann

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Johann Wilhelm Trollmann
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 5. März 2024

Johann Wilhelm Trollman, auf Romanes „Rukeli“ genannt, wurde am 27. Dezember 1907 in Wilsche, Kreis Gifhorn in Niedersachsen, Deutschland, geboren. Seine Kindheit verbrachte der Sinto mit seinen Eltern Wilhelm „Schnipplo“ Trollmann (1867–1933) und Friederike „Pessy“ Trollmann, geborene Weiss (1874–1946), sowie seinen acht Geschwistern in Hannover.

Karriere als Boxer

Dort begann in den 1920er-Jahren sein erfolgsversprechender sportlicher Werdegang. Noch während seiner Amateurboxerkarriere erkämpfte er sich 1928 den Titel des Norddeutschen Meisters, doch trotz dieser Leistung wurde ihm eine Teilnahme an der olympischen Auswahl im selben Jahr verwehrt. Inzwischen zum Profiboxsport in Berlin gewechselt, trat Trollmann auf dem Höhepunkt seiner Karriere am 9. Juni 1933 zum Kampf um den deutschen Meistertitel im Halbschwergewicht an. Zwar besiegte er seinen Gegner Adolf Witt (1913–1964), jedoch entzog ihm der Verband Deutscher Berufsboxer, der sich längst der nationalsozialistischen Rassenideologie angepasst hatte, einige Tage später unter fadenscheinigen Begründungen den Titel. Kurz darauf erlitt er in einem inszenierten Kampf gegen Gustav Eder (1907–1992) in der Berliner Bockbrauerei eine herbe Niederlage. 1934 bekam Trollmann endgültig keine Angebote mehr, ihm wurde die Lizenz entzogen, seine Profiboxerkarriere war damit beendet.

Verfolgung und Ermordung

In den Folgejahren waren Trollmann und seine Familie zunehmender Ausgrenzung, Mittellosigkeit und Verfolgung ausgesetzt. Während einer Inhaftierung im Arbeits- und Bewahrungshaus Rummelsburg wurde der Boxer, vermutlich am 23. Dezember 1935, zwangssterilisiert. In den 1930er-Jahren verpflichteten die Nationalsozialisten ihn und seinen Bruder in Hannover zur Zwangsarbeit. Seine Frau Olga Frieda Bilda (1915–unbekannt), die er 1935 geheiratet hatte und von der er sich 1938 scheiden ließ, und die gemeinsame Tochter Rita (geb. 1935) lebten in Berlin. Ende 1939 wurde Trollmann zum Kriegsdienst in die Wehrmacht eingezogen. Er kämpfte in Polen, Belgien und Frankreich; das letzte bekannte Datum eines Einsatzes als Soldat, vermutlich an der „Ostfront“, ist der Mai 1941. Nachdem er nach Hannover zurückgekehrt war, verhafteten ihn 1942 Kriminalbeamte der Dienststelle für Zigeunerfragen in der Hardenbergstraße, misshandelten ihn schwer und deportierten ihn im September 1942 in das Konzentrationslager Neuengamme. Im Totenbuch des Lagers wurde am 9. Februar 1943 verzeichnet, dass Johann Trollmann infolge einer Lungenentzündung verstorben sei. Vereinzelte, in der Rückschau immer wieder angeführte Hinweise darauf, dass er 1944 nach Wittenberge, einem Außenlager des KZ Neuengamme bei der Phrix-Werke AG, deportiert und dort ermordet worden sei, lassen sich nicht eindeutig belegen. Auch die genauen Todesumstände sind ungeklärt.

Nachwirkungen

Johann Wilhelm Trollmanns Lebensgeschichte ist vielfach rezipiert worden und entfaltet bis heute international ein hohes Maß an Identifikationskraft. Seit den 1970er-Jahren veröffentlichte der Hannoveraner Hans Firzlaff (1921–2012) Rechercheergebnisse zu dem Boxer; 1997 präsentierte er eine bis heute verwendete umfangreiche Materialsammlung. Nachdem sich auch Manuel Trollmann, der Großneffe, auf vielfältige Weise für das Erinnern engagierte, nahm der Bund Deutscher Berufsboxer Trollmann 2003 wieder in die Titelliste der Deutschen Meister auf und überreichte der Familie als symbolische Anerkennung einen inoffiziellen Meistergürtel.

Endgültig in den Blick einer breiten internationalen Öffentlichkeit geriet die Lebensgeschichte des Boxers jedoch erst rund fünf Jahre später. Seither popularisieren Romane in unterschiedlichen Sprachen, Graphic Novels, Theateraufführungen sowie filmische Verarbeitungen Trollmanns Geschichte. Ein „temporäres Denkmal“ in Form eines Boxrings war 2010 in Berlin-Kreuzberg, danach in Hannover und Dresden zu sehen. Eine Straße in Hannover, eine Sporthalle in Berlin, ein Verein tragen inzwischen Trollmanns Namen; eine Gedenktafel und Stolpersteine in Hannover, Hamburg und Berlin erinnern an ihn. Der Meisterschaftsgürtel ist heute im Deutschen Sport- und Olympiamuseum in Köln zu sehen. „Rukeli“ ist zudem zum Nutzernamen in diversen sozialen Medien oder auch zum Namensgeber von Veranstaltungen für internationale Nachwuchsboxer sowie zum „Pop-Star“ auf T-Shirts geworden. Der Boxer fungiert in der Rezeption als Symbol für einen sozialen Aufstieg sowie als Figur des Widerstands. Angesichts der lückenhaften Quellenlage zu seiner Verfolgungsgeschichte fließen fiktionale Versatzstücke aus literarischen, theatralen oder filmischen Verarbeitungen wiederholt in erinnerungskulturelle Darstellungen ein.

Zitierweise

Yvonne Robel: Johann Wilhelm Trollmann, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 5. März 2024.-

1935
23. Dezember 1935In dem ‚Arbeits- und Bewahrungshaus Rummelsburg‘, Deutschland, wird der Boxer Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann zwangsweise sterilisiert.
1942
4. September 1942Am 4. oder 5. September wird der Sinto Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann, 1933 Deutscher Boxmeister im Halbschwergewicht, in das Konzentrationslager Neuengamme, Deutschland, verschleppt, wo er laut Totenbuch am 9. Februar 1943 stirbt.
2003
17. Dezember 2003Der Bund Deutscher Berufsboxer, Deutschland, nimmt den Boxer Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann in die Titelliste der Meister auf und hebt damit die 1933 erfolgte Aberkennung des Titels auf.
2010
9. Juni 2010In Berlin, Deutschland, wird ein temporäres Denkmal in Form eines Boxringes für Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann eröffnet, das danach in weiteren Städten gezeigt wird.