Jean „Django“ Reinhardt

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Jean „Django“ Reinhardt
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 7. September 2025

Jean „Django“ Reinhardt wurde am 23. Januar 1910 in Liberchies, dem heutigen Pont-à-Celles (Belgien), in eine Familie von Musiker:innen aus den Communities der Sinti:ze im Elsass geboren. Als Kind reiste er mit seiner Familie durch verschiedene europäische Länder sowie Algerien, bevor er sich 1918 in Paris, Frankreich, niederließ. Als junger Musiker und Gründer des legendären „Quintette du Hot Club de France“ machte er erfolgreich Karriere und überlebte die deutsche Besatzung auch dank seiner Popularität.

Django Reinhardt trug zur Verbreitung des Jazz in Europa bei, begründete eine eigene Musiktradition und inspirierte nachfolgende Generationen zur Entwicklung eines Musikstils, der als „Jazz Manouche“, „Sinti Swing“ oder „Gypsy Jazz“ noch heute eine große Fangemeinde hat. Wie es ihm gelang, den Zweiten Weltkrieg zu überleben, ohne interniert oder deportiert zu werden, ist erst in jüngerer Zeit erforscht worden.

Frühe Karriere

Django Reinhardt lernte schon früh Banjo, Gitarre und Geige zu spielen und wurde Gitarrist in der Familienband seines Vaters Jean-Baptiste „Nélône“ Reinhardt (1881–1942). Der Akkordeonist Pierre „Vettese“ Guérino (1895–1952), ein piemontesischer Sinto, entdeckte ihn als Virtuosen und nahm 1928 mit ihm sein erstes Album auf. Im selben Jahr erlitt Django Reinhardt bei einem Brand in seinem Wohnwagen eine Verletzung, wodurch seine linke Hand teilweise gelähmt wurde. Dieser Unfall veranlasste ihn, eine neue Spieltechnik zu entwickeln.

1931 wurde Django Reinhardt von dem Maler und Fotografen Émile Savitry (1903–1967) in den amerikanischen Jazz eingeführt und er entwickelte einen eigenen, originellen Stil, den Jazz Manouche, der großen Erfolg hatte. Mit Unterstützung von Charles Delaunay (1911–1988), dem Generalsekretär des „Hot Club de France“ (einer Vereinigung von Jazzmusikern), gründete Django Reinhardt 1934 zusammen mit Stéphane Grappelli (1908–1997) (Violine), seinem Bruder Joseph „Nin-Nin“ Reinhardt (1912–1982) (Gitarre), Roger Chaput (1909–1994) (Gitarre) und Louis Vola (1902–1990) (Kontrabass) das „Quintette du Hot Club de France“. Später trat er auch dem 1937 von Delaunay gegründeten Label „Swing“ bei. Bis 1939 nahm Django Reinhardt über einhundert Schallplatten auf.

Als Musiker war er in Paris als Schausteller registriert und führte ein Carnet [Ausweis] mit sich, das die Pariser Polizeipräfektur 1935 ausstellte. Dieser Status schützte ihn vor den Maßnahmen, die gegen so genannte Nomades ergriffen wurden, und er unterlag daher weder dem Erlass über den zwangsweisen Aufenthalt vom 6. April 1940 noch dem Internierungsbefehl vom 4. Oktober 1940.

Im deutsch besetzten Paris

Im September 1940 war Django Reinhardt auf Tournee in Großbritannien. Stéphane Grappelli, der zu dieser Zeit erkrankte, verblieb dort, während Reinhardt nach Paris zurückkehrte. Im Oktober 1940 gründete er ein neues Ensemble, das „Nouveau Quintette du Hot Club de France“. Unter deutscher Besatzung trat Django Reinhardt regelmäßig in Kinos und renommierten Theatern auf. Im Dezember 1940 nahm er ein äußerst erfolgreiches Album mit Titeln wie „Nuages“, „Swing 41“ und „Les Yeux noirs“ auf, einer Coverversion eines Klassikers aus dem Repertoire russischer Roma.

Django Reinhardt war eine der Hauptfiguren der Swing-Begeisterung, die die dissidente Jugend Frankreichs erfasste. Die Jugendlichen, die als Zazous bekannt waren, bezeichneten ihn oft als einen der Inspiratoren ihres eigenen Stils. Zwischen Januar 1941 und April 1942 arrangierte er eine Reihe von Aufnahmen, gab Konzerte und erweiterte sein Repertoire durch die Gründung des „Grand Orchestre Swing“.

1943 komponierte er eine Symphonie, „Le Manoir de mes rêves“ [Das Schloss meiner Träume], für die der Schriftsteller Jean Cocteau (1889–1963) ein Libretto als Begleittext schreiben sollte. Das Projekt wurde jedoch nie verwirklicht.

Im selben Jahr begann Django Reinhardt mit der Komposition einer „Messe pour les Romanichels“ (auch „Messe des Saintes-Maries-de-la-Mer“ genannt), die er anlässlich der Wallfahrt zu Ehren der Heiligen Sara in das Dorf Saintes-Maries-de-la-Mer aufführen wollte. Diese Messe, die er „in seiner eigenen Sprache geschrieben“ hatte, war für „Bohemiens in der ganzen Welt“ bestimmt, wie ein Journalist damals berichtete. Dies lässt vermuten, dass Django Reinhardt ein in Romanes geschriebenes Libretto geplant hatte und mit der Messe die Lebenden ehren und den Toten Tribut zollen wollte, als Reaktion auf die Verfolgungen und den Völkermord, der im Gange war.

Eine erste Aufführung fand Ende 1943 in der Kirche Saint-Louis-d‘Antin in Paris statt und eine weitere, ungefähr im Dezember 1944, in der Kapelle des Instituts für junge Blinde in Paris. Aus unbekannten Gründen hat Django Reinhardt diese Messe nie aufgenommen, und es sind nur wenige Seiten der Komposition erhalten.

Im April 1943, während einer Tournee in Belgien, erhielt er in seiner Heimatstadt einen Personenstandsausweis, der es ihm ermöglichte, am 21. Juni 1943 in Salbris (Loir-et-Cher) seine zweite Frau, Sophie „Naguine“ Ziegler (1911–1971), zu heiraten. In dieser Zeit genoss das Umfeld von Django Reinhardt einen gewissen Schutz, vor allem durch Dietrich Schulz-Köhn (1912–1999), einem deutschen Jazzkenner und Oberleutnant der Luftwaffe, der in Frankreich stationiert war. Doch die Bedrohungen nahmen stetig zu.

Während Delaunay in der Résistance aktiv war, häuften sich ab April 1943 die Verhaftungen anderer Mitglieder des Hot-Club, die ebenfalls dem Widerstand angehörten. Es scheint, dass die deutsche Propagandastaffel, die für die Propaganda und die Kontrolle der Presse und des Verlagswesens während der Besatzung zuständig war, Druck auf Django Reinhardt ausübte, damit er in Deutschland auftrat. Vor diesem Hintergrund beschloss er, Paris Ende September 1943 mit seiner Frau, die zu diesem Zeitpunkt schwanger war, und seiner Mutter, Laurence „Negros“ Reinhardt (1884–1958), zu verlassen.

Thonon-les-Bains und gescheiterte Flucht in die Schweiz

Sie fuhren in Richtung Schweiz und hielten sich am französischen Ufer des Genfer Sees in Thonon-les-Bains (Haute-Savoie) auf. Dort trafen sie auf mehrere bekannte Manouches (Sinti:ze) und Rom:nja, darunter die Hoffmans und Meinhards, die sich, unter Hausarrest stehend, im Parc de la Crête niedergelassen hatten. Django Reinhardt schloss sich ihrem Orchester an, das in einem Café, der Savoy Bar, auftrat. Er kam in Kontakt mit den Corfus – Rom:nja, die als Kupferschmiede zwischen Frankreich und der Schweiz pendelten.

Während seines Aufenthalts in Thonon-les-Bains unternahm Django Reinhardt gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Ehefrau mehrere Versuche, die Grenze zu überqueren. Nach einem ersten Rückschlag bezogen sie dort eine Villa und Django Reinhardt trat regelmäßig und mit wachsendem Erfolg auf. Dabei ließ er Musiker aus Paris kommen, die ihn begleiteten. Als er einen passeur treffen wollte – eine jener französischen Personen, die sich auf die illegale Grenzüberführung spezialisiert hatten – wurde er von deutschen Soldaten verhaftet und für eine Nacht im Hotel Europe eingesperrt, das von den deutschen Behörden beschlagnahmt worden war.

Da er einen Mitgliedsausweis der britischen Musikergewerkschaft bei sich trug, wurde er der Spionage verdächtigt. Ein deutscher Offizier erkannte ihn jedoch und veranlasste seine Freilassung. Diese wiederum weckte das Misstrauen der Résistance-Gruppen in Thonon-les-Bains, woraufhin Django Reinhardt beschloss, die Grenze zunächst allein zu überqueren – in der Absicht,  seine Ehefrau und seine Mutter zu einem späteren Zeitpunkt in die Schweiz nachzuholen.

Am 24. November 1943 überquerte er die Grenze zusammen mit einem passeur, dem Sinto Jean Meinhard (1919–1968). Die beiden wurden von einer Patrouille der Schweizer Grenzwache in der Nähe des Dorfes Gy verhaftet. Im Haftprotokoll wird als Grund für Django Reinhardts Grenzübertritt angegeben: „Will nicht in Berlin auftreten“.1Archives d’État de Genève (Genf, Schweiz), Justiz und Polizei, Ef2/5567. Im Protokoll vom 24. November 1943 wurde als Grund für die Einreise vermerkt: „ne veut pas se produire à Berlin“. Dies bestätigt, dass er darum bemüht war, sich jeglichen Vereinnahmungsversuchen von deutschen Seite zu widersetzen, oder sich selbst möglicherweise innerhalb des Reichsgebiets in Gefahr zu bringen.

Trotz seiner erfolgreichen Einreise in die Schweiz durfte Django Reinhardt nicht bleiben, wie dies bei vielen Flüchtlingen jeglicher Herkunft der Fall war. Er wurde zurück nach Frankreich eskortiert und mit Sophie Ziegler und Laurence Reinhardt zusammengeführt. Sie beschlossen, im Dezember 1943 nach Paris zurückzukehren, wo sie bis zum Ende des Krieges blieben. Django Reinhardt setzte seine musikalischen Aktivitäten fort, vor allem in einem Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Kabarett im Pigalle-Viertel, dessen Mitinhaber er Anfang 1944 wurde („La Roulotte – Chez Django Reinhardt“).

Er tourte auch durch den Süden des Landes, aber die Lebensbedingungen wurden immer schwieriger. Am 9. Juni 1944, wenige Tage nach der Landung der Alliierten in der Normandie, brachte Sophie Reinhardt den gemeinsamen Sohn Jean-Jacques „Chien-Chien“, später „Babik“ Reinhardt (1944–2001), zur Welt.

Weltweiter Ruhm

Nach der Befreiung von Paris war Django Reinhardt wieder mit seiner Familie und seinen Musikerfreunden vereint und er setzte seine Karriere als großartiger Musiker fort. Im Januar 1946 traf er sich in London mit Stéphane Grappelli. Sie nahmen das Stück „Echoes of France“ auf, eine neue Bearbeitung der französischen Nationalhymne „La Marseillaise“. 1946 wurde er zu einer Tournee in die Vereinigten Staaten und nach Kanada eingeladen, wo er gemeinsam mit Duke Ellington (1899–1974) auftrat. Die Tournee brachte Django Reinhardt nicht die erhoffte Anerkennung und er betrachtete sie als Misserfolg.

1951 zog er in die Stadt Samois-sur-Seine (Seine-et-Marne), etwa 70 Kilometer südöstlich von Paris, wo er sich, seine musikalischen Aktivitäten fortsetzend, auch der Malerei widmete. Am 16. Mai 1953 starb Django Reinhardt in Fontainebleau im Alter von nur 43 Jahren an einem Schlaganfall. Er wurde auf dem Friedhof von Samois-sur-Seine beigesetzt.

Sein weltweiter Ruhm hielt auch nach seinem Tod an, und die Tradition des Jazz Manouche führten seine Söhnen Henri „Lousson Reinhardt“ Baumgartner (1929–1992) und Jacques „Babik“ Reinhardt, Verwandte wie Franz „Schnuckenack“ Reinhardt (1921–2006) und Musiker wie Pierre-Jean „Matelo“ Ferret (1918–1989) fort. Django Reinhardt zu Ehren finden jedes Jahr weltweit mehrere Jazz-Manouche-Festivals statt.

Die ersten Studien über Django Reinhardts Leben unter deutscher Besatzung wurden nach 2000 veröffentlicht. Im Jahr 2017 lenkte der Spielfilm „Django“ des französischen Filmproduzenten, Drehbuchautors und Regisseurs Étienne Comar (geb. 1965) international die Aufmerksamkeit auf diesen Aspekt seiner Karriere. Der Film basiert auf einer Novelle von Alexis Salatko (geb. 1959). Durch die Einbeziehung von Episoden, die nicht auf gesicherten Fakten beruhen, sowie durch künstlerische Interpretation und eine Ausschmückung der Erzählung weicht Comars Film an einigen Stellen von den historischen Ereignissen ab. Dennoch erweitert die einfühlsame Darstellung der Figur „Django“ die Perspektive auf Django Reinhardts Lebensgeschichte.

Einzelnachweise

  • 1
    Archives d’État de Genève (Genf, Schweiz), Justiz und Polizei, Ef2/5567. Im Protokoll vom 24. November 1943 wurde als Grund für die Einreise vermerkt: „ne veut pas se produire à Berlin“.

Zitierweise

Ilsen About: Jean „Django“ Reinhardt, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 7. September 2025.-

1943
24. November 1943Dem französischen Musiker Jean „Django“ Reinhardt und seinem Begleiter Jean Meinhard wird bei Genf die Einreise in die Schweiz verwehrt.