Das von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) initiierte und seit 2008 an der Freien Universität Berlin aufgebaute Online-Archiv „Zwangsarbeit 1939–1945“ umfasst insgesamt 590 Interviews mit Zwangsarbeiter:innen und anderen Verfolgten, darunter 48 lebensgeschichtliche Interviews mit Sinti:ze und Rom:nja. Die Interviews wurden in den Jahren 2005 und 2006 in einem vom Institut für Geschichte und Biographie der FernUniversität in Hagen koordinierten Projekt in 25 Ländern geführt. Sie sind transkribiert, teilweise ins Deutsche übersetzt, mit Inhaltsverzeichnissen, Lager-, Firmen- und Ortsregistern sowie editorischen Anmerkungen erschlossen und nach einer Registrierung online zugänglich.1Siehe www.zwangsarbeit-archiv.de.
Interviewt wurden 29 Roma, 18 Romnja und ein Sinto, die zwischen 1912 und 1939 geboren wurden. Zwölf der 48 Interviews wurden auf Rumänisch geführt, je sechs auf Mazedonisch und Romanes, je fünf auf Polnisch und Russisch; weitere Sprachen sind Tschechisch, Slowakisch, Lettisch und Bosnisch, teilweise auch gemischt vorliegend. Auf Deutsch berichtet nur der Überlebende der Konzentrationslager Mauthausen und Auschwitz-Monowitz, Reinhard Florian (1923–2014). Die Interviews dauern zwischen 45 Minuten und sechs Stunden. Derzeit werden 37 der 48 Interviews bereitgestellt.
Die Interviewten berichten über ihre Verfolgungserfahrungen während des Zweiten Weltkrieges in den Ländern Belarus, Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Lettland, Mazedonien, Polen, Tschechien, Rumänien und der Slowakei. Außer den bekannten Lagern wie Auschwitz und Jasenovac beschreiben die Interviewten auch regionale Sammellager, Einsatzbetriebe und Verfolgungsorte, etwa in der Slowakei oder in Rumänien. Die lebensgeschichtlich angelegten Interviews thematisieren nicht nur die nationalsozialistische Verfolgung, sondern auch anhaltende Diskriminierungserfahrungen und die teilweise bedrückende Armut der Interviewten, die auch in einigen der mit den Interviews archivierten Fotografien sichtbar wird. Acht bosnische Rom:nja lebten zur Zeit des Interviews als permanent von Abschiebung bedrohte Kriegsflüchtlinge in Deutschland.
Anhand der Projektberichte, die in der Publikation „Hitlers Sklaven“ veröffentlicht sind, werden die methodischen Schwierigkeiten einiger Interviewteams erkennbar. Kontaktanbahnung und Interviewdialog wurden erschwert durch die Vereinzelung und das Misstrauen der nach 60 Jahren nur wenigen Überlebenden sowie den zeitlich und finanziell sehr begrenzten Projektrahmen, teilweise auch durch einen Mangel an Vorkenntnissen bei den Interviewteams.
Einige der Interviews sind noch nicht transkribiert und unzureichend erschlossen. Die Interviews mit Reinhard Florian und Anna Kýrová (1927–2008) wurden dagegen auch didaktisch so aufbereitet, dass sie in Online-Lernumgebungen für den Schulunterricht nutzbar sind.