Im Mai 1935 wurde in der im Rheinland gelegenen Stadt Köln das erste kommunale Lager im Deutschen Reich in Betrieb genommen, das ausschließlich für Sinti:ze und Rom:nja vorgesehen war. Wegen seiner Nähe zu dem Sportplatz des Vereins „Schwarz-Weiß“ wurde das Zwangslager auch „Schwarz-Weiß-Platz“ genannt. Anfragen aus verschiedenen Städten belegen den Vorbildcharakter des Kölner Lagers für andere Kommunen.
Das Lagergelände
Polizeiliche Pläne für eine stadträumliche Isolierung von Sinti:ze und Rom:nja hatte es in der viertgrößten Stadt des Reiches bereits 1929 gegeben. Diese Pläne nahmen 1934 Gestalt an, als mehrere Ämter koordiniert gegen die „wilden Siedlungen“ vorgingen, die im Zuge der Weltwirtschaftskrise entstanden waren. Während die meisten in notdürftigen oder illegal gebauten Behausungen Lebenden in Wohnungen oder Häuser umquartiert wurden, sollten alle „Zigeuner“ auf einem Gelände an der Venloer Straße 888 konzentriert werden.
Dabei handelte es sich um ein Brachgelände, das sich im äußersten Westen Kölns im Stadtteil Bickendorf befand. Um Kosten zu sparen, ließ die Stadt es nur notdürftig herrichten. Das Gelände selbst wurde mit einem zwei Meter hohen Maschen- und Stacheldrahtzaun versehen. Auf dem unbefestigten Platz befanden sich eine Abortanlage, eine Wasserstelle und eine Müllgrube. Im November 1935 begann der Bau von zwei Baracken für diejenigen, die aus Wohnungen in das Lager eingewiesen wurden. Im Jahr 1938 kam eine weitere Baracke hinzu. Am einzigen Zugang zu dem Gelände stand eine Wachbaracke.
Inbetriebnahme, Verwaltung und Überwachung
Die Verwaltung des Lagers oblag dem Wohlfahrtsamt. In enger Zusammenarbeit mit der Polizei ließ das Amt seit Mai 1935, begleitet von rassistischen Kampagnen in der NS-Presse, mehrere Hundert Personen auf den Schwarz-Weiß-Platz befördern. Im August 1936 mussten bereits fünfzig Familien mit über 300 Personen in dem Lager leben, im März 1937 waren es 400 bis 500 Personen in 50 bis 60 Wohnwagen. Somit mussten mehr als die Hälfte aller Mitte der 1930er Jahre im Kölner Stadtgebiet lebenden Sinti:ze und Rom:nja in diesem Zwangslager leben.
Ein bewaffneter SS-Mann, der in der Wachbaracke lebte, war für die Überwachung der Bewohner:innen zuständig. Er nahm die polizeilichen An- und Abmeldungen vor, zog die monatliche Miete ein und kontrollierte den Lagerzugang. „Nichtzigeuner“ durften das Lager nicht betreten. Beamte eines nahegelegenen Polizeireviers waren zusätzlich für das Lager verantwortlich und führten regelmäßig Razzien durch.
Erfassung und Deportationen
Überlebende berichten, dass sich die Zustände im Lager 1937/38 deutlich verschärften. Jedwede Berufstätigkeit wurde verboten oder kriminalisiert, sodass viele auf Wohlfahrtsunterstützung angewiesen waren. Diese wurde nur in geringer Höhe und in Naturalien gewährt und von der Ableistung von Pflicht- oder Zwangsarbeit abhängig gemacht. Der ohnehin niedrige Lebensstandard sank weiter, die sanitären Verhältnisse und der Zustand der Unterkünfte waren katastrophal. Insbesondere Männer, denen die Erwerbsmöglichkeiten genommen worden waren, galten als „arbeitsscheu“ und konnten jederzeit in ein Konzentrationslager deportiert werden. Sowohl 1937 als auch 1938 kam es zu derartigen Verschleppungen.
Hinzu kam die Erfassungstätigkeit der Rassenhygienischen Forschungsstelle (RHF). Ende 1937 nahmen Robert Ritter (1901–1951) und Eva Justin (1909–1966), im März 1938 Gerhard Stein (1910–1979) Verhöre und Erfassungen vor. Wer konnte, verließ das Lager und versuchte, inner- oder außerhalb Kölns eine Wohnung und Arbeit zu finden oder unterzutauchen, um dem Zugriff der Behörden zu entgehen.
Mit Kriegsbeginn war diese Möglichkeit durch die Festsetzung im Lager verbaut. Als Karl Moravek (1911–1943) von der RHF im Februar und März 1940 nochmals Erfassungen in Köln und im Lager vornahm, standen diese bereits im Zusammenhang mit der bevorstehenden Mai-Deportation. In den frühen Morgenstunden des 16. Mai 1940 umstellten Polizeieinheiten das Lager und fuhren die Familien auf Lastwagen zum Sammellager auf dem Messegelände in Köln-Deutz, von wo aus sie am 21. Mai 1940 in das Generalgouvernement deportiert wurden. Das Lager wurde danach aufgelöst, die noch vorhandenen Wohnwagen sollen samt Inventar verbrannt worden sein.
Nach 1945
Nach 1945 kehrten wenige Überlebende nach Köln zurück. Viele mussten sich mangels Wohnraums auf dem Schwarz-Weiß-Platz niederlassen. Im Jahr 1952 wies die Stadt alle Sinti:ze und Rom:nja, die sich an anderen Stellen im Stadtgebiet mit Wohnwagen aufhielten, unter Androhung von Zwangsmitteln an, ebenfalls auf diesen Platz zu ziehen. Auch andere Kölner Bürger:innen hatten sich auf dem Platz ein vorläufiges Zuhause geschaffen, so dass 1958 etwa 230 Familien relativ selbstbestimmt dort lebten. Polizei und Stadtverwaltung vertraten jedoch den Standpunkt, das ‚Zigeunerlager‘ schade dem „Ansehen der Großstadt“, und räumten das Gelände im gleichen Jahr. Während den meisten Familien Wohnungen angeboten wurden, drängte man die 51 Familien der Sinti:ze und Rom:nja erneut ab. Auf einem Brachgelände im äußersten Norden Kölns mussten die Menschen in ausrangierten Bahnwaggons leben, was insbesondere für Überlebende eine Zumutung war. Dieser unwürdige Zustand dauerte bis 1975 an, als dank der Initiative der Bewohner:innen die Stadt Köln eine Siedlung fertiggestellt hatte, in die einige Familien umziehen konnten.
Gedenkinitiativen
Erst Ende der 1980er-Jahre begann eine Aufarbeitung. Als die Stadt Köln 1988 ein umzäuntes und bewachtes Lager für etwa 400 Rom:nja plante, die aus dem im Zerfall befindlichen Jugoslawien geflohen waren, recherchierten zwei Student:innen die Geschichte des NS-Zwangslagers und erarbeiteten eine erste Ausstellung, die anlässlich des 50. Jahrestages der Mai-Deportation eröffnet wurde. Im Umfeld der Eröffnung lenkte, auf Anregung des Kölner Vereins Rom e.V., der Künstler Gunter Demnig (geb. 1947) am 6. Mai 1990 mit einer viel beachteten Kunstaktion den Blick der Öffentlichkeit auf diesen Teil der Stadtgeschichte. Mit der Schriftspur „Mai 1940 – 1000 Roma und Sinti“ markierte er den Weg vom ehemaligen Zwangslager zum ehemaligen Deportationsgleis. Dies war der Beginn einer längeren Beschäftigung mit der Verfolgungsgeschichte der Sinti:ze und Rom:nja, die ihn zu der Entwicklung des inzwischen international verbreiteten Projektes der Stolpersteine inspirierte.
Am 10. März 2001 brachte die Stadt Köln in der Nähe des ehemaligen Lagers eine Gedenktafel an. Sie trägt folgende Inschrift: „Mai 1940 – 1000 Roma und Sinti / In unmittelbarer Nähe dieser Unterführung, neben dem ehemaligen Sportplatz des Vereins Schwarz-Weiß Köln, wurde 1935 von der Stadt das bewachte ‚Zigeunerlager‘ eingerichtet, in das die in Köln lebenden Sinti und Roma eingewiesen wurden. Hier wurden sie von der übrigen Bevölkerung abgesondert, nach rassistischen Kriterien erfasst und zu Zwangsarbeit gepresst. Von hier aus wurden sie im Mai 1940 über den Bahnhof Deutz-Tief in Ghettos und Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt. / Nur wenige kamen zurück.“