Auschwitz (Strafkompanie)

Logo
Search
Auschwitz (Strafkompanie)
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 4. Dezember 2025

Im Konzentrationslager Auschwitz existierte von August 1940 bis zur Räumung des Lagerkomplexes im Januar 1945 eine sogenannte Strafkompanie, in die während der Zeit ihres Bestehens über 6 000 männliche Häftlinge eingewiesen wurden. Diese Männer waren von anderen Häftlingen isoliert untergebracht und mussten schwerste körperliche Arbeit verrichten. Viele überlebten die mehrere Wochen oder Monate andauernde Tortur nicht. Unter den Häftlingen der Strafkompanie waren auch Sinti und Roma.

Unterbringung und Häftlinge

Zu Beginn befand sich die Strafkompanie im Stammlager Auschwitz in Block 3a, später in Block 11. Im Mai 1942 verlegte die SS (Schutzstaffel) die Strafkompanie nach Birkenau (Auschwitz II). Die Häftlinge waren im Lagerabschnitt BIb untergebracht, wo es zu einer Massenflucht kam, in deren Folge mehr als 350 Häftlinge ermordet wurden. Ab Juli 1942 wurde die Strafkompanie im Lagerabschnitt BIId betrieben.

Ursprünglich zur Bestrafung katholischer Priester und jüdischer Häftlinge eingerichtet, zählte die Einweisung in die Strafkompanie schließlich zu den schwersten Lagerstrafen in Auschwitz und konnte alle Häftlinge treffen. Vor allem nichtjüdische Polen, aber auch andere Nationalitäten, und insbesondere jüdische Häftlinge wurden in die Strafkompanie eingewiesen. Anlässe für eine Überstellung konnten Fluchtversuche, Kontakte zu Zivilist:innen, der illegale Besitz von Lebensmitteln oder Geld und widerständiges Verhalten gegen das Lagerregime sein. Die SS-Wachen verfügten über einen breiten Ermessensspielraum, um solch eine Bestrafung anzuordnen.

Seit dem 26. Juni 1942 existierte eine eigens für Frauen eingerichtete Strafkompanie in dem Außenlager Budy, das organisatorisch zur Frauenabteilung im Stammlager gehörte. Im Frühjahr 1943 erfolgte die Verlegung der Strafkompanie für Frauen nach Auschwitz-Birkenau (Lagerabschnitt BI). Nach derzeitigem Forschungsstand ist nicht bekannt, ob sich Sintize oder Romnja in dieser Strafkompanie befunden haben.

Alltag

Einen ausführlichen Bericht über die Zustände in der Strafkompanie für Männer und die Gewalt, der die Häftlinge dort ausgesetzt waren, hat der ehemalige polnische politische Häftling Józef Kret (1895–1982) bereits 1959 in den „Heften von Auschwitz“ veröffentlicht. Er war von Mai bis Juli 1942 in der Strafkompanie eingesetzt, weil er beschuldigt worden war, Kontakt mit der polnischen Zivilbevölkerung aufgenommen zu haben. Schon bei der Ankunft in der Strafkompanie wurden die Häftlinge geschlagen, Unterbringung und Ernährung waren noch miserabler als in anderen Lagerbereichen. Zur Kennzeichnung mussten die Häftlinge ein Abzeichen auf ihrer Kleidung tragen, das aus einem schwarzen Punkt, den ein schwarzer Ring umschloss, bestand.

Die Tage in der Strafkompanie waren von schwerer körperlicher Arbeit bestimmt, die unter Misshandlungen durch SS-Wachleute und Funktionshäftlinge meist im Laufschritt bis zur vollständigen Erschöpfung verrichtet werden musste. Auf dem Gelände von Birkenau sollten die Häftlinge einen Entwässerungsgraben anlegen, was mit Erdarbeiten auf sumpfigem Gelände verbunden war. Viele überlebten nicht – täglich rückte die Strafkompanie mit einem Karren voller Leichen wieder in die Unterkunft ein. Jeder Tag sei, so Kret, ein „Balancieren zwischen Tod und Leben“ gewesen.1Kret, „Ein Tag in der Strafkompanie“, 43. Extrem hohe Todesraten sind vor allem für die Jahre 1940 bis 1942 dokumentiert.

Sinti und Roma

Wie viele Sinti und Roma in die Strafkompanie eingewiesen wurden, lässt sich aufgrund der Unvollständigkeit der Quellen nicht feststellen. Überliefert ist lediglich ein „Buch der Strafkompanie“, dessen Einträge für den Zeitraum vom 19. Juli 1943 bis zum 24. November 1944 zu entziffern sind.2Arolsen Archives, 1.1.2.1., Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, Liste von Insassen der Strafkompanie des Konzentrationslagers Auschwitz, März 1943 bis November 1944. Festgehalten wurden neben einer laufenden Nummer die Häftlingsnummern, der Tag der Einlieferung, Name, Vorname und Geburtsdatum, die verhängte Strafdauer und die Daten des tatsächlichen Verbleibs in der Strafkompanie. In einer weiteren Spalte finden sich Bemerkungen, entweder über den Vollzug der Strafe, den weiteren Verbleib des Häftlings oder ein Todesdatum. Insgesamt sind in dem Buch die Namen von 1 052 Häftlingen zu entziffern, von denen 17 zweimal in die Strafkompanie eingewiesen wurden.

Anhand dieser Quelle lassen sich 76 Sinti und Roma identifizieren, die in der Zeit vom 25. Juli 1943 bis zum 5. Juli 1944 mit einer Einweisung in die Strafkompanie bestraft worden sind. Einer von ihnen, Willy Ernst (1914–unbekannt), wurde zwei Mal in die Strafkompanie eingewiesen.3In der Literatur wird oftmals fälschlich angegeben, dass 77 Sinti und Roma in dem Buch der Strafkompanie verzeichnet seien. Weitere fünf Sinti und Roma wurden zudem am 6. Juni 1943 aus der Haft in Block 11 („Bunker“) des Stammlagers in die Strafkompanie überstellt. Ihre Namen sind in Band II des „Bunkerbuches“ verzeichnet.

Während es sich bei den so identifizierten 81 Häftlingen ausschließlich um Sinti oder Roma handelt, die im Zuge des „Auschwitz-Erlasses“ seit dem Frühjahr 1943 nach Auschwitz-Birkenau in den Lagerabschnitt BIIe eingewiesen wurden, sind diejenigen, die vor oder nach dem dokumentierten Zeitraum die Strafkompanie erleiden mussten, nach derzeitigem Stand nicht namentlich festzustellen. Die Anwesenheit vom Roma in der Strafkompanie schon zu einem früheren Zeitpunkt bezeugt beispielsweise der ehemalige polnische politische Häftling August Kowalczyk (1921–2012) mit folgenden Worten: „Damals [im Mai 1942] gab es in der Strafkompanie mehrere Zigeuner. Einer der Kapos hasste sie ganz besonders. Er nannte sie ‚N***r‘ und tötete sie, als wären sie Ratten.“4Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Bestand Berichte, Bd. 132, Nr. 50. Zit. nach Die Vernichtung der europäischen Roma im KL Auschwitz, 32.

Auswertung der Quellen

Bislang ist ein Zeugnis eines Sinto, der in die Strafkompanie eingewiesen wurde, bekannt. Dabei handelt sich um die Zeugenaussage von Willi Weiß (geb. 1924), die er im Rahmen des Prozesses gegen Ernst-August König (1919–1991) machte. Weiß erwähnte, dass er bestraft wurde, weil er einer Frau aus dem Fenster der Lagerküche ein paar Kartoffeln angereicht hatte. Weitere Details über seine sechswöchige Zeit in der Strafkompanie sind nicht überliefert, da sie von den Vernehmenden nicht erfragt wurden.5Bundesarchiv, B 165-40686, Zeugenvernehmung Willi Weiß, Frankenthal, 9.9.1986. Für den Hinweis danke ich Lara Raabe.

Da weitere Berichte von überlebenden Sinti und Roma über die Strafkompanie nicht bekannt sind, soll anhand der aus den genannten Quellen erhobenen Daten eine Annäherung an diese Opfergruppe erfolgen. Der Älteste unter den Sinti und Roma, der in die Strafkompanie eingewiesen wurde, war Wenzel Petruzilka, geboren im Jahr 1886 und von der Kriminalpolizei in Prag, Protektorat Böhmen und Mähren, nach Auschwitz eingewiesen. Er starb in der Strafkompanie am 14. Dezember 1943 im Alter von 57 Jahren. Der Jüngste unter den Sinti und Roma war Rigo Dombrowski, geboren 1927 in Königsberg. Auch er überlebte die Qualen in der Strafkompanie nicht: Er starb am 13. Juni 1944 im Alter von 17 Jahren.

Was die Nationalität der 81 Häftlinge anbelangt, so handelte es sich um einen Belgier, einen Franzosen, einen Staatenlosen, elf Österreicher, 20 Deutsche und 47 Männer aus Böhmen und Mähren. Die Einweisung in die Strafkompanie erfolgte für mehrere Wochen oder Monate, in der überwiegenden Zahl der Fälle jedoch für einen unbestimmten Zeitraum („bis auf weiteres“).

Die Mehrzahl der Sinti und Roma überlebte nicht. 36 starben noch in der Strafkompanie,6Die Namen und Todesdaten dieser Opfer sind abgedruckt bei Parcer und Grotum, „Die Analyse der erhaltenen Dokumente“, 220 f. sechs nach ihrer Entlassung im Lagerabschnitt BIIe. Während für weitere sieben Häftlinge nicht dokumentiert ist, was mit ihnen geschah, wurden 32 Männer, die zuvor in der Strafkompanie waren, nach ihrer Entlassung entweder im April oder August 1944 in das Konzentrationslager Buchenwald oder – was für zwei von ihnen zutrifft – in das Konzentrationslager Ravensbrück überstellt.

Festzuhalten bleibt, dass die Todesrate unter den Sinti und Roma in der Strafkompanie überproportional hoch war. Während die Todesrate aller in dem „Buch der Strafkompanie“ aufgeführten Häftlinge bei neun Prozent lag (95 Tote unter 1 052 Häftlingen),7Grotum und Jan Parcer, „EDV-gestützte Auswertung der Sterbeeinträge“, 233. lag sie bei Sinti und Roma bei 44 Prozent (36 Tote unter 81 Häftlingen). Auch bei den Erschießungen „auf der Flucht“ fällt auf, dass es sich bei allen drei Opfern, die während des Zeitraums, über den das Buch geführt wurde, auf diese Weise ermordet wurden, um Sinti oder Roma handelte.8Angabe über insgesamt drei in dem „Buch der Strafkompanie“ dokumentierte Fluchten in Ebd. Zu den Namen der Opfer siehe unten.

Unterdrückung von Widerstand

Das durchschnittliche Alter der in die Strafkompanie eingewiesenen Sinti und Roma lag bei 30,5 Jahren. Das heißt, es handelte sich um jüngere, aber bereits erfahrene Männer, die von den SS-Wachleuten als mögliche Unruhestifter oder gar als Bedrohung angesehen worden sein könnten. Zwei Einweisungen von größeren Gruppen lassen darauf schließen, dass die SS diese Sanktionsmöglichkeit nutzte, um Widerstand im Keim zu ersticken.

Am 27. November 1943 trafen 35 Sinti und Roma aus dem Protektorat Böhmen und Mähren in der Strafkompanie ein. Sie waren fast alle fünf Wochen zuvor, am 19. Oktober 1943, von der Kriminalpolizei in Prag nach Auschwitz-Birkenau, zwei von ihnen kurz darauf aus dem Zwangslager Hodonin bei Kunstadt eingeliefert worden. Kazimierz Smoleń (1920–2012) hielt über diese Einweisung fest, dass diese Gruppe „wegen geleisteten Widerstands“ in die Strafkompanie überstellt worden sei.9Smoleń, „Das Schicksal der Sinti und Roma im KL Auschwitz-Birkenau“, 163. Allerdings führt er nicht aus, auf welche Weise dieser Widerstand stattgefunden hatte. Es liegt jedoch nahe, dass die 35 Männer, die sich gut gekannt haben dürften, sich untereinander verständigten, um nach einem gemeinsamen Ausweg aus der bedrückenden Lage zu suchen. Diese Gruppe scheint in der Strafkompanie besonderer Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. 30 von ihnen überlebten die Zeit in der Strafkompanie nicht, darunter Franz Daniel (geb. 1911), Johann Daniel (geb. 1903) und Jaroslaw Herak (geb. 1915), die am 1. Februar 1944 „auf der Flucht erschossen“ wurden.

Eine weitere größere Gruppe bestehend aus 20 Sinti und Roma wurde am 13. Juni 1944 in die Strafkompanie eingewiesen. Hierbei handelte es sich um einen Franzosen, neun Österreicher und zehn Deutsche, ihr Durchschnittsalter lag bei 33 Jahren. Auch sie könnten aus dem Lagerabschnitt BIIe entfernt worden sein, um Widerstand zu verhindern. Anders als bei der Gruppe aus dem Protektorat, waren ihre Überlebenschancen deutlich besser. Sie waren nicht der kalten Witterung des Winters 1943/44 ausgesetzt, vor allem aber gelangten sie zu einer Zeit in die Strafkompanie, als die Selektion der noch „arbeitsfähigen“ Sinti und Roma zur Zwangsarbeit in andere Konzentrationslager beschlossen worden war. Bis auf Georg Greis (1903–1944), der in der Strafkompanie zu Tode gebracht wurde, und zwei Männer, deren Verbleib nicht geklärt werden konnte, wurden alle anderen Anfang August 1944 aus Auschwitz-Birkenau abtransportiert (17 nach Buchenwald, einer nach Ravensbrück). Ob sie die folgenden Monate bis zur Befreiung überlebten, ist – abgesehen von dem genannten Willi Weiß – derzeit nicht bekannt.

Notes

  • 1
    Kret, „Ein Tag in der Strafkompanie“, 43.
  • 2
    Arolsen Archives, 1.1.2.1., Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, Liste von Insassen der Strafkompanie des Konzentrationslagers Auschwitz, März 1943 bis November 1944.
  • 3
    In der Literatur wird oftmals fälschlich angegeben, dass 77 Sinti und Roma in dem Buch der Strafkompanie verzeichnet seien.
  • 4
    Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Bestand Berichte, Bd. 132, Nr. 50. Zit. nach Die Vernichtung der europäischen Roma im KL Auschwitz, 32.
  • 5
    Bundesarchiv, B 165-40686, Zeugenvernehmung Willi Weiß, Frankenthal, 9.9.1986. Für den Hinweis danke ich Lara Raabe.
  • 6
    Die Namen und Todesdaten dieser Opfer sind abgedruckt bei Parcer und Grotum, „Die Analyse der erhaltenen Dokumente“, 220 f.
  • 7
    Grotum und Jan Parcer, „EDV-gestützte Auswertung der Sterbeeinträge“, 233.
  • 8
    Angabe über insgesamt drei in dem „Buch der Strafkompanie“ dokumentierte Fluchten in Ebd. Zu den Namen der Opfer siehe unten.
  • 9
    Smoleń, „Das Schicksal der Sinti und Roma im KL Auschwitz-Birkenau“, 163.

Citation

Karola Fings: Auschwitz (Strafkompanie), in: Encyclopaedia of the Nazi Genocide of the Sinti and Roma in Europe. Ed. by Karola Fings, Research Centre on Antigypsyism at Heidelberg University, Heidelberg 4 December 2025.-

1943
26 February 1943The first Sinti and Roma are deported to the Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp (German-annexed Poland) in Camp Section BIIe on the basis of the ‘Auschwitz Decree’. From 1 March 1943, further deportation trains with Sinti and Roma arrive almost daily. By the end of the month, 12,259 men, women and children are already registered in the ‘General ledger of the Gypsy camp’.
27 November 194335 Sinti and Roma from the Protectorate of Bohemia and Moravia (German-occupied Czech lands) are sent to the ‚penal company‘ of the Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp (German-annexed Poland) for acts of resistance. Thirty of them do not survive; these include Franz Daniel and Johann Daniel, who are ‘shot while attempting to escape‘ on 1 February 1944.