Stevo Karoli, auch Caroli geschrieben, wurde am 26. August 1925 als Sohn des norwegischen Paares Joseph Karoli (1890–unbekannt) und Elisabeth Warsha (1895–1944) in Metz, Frankreich, geboren. Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Korbflechter und Pferdehändler in Belgien und Nordfrankreich.
Am 21. August 1941 forderte die belgische Fremdenpolizei Stevo Karoli auf, sich in einem Staatsgefängnis zu melden, um sich fotografieren und daktyloskopieren zu lassen. Diese polizeiliche Praxis war damals der Identifizierung und Registrierung von Kriminellen vorbehalten, galt aber auch für ‚Zigeuner‘, die kollektiv mit Straftätern oder Spionen gleichgesetzt wurden. Darüber hinaus erhielt Karoli den Befehl, Belgien zu verlassen, da die belgischen Küstengebiete für Fahrende grundsätzlich gesperrt worden waren. Stevo Karoli widersetzte sich dieser Auflage und entzog sich zudem regelmäßig den Kontrollen der Behörden.
Am 1. Juli 1942 stellte die belgische Gendarmerie fest, dass Stevo Karoli versucht hatte, sich sowohl in Damprémy (Hennegau, Belgien) als auch in Jodoigne (Wallonisch-Brabant, Belgien) Versorgungsgutscheine zu beschaffen. Daraufhin wurde seine ‚Zigeunerkarte‘, die auch als Lebensmittelkarte diente, beschlagnahmt. Dies war kein Einzelfall. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit entzog vielen Betroffenen die Lebensgrundlage, und auch die Rationierung von Lebensmitteln, deren Ausgabe an einen festen Wohnort gebunden war, erschwerte das tägliche Überleben. Zwar nahmen die belgischen Behörden regelmäßig Personen wegen des Betrugs mit Rationsmarken fest, juristisch verfolgt wurden diese Fälle aber nur selten. So erhielt Stevo Karoli am 10. Juli 1942 eine neue ‚Zigeunerkarte‘, ohne dass weitere Konsequenzen folgten.
Mitte Januar 1944 wurden 19 Angehörige von Stevo Karoli im ‚Transport Z‘ in das Konzentrations– und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Er selbst wurde wenige Wochen später, am 3. März, in Brüssel mit einem gefälschten Personalausweis, der auf den Namen Eduard Cogai ausgestellt war, verhaftet. Die deutsche Kriminalpolizei (Kripo), Abteilung V der Sicherheitspolizei (SIPO-SD), verdächtigte ihn „antideutscher Aktivitäten“. Noch am selben Tag wurde der junge Mann in die deutsche Abteilung des Gefängnisses von Saint-Gilles eingewiesen. Am 26. April 1944 schloss die Kripo ihre Ermittlungen ab: Bei Eduard Cogai und Stevo Caroli handele es sich um ein und dieselbe Person, die zu „100 % der Zigeuner-Rasse“ angehöre.
Am 10. Mai 1944 befahl der Kommandant des Kriegswehrmachtgefängnisses Saint-Gilles in Brüssel, seine Deportation so schnell wie möglich durchzuführen. Am 15. Mai wurde er in das ‚SS-Sammellager‘ in der Kaserne Dossin in Mechelen gebracht und vier Tage später im ‚Transport XXV‘ gemeinsam mit 508 Juden:Jüdinnen deportiert. Als ‚Zigeuner‘ wurde er auf einem separaten Blatt registriert, auf dem nur sein Name stand.
Nach seiner Ankunft in Auschwitz-Birkenau wurde Stevo Caroli in den Lagerbereich BIIe eingewiesen, wo er seinen Bruder Zolo Karoli (1921–1945) wiedertraf. Zusammen mit anderen als „arbeitsfähig“ eingestuften Roma und Sinti wurden beide in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt, wo sie am 3. August 1944 eintrafen. Das Lager war überfüllt und die Neuankömmlinge wurden in Zelte gepfercht. Zolo Karoli blieb aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands in Buchenwald, wo er im April 1945, zwei Tage vor der Ankunft der amerikanischen Truppen, starb.
Stevo Karoli überlebte die Lager Mittelbau-Dora, das Außenlager Ellrich-Juliushütte und das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Nachdem er Anfang April 1945 von britischen Truppen befreit worden war, kehrte er am 27. April mit einem Lastwagen nach Belgien zurück. Am 19. Mai 1945 holte er seine neue ‚Zigeunerkarte‘ bei den belgischen Behörden ab, die umgehend seine Fingerabdrücke überprüften. Im Juni 1945 beantragte Stevo Karoli die Anerkennung als politischer Deportierter und eine entsprechende Entschädigung. Die Fremdenpolizei erklärte jedoch, dass sie „nicht bestätigen kann, wann, wie oder wo der Nomade Karoli, Stevo, geboren am 26. August 1925 in Metz, von den Deutschen festgenommen wurde“.1Archives générales du Royaume (AGR), Police des Étrangers, Dossier n° 7.400.971 – Caroli Steven, 26/08/1925, Metz, doc. n° 22, Note du 3e bureau, Bruxelles, 6 juin 1945. Als aus rassischen Gründen Verfolgter habe er keinen Anspruch auf eine Entschädigung, zumal die Behörden seine Nationalität nicht feststellen könnten. Die Kriterien der Zulassungsausschüsse für eine Anerkennung verlangten, dass die Verhaftung durch eine „selbstlose patriotische Aktivität“ verursacht worden war. Eine Festnahme aus rassistischen oder religiösen Gründen wurde in dem Gesetz vom 26. Februar 1947 nicht berücksichtigt.
Nach dem Krieg ließ sich Stevo Karoli in Belgien nieder. Dennoch hegten die Behörden ihm gegenüber weiterhin großes Misstrauen. Mehrmals zwangen ihn die belgischen Polizeibehörden, sich zum Fotografieren und Daktyloskopieren zu melden. Auch beim Grenzübertritt kam es immer wieder zu Problemen, da Stevo Karolis Nationalität ungeklärt blieb. Es ist nicht bekannt, wann und wo Stevo Karoli starb. Seine Akte bei der Fremdenpolizei wurde 1948 geschlossen.
In den letzten Jahren hat die Geschichte der Familie Karoli in Norwegen einige Aufmerksamkeit erfahren, und es wurde damit begonnen, die Geschichte der 66 deportierten norwegischen Rom:nja intensiver aufzuarbeiten.