Ravensbrück

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Ravensbrück
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 17. Oktober 2024

Am 15. Mai 1939 wurde das Konzentrationslager Ravensbrück bei Fürstenberg an der Havel im Deutschen Reich offiziell als zentrales Konzentrationslager für Frauen eröffnet. Mehrere Tausend Sintize und Romnja verschiedener Nationalitäten waren bis Kriegsende in diesem Lager und seinen Außenlagern inhaftiert. Ab 1941 waren insgesamt auch mehrere Hundert Männer und Jugendliche aus der Minderheit in einem von dem Frauenlager abgetrennten Lagerbereich eingesperrt.

Aufbau und Struktur des Lagers

Das knapp 90 Kilometer von der Hauptstadt Berlin entfernte Lager übernahm die Funktion des am 18. Mai 1939 aufgelösten und zu diesem Zeitpunkt einzigen Frauenkonzentrationslager Lichtenburg. Der Lagerkomplex bestand aus dem Frauenlager, einem angegliederten Männerlager, dem Jugendkonzentrationslager Uckermark für Mädchen und junge Frauen1Hepp, Vorhof; Limbächer, Merten, Pfefferle, Mädchenkonzentrationslager, 100. und dem sogenannten Siemenslager, wo sich eine Produktionsstätte der Firma Siemens befand. Vor der SS-Kommandantur wurde eine Reihe Häuser für SS-Aufseherinnen und höhere Ränge von SS-Führern errichtet.

Im Dezember 1940 waren bereits 4 200 Häftlingsfrauen in Ravensbrück registriert, die in 16 Baracken untergebracht waren. Das Frauenkonzentrationslager wurde bis 1945 ständig erweitert. Als Häftlingsunterkünfte ließ die SS mehr und mehr Baracken aufstellen, im Herbst 1944 zudem ein Zelt.

Ab Juni 1940 wurde innerhalb der Lagermauer ein Industriehof mit Produktionsstätten des SS-Betriebes „Gesellschaft für Textil- und Lederverwertung mbH (Texled)“ für traditionelle Frauenarbeiten wie Schneidern, Weben und Flechten eingerichtet. Die Firma Siemens & Halske baute in unmittelbarer Nähe des Lagers 20 Werkhallen, in denen Häftlinge ab Spätsommer 1942 zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Im ganzen Reichsgebiet verteilt entstanden über 40 Außenlager, in denen Ravensbrücker Häftlinge Zwangsarbeit leisteten.

Sintize und Romnja im Lager

Vom 15. bis zum 18. Mai 1939 wurden 974 Frauen aus dem Konzentrationslager Lichtenburg nach Ravensbrück überstellt,2Beßmann und Eschebach, Frauen-Konzentrationslager, 28. darunter nach bisherigen Erkenntnissen der Gedenkstätte Ravensbrück mindestens acht Sintize und Romnja.

Am 29. Juni 1939 erreichte der erste große Transport mit 440 Sintize und Romnja, darunter auch Jugendliche ab dem Alter von 14 Jahren, aus Niederösterreich und dem Burgenland das Lager. Der Transportliste ist zu entnehmen, dass es sich zumeist um Romnja handelte, aber einige Familiennamen wie Weiß, Steinbach oder Laubinger legen nahe, dass sich auch Sintize unter ihnen befanden.3Vgl. Archiwum Głównej Komisji Badania Zbrodni Hitlerowskich w Polsce, Warschau (AGK), KL Ravensbrück 54, Zugangsliste v. 29.6.1939, Bl. 39–54, Sammlungen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück/Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (MGR/StBG), RA-Nr. V/3-3, Nr. 6 (Kopie). Siehe dazu Danckwortt, Sinti und Roma; Halbmayr und Schmid, Zigeunerinnen. Außer diesem Transport gab es weitere Einzelüberstellungen aus dem als ‚Ostmark‘ annektierten Österreich. So wurde zum Beispiel Rosa Winter (1923–2005) aus einem Gefängnis in Salzburg nach Ravensbrück deportiert, weil sie sich geweigert hatte, weiterhin als Komparsin für Leni Riefenstahl (1902–2003) zur Verfügung zu stehen.4Vgl. Laher, Uns hat es nicht geben sollen, 34 f.

Aus dem gesamten Reichsgebiet und nach Beginn des Zweiten Weltkrieges auch aus den deutsch besetzten Gebieten wurden Sintize und Romnja eingewiesen, wobei zu berücksichtigen ist, dass nicht alle deportierten ‚Zigeunerinnen‘ als solche registriert wurden. Bis zum Frühjahr 1941 befanden sich mindestens 550 Mädchen und Frauen aus der Minderheit im Lager. Individuelle Einweisungen in das Lager erfolgten aus verschiedenen Verfolgungsgründen, wie etwa wegen eines Verstoßes gegen den „Festsetzungserlass“, wegen des Vorwurfs der „Wahrsagerei“, wegen ‚Rassenschande‘ oder unter dem Vorwand der ‚Asozialität. Die Betroffenen mussten daher auf ihrer Häftlingskleidung den schwarzen Winkel tragen. Zudem wurden Frauen, die nicht der Minderheit angehörten, eingeliefert, die mit Sinti in eheähnlichen Verhältnissen lebten.

Dem „Kalendarium der Ereignisse im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück 1939–1945“5Das 1999 erschienene „Kalendarium“ war der erste Versuch, trotz der lückenhaften Überlieferung eine Übersicht über die ein- und ausgehenden Transporte sowie die Ereignisse im Frauenlager zu erstellen. Vorbild war das von Danuta Czech erstellte Kalendarium zu Auschwitz-Birkenau, das zehn Jahre zuvor erschienen war. Vor dem Hintergrund der damals begrenzten Möglichkeiten, die Auswertung der Quellen in verschiedenen Archiven (etwa den Arolsen Archives) zu vertiefen, und inzwischen vorliegenden Forschungsarbeiten sowie der Beschränkung auf die Ereignisse im Frauenlager ist das Kalendarium weder als vollständig noch als fehlerfrei anzusehen. Gleichwohl ist es für viele Forschungsfragen ein hilfreicher Ausgangspunkt. S.a. Strebel, „Rezension“. zufolge sind von 1939 bis 1942 unter fast jedem zweiten Transport ins Lager eine oder mehrere Gefangene als ‚Zigeunerin‘ verzeichnet. Diese Dichte der Vermerke endet allerdings mit den Deportationen, die auf Befehl des SS-Reichsführers Heinrich Himmler (1900–1945) Ende Februar 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau einsetzten. Nunmehr war Auschwitz das Lager, in das Sintize und Romnja bevorzugt eingewiesen wurden. Allerdings verblieben die bereits im Lager befindlichen Sinti:ze und Rom:nja – Männer wie Frauen – bis Anfang 1945 in Ravensbrück und seinen Außenlagern. Eine Ausnahme bilden zwei belegbare Transporte: In dem Transport vom 23. März 1942 nach Auschwitz und in dem Transport vom 30. Januar 1944 nach Lublin-Majdanek sollen sich Sintize und Romnja befunden haben.6Tillion, Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, 364 f., 398; Philipp, Kalendarium, 89, 143.

Aus Auschwitz nach Ravensbrück

1944 gelangten mit drei Transporten von April bis Anfang August mindestens 1 107 Sintize und Romnja sowie 213 Sinti und Roma von Auschwitz-Birkenau nach Ravensbrück. Dabei handelte es sich um Frauen, Männer und teils auch Kinder und Jugendliche, die vor der Auflösung des dortigen Lagerbereichs BIIe als „arbeitsfähig“ selektiert worden waren. Laut dem Kalendarium der Gedenkstätte Auschwitz wurden am 15. April 1944 473 Frauen und Mädchen, am 24. Mai 1944 weitere 161 Frauen und Mädchen und am 2. August 1944 nochmals 535 Frauen und Mädchen zusammen mit insgesamt 490 Männern und Jungen aus Auschwitz-Birkenau nach Ravensbrück deportiert.7Zahlenangaben nach Auskunft von Teresa Wontor-Cichy, Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, 28.05.2024. Die Daten in Czech, Kalendarium, 756, 783, 838, sind teilweise veraltet. Das Kalendarium Ravensbrück gibt für die ersten beiden Transporte, für die im Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück Zugangslisten überliefert sind, für den 19. April 1944 534 Personen und für den 27. Mai 1944 161 Personen an. Vgl. Philipp, Kalendarium, 151, 155, 286, 292. Über den dritten Transport, der Auschwitz mit dem Ziel Ravensbrück und Buchenwald verließ, findet sich im Kalendarium Ravensbrück kein Eintrag; der Grund ist unbekannt. Für diesen Transport fehlt auch die Zugangsliste im Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Berichte Überlebender deuten darauf hin, dass kurz vor Ende der Zusammenstellung der Transporte in Auschwitz-Birkenau noch Häftlinge mitgenommen wurden, was die abweichenden Zahlen in den Kalendarien erklären könnte. Vgl. Tuckermann, Die Lebensgeschichte, 148. Als diese Transporte im Lager ankamen, war es vollends überfüllt. Wie die Überlebende Ceija Stojka (1933–2013) berichtete, herrschte Knappheit an Nahrungsmitteln und Bettstellen, Häftlingskleidung wurde nicht mehr ausgegeben, sondern nur dünne, mit einem Kreuz gekennzeichnete Zivilkleidung.8Stojka, Wir leben im Verborgenen, 40; Danckwortt, „Der Boden unter unseren Füßen“. Viele der aus Auschwitz eingelieferten Frauen wurden zur Zwangsarbeit in Außenlager überstellt.

Ungarische Romnja und weitere Nationalitäten

Eine größere nationale Gruppe unter den Romnja waren die Ungarinnen.9In der Studie von Janos Barsony und Agnes Daróczi zur Verfolgung der Rom:nja in Ungarn erinnert sich eine der Interviewten an Ravensbrück. Sie erwähnt den Block 30. Vgl. Barsony und Daróczi, Pharrajimos, 141 f. In den Transporten mit ungarischen Jüdinnen nach Ravensbrück befanden sich ebenfalls Sintize und Romnja. So ist auf einer Zugangsliste in einem Transport aus Auschwitz vom 29. Oktober 1944 eine Anzahl von 210 ‚Zigeunerinnen‘ aufgeführt.10Vgl. AGK, KL Ravensbrück 73, Zugangsliste, Bl. 67–82 (29.10.1944); Strebel, Das KZ Ravensbrück, 135, Fn. 167; Philipp, Kalendarium, 175, 315. Anscheinend gelangten Transporte aus Ungarn auch direkt in das KZ Ravensbrück. Viele waren vor der Deportation im Lager Komárom interniert worden. Ein Transport aus Komárom ist im Kalendarium Ravensbrück mit dem Eingangsdatum 28. November 1944 dokumentiert: Als „Sondertransport Nr. 129 aus Gomarom/Ungarn“ werden ungarische Jüdinnen, ungarische ‚Zigeunerinnen‘ und Ungarinnen verzeichnet.11Philipp, Kalendarium, 324; Aas, Sinti und Roma, 116. Unter den Eingelieferten sind 290 ungarische Romnja (nicht namentlich gelistet) angegeben.12In einer Studie aus Ungarn werden mehrere ungarische Ortschaften erwähnt, aus denen Menschen – vermutlich jeweils über Komárom – nach Ravensbrück gelangten. Genannt werden folgende Orte bzw. Regionen oder Lager: Baksa, Bánfa, Budapest, Bük, Csót, Erzsébet, Fertörákos, Gesztreg, Gutorfölde, Horvátsidány, Kispest, Komárom, Lábatlan, Ondód, Pereszteg, Perkáta, Rákospalota, Sárvár, Soroksár, Szigetcsép, Torony, Újpest, Vép und Vép-Sándorháza. Vgl. Barsony und Daróczi, Pharrajimos, 185–224. Wie lange sie im Lager verblieben und was mit dieser Häftlingsgruppe geschah, ist weitgehend unerforscht. Bislang gibt es nur vereinzelte Hinweise über ihren Verblieb, etwa wird die Anwesenheit ungarischer Romnja im Außenlager Zwodau erwähnt.13Aas, Sinti und Roma, 136. In einem am 18. Januar 1945 eintreffenden Transport aus Käsmark (Slowakisch Kežmarok), Slowakischer Staat, befanden sich neben Jüdinnen auch 15 „Zigeunerinnen“, überwiegend ungarischer Nationalität.14Vgl. AGK, KL Ravensbrück 75, Zugangslisten, Bl. 60–84 (28.11.1944); Philipp, Kalendarium, 176, 190, 325; AGK, KL Ravensbrück 42, Zugangslisten, Bl. 29 (18.1.1945); Strebel, Das KZ Ravensbrück, 135 f., Fn. 167.

Auch in Transporten aus anderen Ländern haben sich Sintize und Romnja befunden.15So erwähnt eine ehemalige spanische Gefangene, dass eine Frau „la gitana“ (die Zigeunerin) genannt wurde. Vgl. Català, „In Ravensbrück,“ 98. Im Kalendarium sind polnische, tschechische, slowakische, italienische und jugoslawischeZigeunerinnen‘ verzeichnet.16Zum Beispiel Polinnen (Philipp, Kalendarium, 244, 248), Tschechinnen (ebd., 329), Slowakinnen (ebd., 329), Italienerinnen (ebd., 329) und Jugoslawinnen (ebd., 329). Die Überlebende Barbara Reimann (1920–2013) erwähnt griechischeZigeunerfamilien17Bruder und Kleffner, Barbara Reimann, 110, 123. Hierzu findet sich im Kalendarium Ravensbrück kein Eintrag. und die Überlebende Germaine Tillion (1907–2008) berichtet von französischen und belgischen Sintize und Romnja.18Tillion, Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, 212 f.

Kinder und Jugendliche

Sinti:ze und Rom:nja waren nicht die einzige Häftlingsgruppe in Ravensbrück, die Kinder und Jugendliche umfasste, aber in ihren Lebenserinnerungen verbinden ehemalige Gefangene die Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen im Lager besonders stark mit dieser Gruppe.19Buchmann, Die Frauen von Ravensbrück, 30; Amesberger und Halbmayr, Vom Leben und Überleben, 132, sowie in Amesberger, Auer und Halbmayr, Sexualisierte Gewalt, 169 f. Als mit den 1944 einsetzenden Transporten aus Auschwitz-Birkenau und den Transporten aus dem Gefängnis in Prešov (Ostslowakei) zahlreiche Jungen ins Lager kamen, wurde ein Teil der fünften Baracke im 1941 errichteten Männerlager, die an das Frauenlager angrenzte, als „Kinderblock“ abgetrennt.20Strebel, Das KZ Ravensbrück, 304. Die nur unvollständig erhaltenen Zugangslisten verzeichnen zwischen 1939 und 1945 162 Kinder von Sintize oder Romnja.21Pawelke, „Als Häftling geboren“, 100. Im Jugendkonzentrationslager Uckermark waren weitere jugendliche Sintize und Romnja inhaftiert.

Trotz der menschenunwürdigen Verhältnisse wurden in Ravensbrück einige Kinder geboren. In den erhalten gebliebenen Fragmenten eines Geburtenbuches für die Zeit vom 19. September 1944 bis zum 22. April 1945 sind unter den Müttern 29 Sintize und Romnja aus Deutschland und Österreich und 22 ungarische Romnja verzeichnet.22Vgl. Bruder und Kleffner, Barbara Reimann, 123; Strebel, Das KZ Ravensbrück, 266 f. Das „Geburtenbuch“ ist im Original in der Gedenkstätte Ravensbrück überliefert, in den Arolsen Archives ist unter 1.1.35, Konzentrationslager Ravensbrück, 251600: Geburtenbuch des KL Ravensbrück (19.09.1944-22.04.1945) eine Kopie einsehbar. Die Kinder hatten allerdings kaum eine Überlebenschance.

Lageralltag und Zwangsarbeit

Nach Berichten von Überlebenden anderer Häftlingsgruppen sind Sintize und Romnja offenbar zunächst in einem speziellen ‚Zigeunerblock‘ von den anderen Häftlingen isoliert worden. Die Angaben, um welchen Block es sich handelte, variieren: Berichtet wird über Block 4, 9, 10 und 22.23Block 4: Buber-Neumann, Als Gefangene, 231; Block 10: Bauer, Eine Gießener Lehrerin, 62; Block 9: Wagner, Geboren am See, 125; Philipp, Kalendarium, 53; Block 22: Wagner, Geboren am See, 327; Català, „In Ravensbrück,“ 29. In Dokumenten im Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück werden Block 4, 8, 19, 22 und 25 genannt.24MGR/StBG, Berichte 294, 55, 184, zit. nach Kenrick und Puxon, Sinti und Roma, 128. Vgl. auch Rose und Weiss, Sinti und Roma, 49. Die Sintiza Rosa Wiegand {1918-2001) erwähnt Block 4 als Unterkunft.25Vgl. Rose und Weiss, Sinti und Roma, 49. Andere ehemalige Gefangene erinnern sich an eine Unterbringung in einer gemeinsamen Baracke.26Lundholm, Das Höllentor, 31. Mit steigenden Häftlingszahlen waren die eintreffenden Frauen auf verschiedene Blocks verteilt worden.

1944 mussten einige der neu eingewiesenen Sintize und Romnja mit aus Ungarn und Auschwitz deportierten Jüdinnen sowie Polinnen, die nach dem Warschauer Aufstand deportiert worden waren, unter katastrophalen Bedingungen in einem Zelt auf dem neuen Lagergelände vegetieren. Andere waren in einem Bereich des Lagers untergebracht, der an das Männerlager grenzte.27Guth, Z 3105, 125.

Sinti:ze und Rom:nja zählten wie die Juden:Jüdinnen in den Konzentrationslagern zur niedrigsten Häftlingskategorie und wurden oftmals zu körperlich schweren und schmutzigen Arbeiten, wie das Säubern von Latrinen, abkommandiert.28Müller, Die Klempnerkolonne, 183. Ein Aufstieg als Funktionshäftling und dem damit verbundenen Zugang zu besserer Verpflegung, Unterkunft und zu einem leichteren Arbeitseinsatz bedeutete eine höhere Überlebenschance, was Sinti:ze und Rom:nja in der Regel verwehrt war. Für Ravensbrück ist allerdings überliefert, dass Sintize und Romnja die Position einer Vorarbeiterin bzw. „Anweiserin“ (der Begriff ‚Kapo‘ wurde in Ravensbrück nicht verwendet) in bestimmten Arbeitskommandos, wie etwa der Strohschuhflechterei, innehatten. Für das Außenlager Barth wird für Block 10 eine Blockälteste namens „Lissy“ – der Nachname ist nicht bekannt – erwähnt.29Radau, Nichts ist vergessen, 74.

Besonders häufig wurden Sintize und Romnja in der Rohrmattenweberei, der Strohschuhflechterei, der Schneiderei, der Kürschnerei des SS-Betriebes „Gesellschaft für Textil- und Lederverwertung mbH“ und der Wäscherei, aber auch in dem in der Nähe des Hauptlagers liegenden Betrieb von Siemens & Halske zur Zwangsarbeit eingesetzt.30Rose und Weiss, Sinti und Roma, 40-71; Internationaler Freundeskreis e.V. für die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Zwangsarbeit. Ab Frühjahr 1942 wurden die meisten in Ravensbrück inhaftierten Sintize und Romnja zur Arbeit in Rüstungsbetrieben in Außenlager und -kommandos überstellt. Viele waren vor der Überstellung nur wenige Tage im Hauptlager.31Es gab allerdings auch Rücküberstellungen ins Hauptlager; siehe z. B. AGK, KZ Ravensbrück 1945, I,10–I,20; Zimmermann, Rassenutopie, 496, Fn. 234. Für die Außenlager Barth, Schlieben, Altenburg, Graslitz, Wolkenburg und Zwodau ist überliefert, dass dort zahlreiche Sintize und Romnja eingesetzt waren.32Zu Zwodau und Wolkenburg vgl. Aas, Sinti und Roma; zum Außenlager Barth vgl. Radau, Nichts ist vergessen; siehe auch Rose und Weiss, Sinti und Roma, 46–71. Mit der Umstrukturierung des Außenlagersystems im Herbst 1944 wurden einige der Ravensbrücker Außenlager den Konzentrationslagern Buchenwald, Flossenbürg oder Sachsenhausen unterstellt.

Eine besonders entwürdigende Form der Zwangsarbeit war die Zwangsprostitution. Unter den im KZ Ravensbrück selektierten Frauen und Mädchen, die in den Lager-Bordellen anderer Lager zur Prostitution gezwungen wurden, sollen auch ‚Zigeunerinnen‘ gewesen sein.33Vgl. Sommer, Das KZ-Bordell, 224; siehe hierzu auch Amesberger, Auer und Halbmayr, Sexualisierte Gewalt.

In mehreren Berichten heißt es, dass SS-Aufseherinnen Mädchen und Frauen aus der Minderheit oft misshandelten und Hunde auf sie hetzten, die diese schwer verletzten.34Laher, Uns hat es nicht geben sollen, 37. Hinzu kamen das stundenlange Appellstehen, auch bei Minusgraden, Begießen der Häftlinge mit eiskaltem Wasser, Essensentzug, Arrest im Bunker, Einweisung in den gefürchteten Strafblock, Prügelstrafen und andere Misshandlungen. Im Männerlager des KZ Ravensbrück gab es zudem als Bestrafung das Pfahlhängen und die öffentliche Hinrichtung von Gefangenen am Galgen.35Vgl. Strebel, „Das Männerlager“, 156. Ständig litten die Häftlinge unter Hunger. Pakete von Angehörigen blieben aus, da Verwandte, Freundinnen und Freunde zumeist ebenfalls inhaftiert waren.36Berger, Holzinger, Podgornik und Trallori, Ich geb Dir einen Mantel, 83. Lily van Angeren-Franz (1924–2011) gibt an, dass den Sintize und Romnja im Außenlager Graslitz sogar die Pakete vorenthalten wurden, die das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zur Verfügung stellte.37Vgl. Schmid, „Polizeilich zwangsentführt“, 91. In einzelnen Fällen versuchten Frauen, darunter auch Sintize und Romnja, dem Terror durch Selbstmord38Buber-Neumann, Als Gefangene, 221. Auch die polnische Historikerin und Überlebende des KZ Ravensbrück Wanda Kiedrzynska (1901–1985) berichtet von einem Selbstmord Anfang März 1940. Vgl. Philipp, Kalendarium, 47. zu entkommen. Viel häufiger aber kam es zu Fluchtversuchen. Katharina Waitz (1901–1941), am 6. Januar 1939 eingeliefert, floh zweimal aus Ravensbrück, im Juni 1939 und im März 1941. Sie wurde von der SS ergriffen und am 5. März 1941 brutal ermordet.39Vgl. Philipp, Kalendarium, 39; Strebel, Das KZ Ravensbrück, 279 f.; Auskunft Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Philomena Franz (1922–2022) flüchtete mehrfach aus Außenkommandos und Außenlagern des KZ Ravensbrück.40Franz, Zwischen Liebe und Haß, 69.

Das Männerlager im Konzentrationslager Ravensbrück

Im April 1941 war im KZ Ravensbrück mit dem Aufbau eines Männerlagers begonnen worden, in dem bis 1945 über 20 000 Häftlinge inhaftiert waren. Ebenso wie die Frauen mussten die Männer Zwangsarbeit im Lager und in der Rüstungsindustrie leisten. Die erhaltenen Nummernbücher verzeichnen insgesamt 292 Männer und Jungen vorwiegend deutscher Nationalität mit dem Zusatz „Zigeuner“.41MGR/StBG, Sammlungen, RA-Nr. II/10; Philipp, Kalendarium, 78; Strebel, „Das Männerlager“; ders., Das KZ Ravensbrück, 297 f. Unter ihnen befanden sich Max Friedrich (1909–1991), Heinrich Leimberger (1925–unbekannt) und Josef Leimberger (1914–unbekannt), die schon zu Beginn des Männerlagers zu den Häftlingen zählten.42Vgl. Rose und Weiss, Sinti und Roma, 41. Die Gesamtzahl lag aber wahrscheinlich höher. So erwähnte der als Kommunist inhaftierte Karl Gerber (1906–1983) in seinen Erinnerungen eine Gruppe ‚Zigeuner‘, die aus Buchenwald nach Ravensbrück eingeliefert und im Juli 1941 nach Mauthausen überstellt wurde.43Gerber, KZ Lagerbuch, 309 f., zit. nach Strebel, „Das Männerlager“, 151. Unter den Häftlingen aus dem KZ Mittelbau-Dora und dem Außenlager Salzgitter-Watenstedt des KZ Neuengamme, die am 14. und 15. April 1945 auf „Evakuierungstransporten“ Ravensbrück erreichten, werden sich ebenfalls Sinti und Roma befunden haben.44Vgl. Strebel, „Das Männerlager“, 168 f.

Die Mehrheit, insgesamt 213 der im Männerlager untergebrachten Sinti und Roma, war jedoch mit dem letzten Transport aus Auschwitz-Birkenau nach Ravensbrück gekommen. Sie erhielten die Häftlingsnummern 9 509 bis 9 719 sowie 9 722 und 9 723. Zwei von ihnen gelang die Flucht. 211 Männer wurden am 3. März 1945 im Zuge einer teilweisen Räumung des Männerlagers in das KZ Sachsenhausen überstellt. Bei dieser Gruppe handelte es sich in erster Linie um ehemalige Wehrmachtsoldaten, die nach erfolgter Zwangssterilisation und Verlegung nach Sachsenhausen zu einem Fronteinsatz in der SS-Sondereinheit Dirlewanger gezwungen wurden.45Vgl. Strebel, Das KZ Ravensbrück, 297, Fn. 38; AGK, KL Ravensbrück 50, Einlieferung von Zigeunern, nicht datiert, Bl. 47–50; Zimmermann, Rassenutopie, 346 f. Siehe auch Winter, WinterZeit; Guth, Z 3105.

Medizinische Experimente und Mordaktionen

Die SS-Ärzte Walter Sonntag (1907–1948), Horst Schumann (1906–1983), Franz Bernhard Lucas (1911–1994) und Carl Clauberg (1898–1957) führten im Zeitraum von 1942 bis 1945 im KZ Ravensbrück Sterilisationsexperimente und Sterilisationen durch operative Eingriffe, Röntgenbestrahlung sowie Einspritzungen einer Flüssigkeit in die Gebärmutter durch, wobei auch Kinder unter zehn Jahren nicht verschont wurden.46Strebel, „Das Männerlager“, 161. Für diese Experimente wurden in erster Linie Sinti:ze und Rom:nja beiderlei Geschlechts missbraucht.

Von der Zwangsarbeit erschöpfte, durch Hunger und Krankheiten arbeitsunfähige Häftlinge wurden im Rahmen der Morde im Rahmen der ‚Aktion 14f13‘ seit April 1942 in den Gaskammern der „Heil- und Pflegeanstalten“ Bernburg, Hartheim oder Berlin-Buch47Tillion, Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, 358 f., 262 f.; Philipp, Kalendarium, 86 f., 178; Strebel, Das KZ Ravensbrück, 332 f., 336 f. Lagergerüchten zufolge hatte der erste Transport Berlin-Buch als Ziel. Neuere Forschungen gehen davon aus, dass dies nur eine Zwischenstation war; Strebel, Das KZ Ravensbrück, 336. ermordet oder zur Ermordung in die Gaskammern von Auschwitz-Birkenau und Lublin-Majdanek geschickt. Das Lager Uckermark wurde im Dezember 1944 teilweise aufgelöst und zu einem Selektions- und Vernichtungslager des Frauenkonzentrationslagers umfunktioniert. Anfang 1945 wurde eine Gaskammer in Betrieb genommen, in der noch vor Kriegsende etwa 5 000 bis 6 000 Häftlinge ermordet wurden. Die Asche der Mordopfer wurde in den angrenzenden Schwedtsee geschüttet. Andere Häftlinge wurden durch Erschießungskommandos ermordet.48Vgl. Strebel, Das KZ Ravensbrück, 288.

Kriegsende und Befreiung

Am 2. März 1945 ging ein Transport mit 1 981 Frauen von Ravensbrück in das Konzentrationslager Mauthausen. Unter ihnen sollen 800 Sintize und Romnja mit Säuglingen und Kleinkindern gewesen sein.49Philipp, Kalendarium, 198; Tillion, Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, 262, 402. Einige wurden von dort in das Konzentrationslager Bergen-Belsen überstellt.50Tuckermann, Die Lebensgeschichte, 175, 185–188. Weitere Transporte gingen direkt nach Bergen-Belsen, das zu diesem Zeitpunkt bereits ein Sterbelager war.

Kurz vor Ende des Krieges gelang es dem Internationalen Roten Kreuz sowie dem Schwedischen und Dänischen Roten Kreuz, etwa 7 500 Häftlinge nach Schweden, in die Schweiz und nach Frankreich zu überführen. Eine der Romnja, die dank dieser Rettungsaktion (Weiße Busse) nach Schweden gelangte und so überleben konnte, war Sofia Taikon (1931–2005). Die noch in Ravensbrück verbliebenen Gefangenen wurden auf einen der grausamen Todesmärsche getrieben. Häftlinge, die am Ende ihrer Kräfte waren, wurden von den Bewachern am Wegesrand erschossen. Am 30. April 1945 befreiten Einheiten der Roten Armee etwa 2 000 als marschunfähig zurückgebliebene Häftlinge in Ravensbrück. Auch die Außenlager wurden im April und Mai 1945 befreit.

Über 132 000 Frauen und Kinder, 20 000 Männer und 1 000 weibliche Jugendliche aus 40 Nationen sind in Ravensbrück und im Lager Uckermark registriert worden.51Offizielle Zahlenangaben auf der Website der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, www.ravensbrueck.de [Zugriff: 30.05.2023]; Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Gedenkbuch. Die genaue Anzahl der inhaftierten Sinti:ze und Rom:nja ist bisher nicht ermittelt. Anhand von Hochrechnungen vorgenommene Schätzungen reichen von 4 300 bis 6 650 Sinti:ze und Rom:nja, der Historiker Bernhard Strebel (geb. 1962) geht von einer Mindestanzahl von 2 800 aus.52Aus der Hochrechnung der Auswertungsergebnisse von Kiedrzynska (dies., Ravensbrück, 309–313) und Schlaefer und Schröder (dies., Jüdische Häftlinge) ergeben sich aus der Gesamtzahl von 123 000 Häftlingen 6 650 bzw. 4 300 Sinti und Roma (Angaben nach Strebel, Das KZ Ravensbrück, 134). Strebel hält diese Zahlen für zu hoch; vgl. ebd. Wie viele von ihnen in Ravensbrück und seinen Außenlagern sowie in Uckermark starben, ist ebenso wenig bekannt wie der weitere Lebensweg derjenigen, die von Ravensbrück aus in andere Lager überstellt wurden.

Prozesse gegen NS-Täter:innen

Die ersten Ravensbrück-Prozesse von 1946 bis 1948 umfassten eine Reihe von Gerichtsverfahren unter britischer Gerichtsbarkeit. Angeklagt waren SS-Leute, Angehörige des Lagerpersonals und Funktionshäftlinge. 1949 bis 1950 fanden Prozesse gegen Angehörige des Lagerpersonals vor dem französischen Militärgericht in Rastatt statt. Das Gericht verurteilte am 10. März 1950 den ehemaligen Lagerkommandanten Fritz Suhren (1908–1950) und den Arbeitseinsatzleiter Hans Pflaum (1902–1950) zum Tode. 1950 verurteilte das Landgericht Stuttgart Rudolf Beer (1911–1981), Schutzhaftlagerführer des Männerlagers, zu einer Zuchthausstrafe von 15 Jahren. In allen diesen Verfahren wurden die an Sinti:ze und Rom:nja verübten Verbrechen nicht oder kaum berücksichtigt. Erst 1955 spielten wiederholte Misshandlungen an Sintize und Romnja eine Rolle, als die SS-Aufseherin Erika Bergmann (1915–1996) vom Bezirksgericht Neubrandenburg zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.53Vgl. Buchmann, Die Frauen von Ravensbrück, 15; auch Baetz, Herzog und von Mengersen, Die Rezeption, 49 f. Weitere Prozesse fanden von 1948 bis 1966 vor Gerichten in der DDR statt. Eine systematische Auswertung der Ermittlungsverfahren und NS-Prozesse im Hinblick auf die Opfergruppe der Sinti:ze und Rom:nja ist für Ravensbrück noch nicht erfolgt.

Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Die sowjetische Armee übernahm das Lagergelände und nutzte es bis 1993 als Kaserne. Ravensbrück wurde 1959 als „Nationale Mahn- und Gedenkstätte“ eingeweiht. Als Zentrum der Gedenkstätte wurde der Mahnmalsplatz gestaltet, gelegen zwischen dem durch die historische Lagermauer abgeschirmten ehemaligen Häftlingslager, dem Krematorium und Zellenbau und dem Schwedtsee, der aufgrund der verstreuten Asche der Ermordeten zugleich auch Massengrabanlage ist. Das eigentliche Lager-Areal sowie die Lagerflächen im Umfeld mit den Siemens-Werkstätten, dem Jugendkonzentrationslager Uckermark und der SS-Siedlung waren aufgrund der militärischen Nutzung jahrzehntelang nicht einmal für Gedenkveranstaltungen oder für die Forschung zugänglich.

Die Gedenkstätte ist seit 1993 Teil der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Im Zuge der Umgestaltung Anfang der 1990er-Jahre wurde das „Museum des antifaschistischen Widerstandskampfes“ in der ehemaligen Kommandantur durch zwei neue Dauerausstellungen ersetzt. Seit April 2013 wird hier eine neue Hauptausstellung, präsentiert. Auf der das Plateau vor dem Schwedtsee fassenden Mauer sind die Herkunftsländer der Häftlinge verzeichnet; davor erinnern gesonderte Gedenktafeln aus den Jahren 1988 und 1994 an die jüdischen Opfer und die Opfer der Sinti:ze und Rom:nja. Im ungarischen Gedenkraum im ehemaligen Zellenbau der Mahn- und Gedenkstätte wird, anders als in den Gedenkräumen anderer Nationalitäten, explizit auf „die aus Ungarn in Massen hergeschleppten Jüdinnen und Zigeunerinnen“ hingewiesen.54Eschebach, Ravensbrück, 184.

Am 25. März 1995 wurde im Untergeschoss des Zellenbaus ein Gedenkraum für die im KZ Ravensbrück ermordeten Sinti:ze und Rom:nja eröffnet. Auf drei in Messing gearbeiteten und mit Holz umrahmten Wandtafeln ist jeweils auf Deutsch, Englisch und Romanes folgender Widmungstext aufgebracht: „In Ehrfurcht und Trauer gedenken wir Sinti und Roma unserer Mütter, Frauen und Kinder, die im Konzentrationslager Ravensbrück von der SS ermordet wurden. Wir gedenken auch all unserer Menschen, die im gesamten Einflussbereich des Nationalsozialismus Opfer des NS-Völkermords wurden.“ In dem Gedenkraum finden sich außerdem fünf Biografien von Sintize bzw. Romnja sowie eine Vitrine, in der ein kleiner Teddybär liegt. Ein namentlich nicht bekannter Junge hatte sich bei seiner Ankunft auf der Lagerstraße nach seinem Teddybären gebückt, woraufhin er brutal von einem SS-Mann erschlagen wurde. Eine Gefangene, die diese Szene mit Entsetzen beobachtet hatte, versteckte den Teddybären unter ihrer Schürze, bewahrte ihn über die Lagerhaft hinaus auf und schenkte ihn der Gedenkstätte für die Einrichtung des Gedenkraums für die Sinti:ze und Rom:nja. Der Teddybär gilt als Symbol des Mitleids und der Solidarität der Ravensbrückerinnen mit den verfolgten Kindern.

Schon die ehemalige Ausstellung „Ravensbrückerinnen“ der Gedenkstätte zeigte die Biografien von Ceija Stojka und Amalie Schaich (1929–2010) in Erinnerung an verfolgte Sintize und Romnja.55Vgl. Jacobeit, Ravensbrückerinnen. In der 2013 eröffneten Hauptausstellung in der vormaligen SS-Kommandantur wurden weitere Biografien und Dokumente zu dieser Opfergruppe ergänzt. Am 2. August 2023 wurde auf Initiative eines Angehörigen eine Gedenktafel für die Sinti:ze und Romn:ja aus Koblenz eingeweiht, die über Auschwitz-Birkenau nach Ravensbrück verschleppt worden waren.

Einzelnachweise

  • 1
    Hepp, Vorhof; Limbächer, Merten, Pfefferle, Mädchenkonzentrationslager, 100.
  • 2
    Beßmann und Eschebach, Frauen-Konzentrationslager, 28.
  • 3
    Vgl. Archiwum Głównej Komisji Badania Zbrodni Hitlerowskich w Polsce, Warschau (AGK), KL Ravensbrück 54, Zugangsliste v. 29.6.1939, Bl. 39–54, Sammlungen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück/Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (MGR/StBG), RA-Nr. V/3-3, Nr. 6 (Kopie). Siehe dazu Danckwortt, Sinti und Roma; Halbmayr und Schmid, Zigeunerinnen.
  • 4
    Vgl. Laher, Uns hat es nicht geben sollen, 34 f.
  • 5
    Das 1999 erschienene „Kalendarium“ war der erste Versuch, trotz der lückenhaften Überlieferung eine Übersicht über die ein- und ausgehenden Transporte sowie die Ereignisse im Frauenlager zu erstellen. Vorbild war das von Danuta Czech erstellte Kalendarium zu Auschwitz-Birkenau, das zehn Jahre zuvor erschienen war. Vor dem Hintergrund der damals begrenzten Möglichkeiten, die Auswertung der Quellen in verschiedenen Archiven (etwa den Arolsen Archives) zu vertiefen, und inzwischen vorliegenden Forschungsarbeiten sowie der Beschränkung auf die Ereignisse im Frauenlager ist das Kalendarium weder als vollständig noch als fehlerfrei anzusehen. Gleichwohl ist es für viele Forschungsfragen ein hilfreicher Ausgangspunkt. S.a. Strebel, „Rezension“.
  • 6
    Tillion, Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, 364 f., 398; Philipp, Kalendarium, 89, 143.
  • 7
    Zahlenangaben nach Auskunft von Teresa Wontor-Cichy, Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, 28.05.2024. Die Daten in Czech, Kalendarium, 756, 783, 838, sind teilweise veraltet. Das Kalendarium Ravensbrück gibt für die ersten beiden Transporte, für die im Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück Zugangslisten überliefert sind, für den 19. April 1944 534 Personen und für den 27. Mai 1944 161 Personen an. Vgl. Philipp, Kalendarium, 151, 155, 286, 292. Über den dritten Transport, der Auschwitz mit dem Ziel Ravensbrück und Buchenwald verließ, findet sich im Kalendarium Ravensbrück kein Eintrag; der Grund ist unbekannt. Für diesen Transport fehlt auch die Zugangsliste im Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Berichte Überlebender deuten darauf hin, dass kurz vor Ende der Zusammenstellung der Transporte in Auschwitz-Birkenau noch Häftlinge mitgenommen wurden, was die abweichenden Zahlen in den Kalendarien erklären könnte. Vgl. Tuckermann, Die Lebensgeschichte, 148
  • 8
    Stojka, Wir leben im Verborgenen, 40; Danckwortt, „Der Boden unter unseren Füßen“.
  • 9
    In der Studie von Janos Barsony und Agnes Daróczi zur Verfolgung der Rom:nja in Ungarn erinnert sich eine der Interviewten an Ravensbrück. Sie erwähnt den Block 30. Vgl. Barsony und Daróczi, Pharrajimos, 141 f.
  • 10
    Vgl. AGK, KL Ravensbrück 73, Zugangsliste, Bl. 67–82 (29.10.1944); Strebel, Das KZ Ravensbrück, 135, Fn. 167; Philipp, Kalendarium, 175, 315.
  • 11
    Philipp, Kalendarium, 324; Aas, Sinti und Roma, 116.
  • 12
    In einer Studie aus Ungarn werden mehrere ungarische Ortschaften erwähnt, aus denen Menschen – vermutlich jeweils über Komárom – nach Ravensbrück gelangten. Genannt werden folgende Orte bzw. Regionen oder Lager: Baksa, Bánfa, Budapest, Bük, Csót, Erzsébet, Fertörákos, Gesztreg, Gutorfölde, Horvátsidány, Kispest, Komárom, Lábatlan, Ondód, Pereszteg, Perkáta, Rákospalota, Sárvár, Soroksár, Szigetcsép, Torony, Újpest, Vép und Vép-Sándorháza. Vgl. Barsony und Daróczi, Pharrajimos, 185–224.
  • 13
    Aas, Sinti und Roma, 136.
  • 14
    Vgl. AGK, KL Ravensbrück 75, Zugangslisten, Bl. 60–84 (28.11.1944); Philipp, Kalendarium, 176, 190, 325; AGK, KL Ravensbrück 42, Zugangslisten, Bl. 29 (18.1.1945); Strebel, Das KZ Ravensbrück, 135 f., Fn. 167.
  • 15
    So erwähnt eine ehemalige spanische Gefangene, dass eine Frau „la gitana“ (die Zigeunerin) genannt wurde. Vgl. Català, „In Ravensbrück,“ 98.
  • 16
    Zum Beispiel Polinnen (Philipp, Kalendarium, 244, 248), Tschechinnen (ebd., 329), Slowakinnen (ebd., 329), Italienerinnen (ebd., 329) und Jugoslawinnen (ebd., 329).
  • 17
    Bruder und Kleffner, Barbara Reimann, 110, 123. Hierzu findet sich im Kalendarium Ravensbrück kein Eintrag.
  • 18
    Tillion, Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, 212 f.
  • 19
    Buchmann, Die Frauen von Ravensbrück, 30; Amesberger und Halbmayr, Vom Leben und Überleben, 132, sowie in Amesberger, Auer und Halbmayr, Sexualisierte Gewalt, 169 f.
  • 20
    Strebel, Das KZ Ravensbrück, 304.
  • 21
    Pawelke, „Als Häftling geboren“, 100.
  • 22
    Vgl. Bruder und Kleffner, Barbara Reimann, 123; Strebel, Das KZ Ravensbrück, 266 f. Das „Geburtenbuch“ ist im Original in der Gedenkstätte Ravensbrück überliefert, in den Arolsen Archives ist unter 1.1.35, Konzentrationslager Ravensbrück, 251600: Geburtenbuch des KL Ravensbrück (19.09.1944-22.04.1945) eine Kopie einsehbar.
  • 23
    Block 4: Buber-Neumann, Als Gefangene, 231; Block 10: Bauer, Eine Gießener Lehrerin, 62; Block 9: Wagner, Geboren am See, 125; Philipp, Kalendarium, 53; Block 22: Wagner, Geboren am See, 327; Català, „In Ravensbrück,“ 29.
  • 24
    MGR/StBG, Berichte 294, 55, 184, zit. nach Kenrick und Puxon, Sinti und Roma, 128. Vgl. auch Rose und Weiss, Sinti und Roma, 49.
  • 25
    Vgl. Rose und Weiss, Sinti und Roma, 49.
  • 26
    Lundholm, Das Höllentor, 31.
  • 27
    Guth, Z 3105, 125.
  • 28
    Müller, Die Klempnerkolonne, 183.
  • 29
    Radau, Nichts ist vergessen, 74.
  • 30
    Rose und Weiss, Sinti und Roma, 40-71; Internationaler Freundeskreis e.V. für die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Zwangsarbeit.
  • 31
    Es gab allerdings auch Rücküberstellungen ins Hauptlager; siehe z. B. AGK, KZ Ravensbrück 1945, I,10–I,20; Zimmermann, Rassenutopie, 496, Fn. 234.
  • 32
    Zu Zwodau und Wolkenburg vgl. Aas, Sinti und Roma; zum Außenlager Barth vgl. Radau, Nichts ist vergessen; siehe auch Rose und Weiss, Sinti und Roma, 46–71.
  • 33
    Vgl. Sommer, Das KZ-Bordell, 224; siehe hierzu auch Amesberger, Auer und Halbmayr, Sexualisierte Gewalt.
  • 34
    Laher, Uns hat es nicht geben sollen, 37.
  • 35
    Vgl. Strebel, „Das Männerlager“, 156.
  • 36
    Berger, Holzinger, Podgornik und Trallori, Ich geb Dir einen Mantel, 83.
  • 37
    Vgl. Schmid, „Polizeilich zwangsentführt“, 91.
  • 38
    Buber-Neumann, Als Gefangene, 221. Auch die polnische Historikerin und Überlebende des KZ Ravensbrück Wanda Kiedrzynska (1901–1985) berichtet von einem Selbstmord Anfang März 1940. Vgl. Philipp, Kalendarium, 47.
  • 39
    Vgl. Philipp, Kalendarium, 39; Strebel, Das KZ Ravensbrück, 279 f.; Auskunft Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.
  • 40
    Franz, Zwischen Liebe und Haß, 69.
  • 41
    MGR/StBG, Sammlungen, RA-Nr. II/10; Philipp, Kalendarium, 78; Strebel, „Das Männerlager“; ders., Das KZ Ravensbrück, 297 f.
  • 42
    Vgl. Rose und Weiss, Sinti und Roma, 41.
  • 43
    Gerber, KZ Lagerbuch, 309 f., zit. nach Strebel, „Das Männerlager“, 151.
  • 44
    Vgl. Strebel, „Das Männerlager“, 168 f.
  • 45
    Vgl. Strebel, Das KZ Ravensbrück, 297, Fn. 38; AGK, KL Ravensbrück 50, Einlieferung von Zigeunern, nicht datiert, Bl. 47–50; Zimmermann, Rassenutopie, 346 f. Siehe auch Winter, WinterZeit; Guth, Z 3105.
  • 46
    Strebel, „Das Männerlager“, 161.
  • 47
    Tillion, Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, 358 f., 262 f.; Philipp, Kalendarium, 86 f., 178; Strebel, Das KZ Ravensbrück, 332 f., 336 f. Lagergerüchten zufolge hatte der erste Transport Berlin-Buch als Ziel. Neuere Forschungen gehen davon aus, dass dies nur eine Zwischenstation war; Strebel, Das KZ Ravensbrück, 336.
  • 48
    Vgl. Strebel, Das KZ Ravensbrück, 288.
  • 49
    Philipp, Kalendarium, 198; Tillion, Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, 262, 402.
  • 50
    Tuckermann, Die Lebensgeschichte, 175, 185–188.
  • 51
    Offizielle Zahlenangaben auf der Website der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, www.ravensbrueck.de [Zugriff: 30.05.2023]; Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Gedenkbuch.
  • 52
    Aus der Hochrechnung der Auswertungsergebnisse von Kiedrzynska (dies., Ravensbrück, 309–313) und Schlaefer und Schröder (dies., Jüdische Häftlinge) ergeben sich aus der Gesamtzahl von 123 000 Häftlingen 6 650 bzw. 4 300 Sinti und Roma (Angaben nach Strebel, Das KZ Ravensbrück, 134). Strebel hält diese Zahlen für zu hoch; vgl. ebd.
  • 53
    Vgl. Buchmann, Die Frauen von Ravensbrück, 15; auch Baetz, Herzog und von Mengersen, Die Rezeption, 49 f.
  • 54
    Eschebach, Ravensbrück, 184.
  • 55
    Vgl. Jacobeit, Ravensbrückerinnen.

Zitierweise

Barbara Danckwortt: Ravensbrück, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 17. Oktober 2024.-

1939
15. – 18. Mai 1930974 Frauen werden aus dem Konzentrationslager Lichtenburg in das zu diesem Zeitpunkt eröffnete Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, überstellt, darunter mindestens acht Sintize und Romnja.
29. Juni 1939Ein Transport mit 440 Sintize und Romnja aus Niederösterreich und dem Burgenland erreicht das Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland. Unter den Häftlingen befinden sich auch Jugendliche ab 14 Jahren.
1941
5. März 1941Katharina Waitz wird im Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, brutal ermordet, nachdem sie nach ihrer Flucht aus dem Lager von der SS wieder aufgegriffen worden ist.
1942
23. Mai 1942In einem Transport vom Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befinden sich auch Sintize und Romnja.
1944
30. Januar 1944In einem Transport aus dem Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, in das Konzentrations- und Vernichtungslager Lublin-Majdanek befinden sich auch Sintize und Romnja.
15. April 1944473 Sintize und Romnja, Frauen und Mädchen, werden aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in das Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, überstellt.
9. Mai 194439 Kinder aus der Minderheit der Sinti:ze werden aus dem Kinderheim St. Josefspflege in Mulfingen, Deutschland, in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt. Nur vier Kinder überleben die Deportation und werden nach Buchenwald und Ravensbrück überstellt, darunter Luise Mai und Rosa Georges. Die beiden Mädchen erleben ihre Befreiung in Dachau, zwischenzeitlich waren sie auch im Außenlager Wolkenburg des Konzentrationslagers Flossenbürg, Deutschland, inhaftiert.
24. Mai 1944161 Sintize und Romnja, Frauen und Mädchen, werden aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in das Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, transportiert.
2. August 1944535 Sintize und Romnja, Frauen und Mädchen, werden zusammen mit 490 Männern und Jungen aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in das Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, überstellt.
19. September 1944Rudolf Franz wird im Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, geboren und stirbt dort am 5. Oktober 1944. Er ist eines von 51 Kindern von Sintize und Romnja, die bis April 1945 in Ravensbrück zur Welt kommen und kaum eine Chance haben, zu überleben.
14. November 1944157 ungarische Roma werden in das Konzentrationslager Dachau, Deutschland eingeliefert. Insgesamt werden bis zum 21. Dezember 1944 etwa 1 100 Rom:nja aus Ungarn zur Zwangsarbeit in Dachau eingeliefert. Die Frauen werden kurze Zeit später nach Ravensbrück und Bergen-Belsen überstellt.
28. November 1944290 ungarische Romnja werden zusammen mit ungarischen Jüdinnen und Ungarinnen aus dem Lager Komárom, Ungarn, in das Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, deportiert.
1945
18. Januar 1945Mit einem Transport aus Käsmark, Slowakischer Staat, treffen neben Jüdinnen auch 15 (überwiegend ungarische) Romnja im Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, ein.
2. März 1945In einem Transport von 1 918 Frauen aus dem Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, in das Konzentrationslager Mauthausen im an Deutschland angeschlossenen Österreich befinden sich 800 Sintize und Romnja mit Säuglingen und Kleinkindern.
3. März 1945211 Roma und Sinti werden im Rahmen einer teilweisen Räumung des Männerlagers im Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt. Unter den Männern befinden sich viele ehemalige Wehrmachtsoldaten.
6. März 1945Im Konzentrationslager Bergen-Belsen, Deutschland, trifft ein Häftlingstransport aus Ravensbrück ein, darunter befinden sich auch Sintize und Romnja mit ihren Kindern.
26. März 1945Im Konzentrationslager Bergen-Belsen, Deutschland, trifft ein Häftlingstransport aus Ravensbrück ein, darunter befinden sich auch Sintize und Romnja mit ihren Kindern.
30. April 1945Einheiten der sowjetischen Roten Armee befreien etwa 2 000 Häftlinge im Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland.
1995
25. März 1995Im Untergeschoss des Zellenbaus wird in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ein Gedenkraum für die im Konzentrationslager Ravensbrück, Deutschland, ermordeten Sinti:ze und Rom:nja eröffnet.