Narva

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Narva
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 31. März 2025

Das Gefängnis in Narva war eine polizeiliche Haftanstalt, in der Juden:Jüdinnen und Rom:nja (neben anderen) gefangen gehalten waren, bevor sie ermordet oder deportiert wurden. Die Stadt Narva an der Grenze zu Russland ist auch der Ort, an dem die erste bekannte Massentötung von Rom:nja im deutsch besetzten Estland stattfand.

Inhaftierung und Mord

Nach den Bevölkerungsdaten des estnischen Statistikamtes lebten am Vorabend der deutschen Besetzung 178 Rom:nja in der Provinz Viru, zu der Narva administrativ gehörte. In der Stadt Narva lebten 14 Rom:nja, in Rakvere 112. Das Büro der Sicherheitspolizei in Narva erstreckte sich über ein großes Gebiet, das bis zum 50 km westlich gelegenen Jõhvi reichte (obwohl Rakvere ein eigenes Büro der Sicherheitspolizei hatte).

In der Nacht des 1. November 1941 nahm die estnische Sicherheitspolizei in Narva 260 Personen fest, darunter eine dreiköpfige romani Familie. Vera (Lebensdaten nicht bekannt) und Valentina Indus (Lebensdaten nicht bekannt) gehörten zu den drei Kindern, die damals im Gefängnis von Narva inhaftiert wurden. Im Januar 1942 lebten 42 Rom:nja auf dem Gebiet der Polizeipräfektur Narva, im April waren es nur noch 20. Die estnische Sicherheitspolizei berichtete über 17 Rom:nja (sechs Männer und elf Frauen), die vor dem 1. Juli 1942 erschossen worden waren. Unter den Toten befanden sich offenbar Vera und Valentina Indus. Aus den erhaltenen Unterlagen geht nicht hervor, wo und wann genau die 17 Opfer ums Leben kamen. Am 22. Juli 1942 lebten noch 13 Rom:nja in Narva, die auf einer von der örtlichen Polizei erstellten Ausländerliste aufgeführt waren.

Deportation und Mord

Am 22. Januar 1943 ordnete der Leiter der deutschen Sicherheitspolizei (Sipo) in Estland, Dr. Martin Sandberger (1911–2010), die Deportation aller estnischen Rom:nja in das Zentralgefängnis Tallinn an. Die Liste der Rom:nja, die am 4. Februar 1943 von Narva nach Rakvere gebracht wurden, umfasste 14 Namen. Vier Tage später verließ ein Zug mit 92 Rom:nja Rakvere in Richtung Tallinn. Kurzzeitig im Tallinner Zentralgefängnis inhaftiert, waren Rom:nja aus ganz Estland mit dem Tod durch Erschießung konfrontiert: 110 Personen am 10. Februar und 337 Personen am 17. Februar. Höchstwahrscheinlich wurden sie in Kalevi-Liiva erschossen. Unter den Toten waren Lonny Indus (unbekannt–1943) und Willem Indus (unbekannt–1943) aus Narva und ihre sechs Kinder.

Zitierweise

Anton Weiss-Wendt: Narva, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 31. März 2025.

1941
1. November 1941In der Nacht zum 1. November 1941 verhaftet die estnische Sicherheitspolizei in Narva (deutsch besetztes Estland) 260 Personen, darunter eine dreiköpfige romani Familie.
1942
1. Juli 1942Die estnische Sicherheitspolizei berichtet von siebzehn Rom:nja (sechs Männer und elf Frauen), die bislang an ein Erschießungskommando übergeben wurden. Unter den Toten sind wahrscheinlich auch die beiden Kinder Vera und Valentina Indus.
1943
22. Januar 1943Der Leiter der deutschen Sicherheitspolizei in Estland, Dr. Martin Sandberger, ordnet die Deportation aller estnischen Rom:nja an.
9. Februar 1943Im deutsch besetzten Estland fährt ein Zug mit 92 Rom:nja von Rakvere nach Tallinn. Kurzzeitig im Zentralgefängnis von Tallinn inhaftiert, werden Rom:nja aus ganz Estland bei Erschießungen ermordet.
10. Februar 1943Massenerschießung von 110 Rom:nja, die zuvor im Zentralgefängnis von Tallinn (deutsch besetztes Estland) inhaftiert waren, durch die deutsche Sicherheitspolizei, wahrscheinlich in Kalevi-Liiva. Unter den Opfern ist Lonny Indus aus Narva, die Ehefrau von Willem Indus, zusammen mit ihren sechs Kindern.
17. Februar 1943Massenerschießung von 337 Rom:nja, die zuvor im Zentralgefängnis von Tallinn (deutsch besetztes Estland) inhaftiert waren, durch die deutsche Sicherheitspolizei, wahrscheinlich in Kalevi-Liiva. Willem Indus aus Narva ist unter den Opfern, ebenso der fünfzehnjährige Pavel Koslovski aus der Gemeinde Petseri und sein Vater, Nikolai Koslovski.