1938 wurde 25 Kilometer südöstlich von Trier und einen Kilometer vom Dorf Hinzert entfernt (beides damals Preußen, heute Rheinland-Pfalz, Deutschland) ein Wohnbarackenlager des Reichsarbeitsdienstes (RAD) eingerichtet. Untergebracht waren hier Arbeiter, die zum Bau des „Westwalls“ beziehungsweise der vorgelagerten Luftverteidigungszone West oder der Reichsautobahn eingesetzt waren.
Nach einem Brand am 16. August 1939 erfolgte im Herbst 1939 der Wiederaufbau als Polizeihaftlager, das zugleich Zentrum weiterer rund um den „Westwall“ angelegter Arbeitslager (genannt „Westlager“) wurde. Inhaftiert wurden hier Arbeiter, die aus Sicht des Regimes gegen die Arbeitsdisziplin verstießen, und die während einer kurzzeitigen Maßregelung („Erziehung“) in Hinzert weiter einer Arbeitsstelle zugeführt wurden. Das Lager in Hinzert gilt daher als ein Vorläufer der späteren „Arbeitserziehungslager“.
Vom SS-Sonderlager zum Konzentrationslager
Spätestens ab dem 23. November 1939 wurde das Hinzerter Lager um einen als SS-Sonderlager firmierenden Lagerteil ergänzt, der für diejenigen Arbeiter vorgesehen war, die länger als 21 beziehungsweise mindestens 56 Tage inhaftiert werden sollten. Der zum 9. Oktober 1939 ernannte Lagerkommandant Hermann Pister (1885–1948) setzte sich nach der Einstellung der Arbeiten am „Westwall“ erfolgreich für die Weiterführung des Hinzerter Lagers ein.
Dieses wurde zum 1. Juli 1940 der Inspektion der Konzentrationslager (IKL) unterstellt und damit in ein eigenständiges Konzentrationslager (Stammlager) umgewandelt. Die Trägerschaft des Lagers wechselte von der Organisation Todt (OT) zum Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Am 7. Februar 1942 erfolgte unter Lagerkommandant Egon Zill (1906–1974) die Zuordnung zum SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (WVHA). Ab Herbst 1942 kamen unter dem dritten Lagerkommandanten Paul Sporrenberg (1896–1961) zahlreiche Außenlager für Arbeitseinsätze, die zwischen vier Wochen und einem Jahr dauerten, hinzu.
Am 21. November 1944 wurde Hinzert formal dem Konzentrationslager Buchenwald als Außenlager zugeordnet. Bis auf eine nicht näher bezifferte, aber als „beträchtlich“ angegebene Anzahl von Häftlingen1So die Forschungen der ersten Gedenkstättenleiterin Dr. Beate Welter, siehe den Vortrag „Die letzten Monate des ‚SS-Sonderlagers‘ / KZ Hinzert“, veröffentlicht auf dem YouTube-Kanal der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, März 2025, https://www.youtube.com/watch?v=-FN5Sus35iU&t=221s (Minute 4:38) [Zugriff: 16.07.2025]. wurden alle anderen Hinzerter Gefangenen am 2./3. März 1945 Richtung Buchenwald getrieben. Nachdem die letzten Wachleute das Lager nach Bombenangriffen verlassen hatten, flohen die noch im Lager verbliebenen Häftlinge in den Wald. Am 15. oder 16. März 1945 waren amerikanischen Truppen vor Ort und damit die Häftlinge endgültig befreit.
Die Häftlinge
Hinzert war ein ausschließlich für Männer vorgesehenes Lager. Neben reichsdeutschen Häftlingen wurden während des Zweiten Weltkrieges politische Gegner des nationalsozialistischen Regimes aus den deutsch besetzten Ländern Europas in das Konzentrationslager Hinzert deportiert.
Erste größere Gruppen kamen im Sommer 1941 aus Luxemburg, ab Mai 1942 aus Frankreich (vor allem „Nacht- und Nebelhäftlinge“). Hinzu kamen als „asozial“ oder „kriminell“ eingestufte Männer, ost- und westeuropäische Zwangsarbeiter sowie ehemalige Fremdenlegionäre und sogenannte Eindeutschungspolen. Von etwa 100 Häftlingen aus den Benelux-Ländern, die im Lager als Juden kategorisiert waren, wurde ein Drittel durch individuelle Folterungen ermordet. Kollektive Mordaktionen durch die SS (Schutzstaffel) erfolgten im Oktober 1941 an 70 sowjetischen Soldaten, vom 2. bis 9. September 1942 an 20 Teilnehmern des Luxemburger Generalstreikes und am 25. Februar 1944 an weiteren 23 Luxemburger Widerständlern.
Insgesamt waren in Hinzert von Herbst 1939 bis März 1945 mindestens 10 000 Männer aus 20 verschiedenen Nationen gefangen. Mindestens 321 Todesopfer sind dokumentiert, die entweder durch gezielte Tötungsaktionen ermordet wurden oder infolge der Unterversorgung und Zwangsarbeit sowie Erkrankungen starben.
Sinti und Roma
Bezüglich der Inhaftierung von Sinti und Roma in Hinzert fehlt es an Forschungen. Aus der Region erfolgten nach derzeitigem Kenntnisstand keine Deportationen in das Konzentrationslager. Die Trierer Sinti:ze und Rom:nja wurden beispielsweise über das Sammellager in Köln-Deutz in Konzentrations- und Vernichtungslager im deutsch besetzten Polen verschleppt.
Bislang sind in Aussagen ehemaliger Inhaftierter zwei Häftlinge als Roma benannt worden. Es soll sich dabei zum einen um einen Jungen aus Osteuropa handeln, der 1944 nach versuchter oder vollzogener Vergewaltigung durch den Funktionshäftling („Oberkapo“) Eugen Wipf (1916–1948) von diesem getötet worden sein soll.2Schneider, Waffen-SS, 148, ohne Nennung der 1995 und 1996 interviewten Zeugen. Ob es sich dabei um den im Verfahren gegen Wipf 1948 vor dem Schwurgericht Zürich erwähnten, ermordeten polnischen Lagerinsassen handelte, ist nicht geklärt.3Pütz, Angehörige der ehemaligen Lager-SS, 39.
Die zweite Spur verweist auf den 16-jährigen Belgier „Simon“, mit dem Wipf ein Verhältnis gehabt haben soll. „Simon“, dessen vollständiger Name nicht bekannt ist, wird von dem französischen Häftlingsarzt Dr. André Chauvenet (1900–1981) in seinen Erinnerungen als freundlicher und gut erzogener junger Mann charakterisiert. Nach seiner Ernennung zum Stubenältesten durch Wipf soll er sich jedoch zu einem der „grausamsten Menschenschinder“ entwickelt haben.4Engel und Hohengarten, Hinzert, 370. Dort wird der Name „Sim“ verwendet. Eine längere Passage zu „Simon“ findet sich in Chauvenet, Une expérience, 139 f.
Es bleibt künftiger Forschung überlassen, ob weitere Sinti oder Roma als Häftlinge im Konzentrationslager Hinzert nachgewiesen werden können. Als Jenischer war aller Wahrscheinlichkeit nach der Luxemburger Jules Clément (1925–1945) für kurze Zeit dort inhaftiert, ehe er als „Asozialer“ stigmatisiert in das Konzentrationslager Natzweiler und von dort nach Dachau verlegt wurde, wo er starb.5Courtoy, Jules / Julius Clément (unveröffentlichte Biografie). Während hier eine Haft im Konzentrationslager Hinzert aufgeführt ist, wird diese nicht genannt in der publizierten Kurzversion: Musée Nationale, Vergessene Opfer, 53. Jules Clément ist als Häftling in Hinzert angeführt in LPPD (Hg.), Livre d’Or, 83.