Joseph Toloche

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Joseph Toloche
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 4. Juli 2024

Joseph Toloche wurde am 15. April 1912 in Florenville, Belgien, in eine Familie von Schaustellern, Pferdehändlern und Zinngießern geboren. Gemeinsam mit Flore Boudin (1901–1941) hatte er zwei Kinder: Marguerite (1933–1944) und Bernard (1935–1944).

Flucht nach Frankreich

Die Familie floh im Mai 1940, wie viele andere, vor der deutschen Wehrmacht aus Belgien nach Frankreich. Die französische Gendarmerie verhaftete sie am 8. November 1940 in Rouen und brachte sie in das nächstgelegene Zwangslager (camps d’internement de nomades) in Mulsanne (Departement Sarthe). Ihre Wagen und die Pferde wurden beschlagnahmt und verblieben in Darnétal. Im März 1941 wandte sich Joseph Toloche an den Präfekten von Seine-et-Oise und verlangte seine Befreiung. Wenig später, am 21. April 1941, starb seine Frau Flore Boudin im Krankenhaus von Arpajon (Departement Essonne) an einer Fehlgeburt. Joseph Toloche war nun Witwer und mit seinen Kindern auf sich alleine gestellt.

Im September 1941 mussten Vater und Kinder im Lager Linas-Monthlery leben. Zusammen mit anderen belgischen Internierten verlangte Joseph Toloche erneut die Rückgabe ihres Eigentums und die Erlaubnis zur Rückkehr nach Belgien. Auch dieser Versuch scheiterte, und die Familie wurde in das Lager Montreuil-Bellay (Departement Maine-et-Loire), einem der größten Zwangslager für ‚Nomades in der besetzten Zone, verlegt. Der Familie wurde eine Niederlassung in Frankreich außerhalb des Lagers unter der Auflage erteilt, dass sie einen Arbeitgeber und eine Unterkunft in einem Umkreis von 20 Kilometern des Lagers fänden. Es gelang Joseph Toloche, in Montreuil-Bellay einen Mietvertrag für ein kleines Haus zu unterzeichnen. Doch er wollte unbedingt nach Belgien zurück, weil es dort zu diesem Zeitpunkt keine Zwangslager für Sinti:ze und Rom:nja gab.

Erneute Flucht und Deportation

Da mehrere Petitionen zu keinem Erfolg geführt hatten, gingen Joseph Toloche und weitere Familien auf eigene Faust nach Belgien zurück. Sie wurden jedoch von der Feldgendarmerie und der Sicherheitspolizei (Sipo) Ende November 1943 in Nordfrankreich in Hénin-Liétard (heute Hénin-Beaumont, Departement Pas-de-Calais) und Vimy (Departement Pas-de-Calais) ergriffen und im Gefängnis Loos-les-Lille in Loos interniert.

Die Verhafteten, darunter auch Joseph Toloche mit seinen beiden Kindern, brachte man in das ‚SS-Sammellager‘ in der Kaserne Dossin in Mechelen. Dort erfasste sie die deutsche Kriminalpolizei am 9. Dezember 1943 auf einer Liste. Alle Personen auf dieser Liste, insgesamt 352 Männer, Frauen und Kinder, wurden am 15. Januar 1944 im ‚Transport Z von Mechelen aus in das Konzentrations– und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und in den Lagerbereich BIIe eingewiesen. Die Kinder von Joseph Toloche starben dort zu einem unbekannten Zeitpunkt.

Am 15. April 1944 wurde Joseph Toloche mit einer größeren Gruppe in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt, darunter auch 23 andere Deportierte des ‚Transport Z‘. Er wurde als arbeitsfähig eingestuft und dem Außenlager Dora, später Konzentrationslager Mittelbau-Dora, zugewiesen. Am 28. Oktober 1944 wurde er im Außenlager Ellrich-Juliushütte registriert. Von dort aus wurde er in den letzten Wochen des Krieges in das Konzentrationslager Bergen-Belsen überstellt, wo er am 15. April 1945 die Befreiung erlebte.

Rückkehr und Ausweisung

Am 8. Mai 1945 kehrte Joseph Toloche in einem, wie es in seiner Repatriierungskarte hieß, „schlechten Allgemeinzustand“ nach Brüssel zurück. Wenige Wochen später, Anfang Juni 1945, wurde er von der Fremdenpolizei befragt. Sie nahm sein Zeugnis über die Deportation und seine Inhaftierung in den Konzentrationslagern auf und stellte ihm erneut eine Zigeunerkarteaus. Ende der 1950er-Jahre reiste er mit dem Wohnwagen durch Belgien und verdiente seinen Lebensunterhalt als Werkzeugmacher. Möglicherweise heiratete er erneut. Die Fremdenpolizei vermerkte mehrmals eine Frau mit Namen Céla bzw. Séva Colombar als Partnerin sowie neun Kinder, die in den Akten jedoch nicht namentlich genannt werden. 1960 wurde Joseph Toloche aus unbekannten Gründen aus Belgien ausgewiesen. Es ist nicht bekannt, wann und wo er starb.

Zitierweise

Monique Heddebaut: Joseph Toloche, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 4. Juli 2024.-

1940
10. Mai 1940Deutschland erweitert den Krieg auf den Westen Europas; die Wehrmacht marschiert in Belgien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden ein.
8. November 1940Joseph Toloche, seine Frau Flore Boudin und ihre Kinder Marguerite und Bernard werden in Rouen (deutsch besetztes Frankreich) verhaftet, wohin sie während des Einmarschs deutscher Truppen in Belgien geflohen waren. Sie werden in Zwangslagern interniert, Flore Boudin stirbt an einer Fehlgeburt. Vater und Kinder fliehen nach Belgien zurück und werden von dort in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Nur Joseph Toloche überlebt.
1942
16. Dezember 1942„Auschwitz-Erlass”: Heinrich Himmler, Chef der Schutzstaffel („Reichsführer SS”), ordnet die Deportation von Sinti:ze und Rom:nja aus dem Deutschen Reich in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an.
1943
29. März 1943Das Reichssicherheitshauptamt ordnet die Deportation von Rom:nja und Sinti:ze aus deutsch besetzten Gebieten und Ländern (Belgien, Bezirk Bialystok, Elsass, Lothringen, Luxemburg, Niederlande und Nordfrankreich) in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an.
9. Dezember 1943Die deutsche Kriminalpolizei im Bereich des Militärbefehlshabers für Belgien und Nordfrankreich erstellt eine Liste mit den Namen von 351 Sinti:ze und Rom:nja, die für eine Deportation vorgesehen sind. Eine Frau, Jeanne Royenne Vados, wird später mit deportiert, ohne auf dieser Liste registriert gewesen zu sein.
1944
15. Januar 1944Aus dem ‚SS-Sammellager‘ Mechelen, deutsch besetztes Belgien, werden 352 Männer, Frauen und Kinder mit dem ‚Transport Z‘ bezeichneten Zug in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie zwei Tage später eintreffen. Die einjährige Georgette Hédouin stirbt während des Transportes.
15. April 1944884 Sinti und Roma, Männer und Jungen, werden aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in das Konzentrationslager Buchenwald, Deutschland, überstellt. Ein Häftling stirbt auf dem Transport oder kann fliehen, denn 883 werden in Buchenwald registriert.
1945
15. April 1945Britische Soldaten befreien das Konzentrationslager Bergen-Belsen, Deutschland. Etwa ein Viertel aller Häftlinge, die die Befreiung erleben, stirbt in den nächsten Wochen an den Folgen der Haft.