Elisabeth „Mädie“ Franz wurde am 29. Februar 1928 in Waimes, in der Nähe von Malmedy in den belgischen Ardennen, geboren. Mädie Franz war die jüngste Tochter einer insgesamt zehnköpfigen Familie, zu der auch Mutter Ernstine (1880–1944), Vater Johann „Spitzbahrt“ (1889–1944), Shanni (1910–1944), Josef Mendel „Mannele“ (1911–1976), Paula „Poenta“ (1917–1944), Hans „Leutze“ (1920–1944), Cecilia „Soela“ (1922–1992), Peter „Peppie“ (1923–1944) und Willie „Eifa“ (1925–unbekannt) gehörten. Um 1924 zog die Familie Franz aus Preußen in die Dreiländerregion um Südlimburg. Die Familie Franz verdiente ihren Lebensunterhalt mit dem Handel von Pferden und dem Musizieren auf Festen, Messen und Hochzeiten. Vater Johann trat auch mit seinem Marionettentheater auf. Und Mädie Franz, ihre Mutter und ihre Schwestern verkauften Textilwaren von Tür zu Tür. In den späten 1930er-Jahren ließ sich die Familie in De Heide in Beek nieder.
Verhaftung
Im Jahr 1943 war das Reisen in Wohnwagen in den Niederlanden verboten. Um polizeilichen Schikanen und der Gefahr, in ein Lager gebracht zu werden, zu entgehen, ließ sich die Familie in einem verlassenen Haus in Bocholtz (Limburg) nieder. Nur der älteste Sohn Josef Franz, der bereits verheiratet war und zwei Söhne hatte, zog zu seinen Schwiegereltern in deren Haus in Beek. Auf Anordnung des Bürgermeisters von Bocholtz musste die Familie das Haus jedoch nach kurzer Zeit wieder verlassen. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Lager in Maastricht lebten Mädie Franz und ihre Familie auf einem Privatgrundstück in der Ortsmitte in Beek. Mithilfe von Bekannten war es ihrem Vater gelungen, dafür eine Genehmigung zu erhalten.
Am 16. Mai 1944 fand die landesweite Razzia gegen Sinti:ze und Rom:nja in den gesamten Niederlanden statt. Der Bürgermeister von Beek beauftragte zwei örtliche Polizeibeamte, die zehn in seiner Gemeinde lebenden Sinti:ze zu verhaften. Um vier Uhr morgens sperrten die Beamten die Wiese in der Stegen, wo die Familie lebte, mit einer Rolle Stacheldraht ab. Sie weckten die neun verstörten Mitglieder der Familie Franz und zwangen sie, auf die Polizeistation zu gehen, wo sie registriert wurden.
Unter der Aufsicht der beiden Polizeibeamten wurde die Familie Franz dann mit einem regulären Linienbus zum Bahnhof Sittard gebracht. Von Sittard nach Zwolle saßen sie mit ihren Bewachern in einem geschlossenen Eisenbahnwaggon, der an einen normalen Personenzug gekoppelt war. In Zwolle kamen noch einige andere Sinti:ze und Rom:nja zu ihnen in den Waggon, der dann abgekoppelt und an einen Sonderzug nach Westerbork angehängt wurde.
Eine halbe Stunde nach der Verhaftung der Familie klopfte es an der Tür des Hauses, in dem Josef „Mannele“ Franz wohnte. Seiner Frau gelang es, die Beamten an der Tür für einige Augenblicke in ein Gespräch zu verwickeln und so ihrer ebenfalls anwesenden Schwester die Möglichkeit zu geben, ihren Mann zu warnen, der im Bett auf dem Dachboden lag. Er entkam im Nachthemd durch das Dachbodenfenster. Mit einem geliehenen Fahrrad und in geliehenen Kleidern fuhr er nach Roggel, wo ihm die Familie seiner Frau half, ein Versteck zu finden, eine Hütte in den Sümpfen. Zusammen mit Frits Linke (1909–2001), der aus der Wehrmacht desertiert war, tauchte er dort für den Rest des Krieges unter.
Deportation
Nach einem dreitägigen Aufenthalt in Westerbork wurden Mädie Franz, ihre Eltern, Brüder und Schwestern in das Konzentrations– und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie nach ihrer Ankunft in den Lagerabschnitt BIIe verlegt wurden. Mädie Franz und ihre Schwester Cecilia Franz mussten in Birkenau Zwangsarbeit beim Straßenbau leisten.
Ende Juli 1944 gehörte die Familie Franz zu den Häftlingen, die als „arbeitsfähig“ ausgewählt und in die Konzentrationslager Ravensbrück (Frauen) oder Buchenwald (Männer) überstellt wurden. Johann Franz wurde im September 1944 in Buchenwald ermordet, Ernestine Franz im August 1944 in Ravensbrück. Paula Franz starb im September 1944 in Ravensbrück und Hans Franz im November 1944 in Sangerhausen als Häftling von Mittelbau-Dora. Peter Franz starb im November 1944 nach einer Flucht aus Mittelbau-Dora, und Shanni Franz starb im März 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Nach einigen Monaten wurden Mädie und Cecilia Franz nach Wolkenburg bei Leipzig verlegt, einem Außenlager von Flossenbürg, wo sie für das Volkswagenwerk arbeiten mussten. Die Verpflegung war dürftig, es gab eine wässrige „Suppe“ und ein Stück Brot am Tag, aber die Arbeit fand in geschlossenen Räumen statt und war nicht so schwer wie die in Auschwitz-Birkenau.
Als die Rote Armee 1945 näher an Leipzig heranrückte, wurden die etwa 100 in Wolkenburg beschäftigten Frauen, alles Sintize und Romnja, zunächst zu Fuß und später in zwei Güterwaggons in das im Süden Deutschlands gelegene Konzentrationslager Dachau gebracht. Mädie und Cecilia Franz gelang es, während eines Luftangriffs auf den Zug zu entkommen. Einige Tage später wurden sie von der amerikanischen Armee befreit. Mithilfe des Roten Kreuzes gelang es den Schwestern, nach Hause zurückzukehren.
Nach 1945
Von der Familie Franz überlebten nur Mädie, Josef, Willie und Cecilia Franz. Bei ihrer Rückkehr in die Niederlande fanden sie einen geplünderten Wohnwagenplatz vor. Ihr gesamtes Hab und Gut war verschwunden. Mädie Franz erhielt keine Unterstützung von der Regierung. Sie war an Tuberkulose erkrankt und verbrachte nach der Befreiung fast ein Jahr in einem Sanatorium in Vaals. Danach zog sie zu ihrem Bruder Josef Franz und später zu Cecilia Franz. Sie ging zur Arbeit nach Valkenburg und lernte dort 1953 ihren zukünftigen Ehemann kennen. Aus der Ehe gingen drei Töchter hervor. Mädie Franz schwieg über ihre Vergangenheit und Herkunft, um ihre Kinder vor Beleidigungen und Beschimpfungen durch Freund:innen und Bekannte zu schützen. Wenn man sie nach ihrer Herkunft fragte, sagte sie, sie stamme aus Polen oder der Tschechischen Republik.
In den 1990er-Jahren wurde die Geschichte von Mädie Franz und ihrer Familie bekannt. 1993 wurde in Beek am ehemaligen Wohnort der Familie ein Denkmal enthüllt, und 1994 veröffentlichte Herman van Rens (geb. 1946) ein Buch, das auch die Geschichte von Mädie Franz erwähnte. Mädie Franz begann daraufhin, ihre eigene Geschichte öffentlich zu erzählen. 2014 kehrte sie für eine Fernsehsendung zum ersten Mal in das Lager Westerbork zurück. Mädie Franz starb am 21. November 2014 in Maastricht. Ihre Biografie wurde 2020 veröffentlicht, verfasst von ihrer Tochter Anjes Wolfs-Driessen (geb. 1962).