Serbien

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  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 26. Juli 2025

Serbien ist ein Land in Südosteuropa mit Belgrad als Hauptstadt. Zwischen dem achten und dem dreizehnten Jahrhundert entwickelte sich Serbien von einem Fürstentum zu einem Königreich. Von 1540 bis 1878 war Serbien Teil des Osmanischen Reiches. Aus den Balkankriegen 1912–1913 ging Serbien siegreich hervor und konnte sein Territorium erweitern.

Nach dem Ersten Weltkrieg schloss es sich mit seinen Nachbarstaaten zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen zusammen (seit 1929 Königreich Jugoslawien). Während der deutschen Besatzung Serbiens im Zweiten Weltkrieg waren Rom:nja rassistischen Gesetzen unterworfen. Viele wurden in Konzentrationslager deportiert und Tausende fielen den berüchtigten „Geiselmorden“ zum Opfer.

Roma in Serbien vom Mittelalter bis ins zwanzigste Jahrhundert

Die vorhandene Forschung und Literatur reicht noch nicht aus, um den Hintergrund, die Migrationsbewegungen und den Prozess der Ansiedlung von Rom:nja auf dem Balkan und in Serbien genau zu beleuchten. Die älteste dokumentierte Erwähnung von Rom:nja in Serbien stammt aus den Jahren 1467/68. Die Anwesenheit christlicher Rom:nja in Serbien, wie sie in späteren osmanischen Aufzeichnungen und Volkszählungen dokumentiert ist, deutet jedoch darauf hin, dass diese bereits vor der Zeit der osmanischen Herrschaft dort gelebt haben müssen.

Die osmanische Herrschaft begann im vierzehnten Jahrhundert und ist eng mit dem Auftauchen neuer und größerer Gruppen von Rom:nja in Serbien verbunden. Rom:nja lebten in verschiedenen Regionen Serbiens, wobei sich die verschiedenen Gruppen hauptsächlich durch ihre Religionszugehörigkeit unterschieden. Bei der Volkszählung von 1522 wurden im europäischen Teil des Osmanischen Reiches (Rumelien) 17 191 romani Haushalte registriert.1Acković, Romi u Beogradu; Vukanović, Romi (Cigani) u Jugoslaviji; Zirojević, “Cigani u Srbiji”; Vukanović, “The Gypsy Population”.

Unter osmanischer Herrschaft scheint die Haltung der Institutionen gegenüber Rom:nja relativ tolerant gewesen zu sein – es sind keine Hinweise auf Verfolgung oder auf Bedrohung ihrer ethnischen und kulturellen Identität bekannt; rechtlich gesehen waren sie theoretisch gleichgestellt und geschützt.

Die gesellschaftliche Realität war jedoch eine andere: Rom:nja wurden stets als anders betrachtet, diskriminiert und ausgegrenzt. Berichten zufolge war es muslimischen Rom:nja nicht gestattet, muslimische Gebetsstätten oder Friedhöfe zu benutzen, und sie wurden in Verwaltungsunterlagen getrennt von anderen Muslim:innen erfasst.

Die Tatsache, dass ihr Status in administrativen Angelegenheiten auf ihrer ethnischen statt ihrer religiösen Zugehörigkeit beruhte, führte zu einer unterschiedlichen Besteuerung von muslimischen und orthodoxen Rom:nja: Beide Gruppen zahlten die Steuer für Nichtgläubige [haraç], die muslimischen Rom:nja jedoch etwas weniger. Nur in Einzelfällen, wenn muslimische Rom:nja nachweisen konnten, dass sie ihre religiösen Pflichten regelmäßig erfüllten, konnten sie von dieser Steuer befreit werden.

Zu Steuerzwecken wurden alle nicht sesshaften und viele sesshafte“ Rom:nja in speziellen Listen registriert. Um die Erhebung der Steuer sicherzustellen, wurde innerhalb kleinerer Gemeinschaften von Rom:nja eine Person zum „Ältesten“ [ceribaša] ernannt, der die Gruppe gegenüber dem Steuereintreiber vertrat und darüber hinaus weitreichende administrative und sogar gerichtliche Befugnisse über die jeweilige Gemeinschaft hatte.

Nach der Befreiung Serbiens von der osmanischen Herrschaft erhielten die Ältesten den Namen „knez“, der später in „kmet“ [Anführer] geändert wurde.2Janković, “Pravni status Roma”, 298–301, 304, 308. Diese Institution blieb bis in die Zwischenkriegszeit und sogar während der Zeit der deutschen Besatzung bestehen, wobei die Ältesten von den deutschen Besatzern ebenfalls als Vermittler eingesetzt wurden.

Nach dem zweiten Serbischen Aufstand 1815 wurde versucht, „nicht-sesshafte“ Rom:nja (freiwillig) „sesshaft“ zu machen und sie aus dem osmanischen Steuersystem in das allgemeine serbische Steuersystem zu überführen. Dies sollte mittels einer Reform von 1839 geschehen, in deren Rahmen Rom:nja staatliches Land zur Ansiedlung erhalten sollten.3Ibid., 303, 313.

In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts begannen serbische Rom:nja im Geiste der jugoslawischen Nationenbildung ihre eigenen Organisationen zu gründen. Im Jahr 1927 wurde die „Erste serbisch-zigeunerische Vereinigung für gegenseitige Hilfe in Krankheit und Tod“ [Prva Srpsko-Ciganska Zadruga za uzajamno pomaganje u bolesti i smrti] als humanitäre und kulturelle Vereinigung gegründet.

1935 wurde die Zeitung Romano Lil/Ciganske Novine [Roma-Bote/Zigeuner-Zeitung] ins Leben gerufen, die von Svetozar Simić (1913–1979), Rom, Anwalt und Aktivist, drei Monate lang herausgegeben wurde. Im selben Jahr wurde in Belgrad der „Roma Verein der Anbeter von Bibija-Tetkica“ [Udruženje beogradskih Cigana svečara Bibije (Tetkice)] registriert, dessen Ziel es war, traditionelle Festlichkeiten der Rom:nja zu bewahren.

In Niš gründeten muslimische Rom:nja 1925 den Gesangsverein „Harmonie“ [Muslimanske pevačke družine ‚Sloga‘], sowie die „Vereinigung aller am Stočni Trg in Niš lebenden Muslime zur gegenseitigen Hilfe im Todesfall“ [Udruženje svih Muslimana živećih u Nišu na Stočnom Trgu za uzajamnu pomoć na slučaju smrti] 1929 und den Sportverein „Gajret“ 1930.

Diese Initiativen deuten darauf hin, dass Rom:nja in der Zwischenkriegszeit eine gewisse etablierte soziale Stellung innehatten, die ein Katalysator für weiteren kollektiven Wohlstand hätte sein können, wenn diese Entwicklungen nicht durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs jäh beendet worden wären.

Sowohl die methodischen Unzulänglichkeiten der Volkszählungen als auch Fragen der Selbstidentifizierung von Rom:nja machen es unmöglich, die genaue Zahl der vor dem Zweiten Weltkrieg in Serbien lebenden Rom:nja zu ermitteln. Nach der Volkszählung von 1921 lebten 16 674 Rom:nja in Nordserbien, 14 489 in Südserbien (einschließlich Kosovo und Mazedonien) und 3 756 in der Vojvodina (offiziell Provinz Banat, Bačka und Baranja).

Nach der Volkszählung von 1931 lebten 8 919 Roma in der Banschaft Morava, 491 in der Banschaft Vrbas, 24 494 in der Banschaft Vardar und 6 537 in der Banschaft Zeta, die zusammen in etwa das Gebiet Serbiens vor der administrativen Neuordnung von 1929 ausmachten.4Vojak, U predvečerje rata, 69; Publikationsstelle Wien, Die Gliederung, 16, 18–20. Die Auswahl der Kriterien, die bei den Volkszählungen zur Kategorisierung der Staatsbürger:innen verwendet wurden, diente immer politischen Zielen (wie beispielsweise der Betonung einer einheitlichen jugoslawischen Identität), was die Genauigkeit der Zählungen erheblich beeinträchtigte.5Greble, Muslims, 167.

Serbien unter deutscher Besatzung

Nach dem Einmarsch der Achsenmächte in Jugoslawien im April 1941 wurde das Gebiet des heutigen Serbiens in mehrere Besatzungszonen aufgeteilt. Die nördliche Bačka-Region mit den Städten Novi Sad, Subotica und Sombor wurde von Ungarn annektiert, während die nordwestliche Region Srem in den Unabhängigen Staat Kroatien eingegliedert wurde.

Im Banat an der Grenze zu Rumänien errichtete die dortige deutsche Bevölkerung ein eigenes autonomes Verwaltungssystem, doch formal blieb die Region unter dem von der deutschen Besatzungsmacht in Belgrad eingerichteten Militärgouvernement, das Mittel-, West- und Ostserbien sowie den nördlichen Teil des Kosovo umfasste. Die Stadt Pirot und ein kleiner Teil Südostserbiens wurden mit deutscher Genehmigung von Bulgarien besetzt.

Obwohl es im Laufe der Besatzung zu einigen territorialen Veränderungen kam, wie zum Beispiel der Ausweitung des bulgarischen Einflussbereichs und dem Einzug deutscher Truppen in die Bačka-Region im Jahr 1944 als Folge der deutschen Besetzung Ungarns, blieben die eingeführten Rechtssysteme und insbesondere die rassistischen Maßnahmen gegen Rom:nja offiziell bis zum Kriegsende in allen Teilen der deutschen Besatzungszone in Kraft.

Deutsche Verwaltung und serbische Kollaborationsregierung

In Zentralserbien errichtete die deutsche Besatzungsmacht bereits im April 1941 ein militärisches Besatzungssystem, an dessen Spitze der Militärische Befehlshaber in Serbien stand. Diese Position hatte bis zum 31. Mai 1941 General Helmuth Förster (1889–1965) inne. Ihm folgten General Ludwig von Schröder (1884–1941) und General Heinrich Danckelmann (1887–1947), der vom 29. Juli bis 20. Oktober 1941 im Amt war.

Mitte September 1941 wurde angesichts der Notwendigkeit, den aufflammenden Partisanenaufstand zu unterdrücken, das Amt des Bevollmächtigten Kommandierenden Generals in Serbien geschaffen, der ab Oktober 1941 an die Stelle des Militärbefehlshabers trat. General Franz Böhme (1885–1947) wurde am 16. September in dieses Amt berufen, auf ihn folgte General Paul Bader (1883–1971), der vom 6. Dezember bis zum 2. Februar 1942 als Militärbefehlshaber fungierte.

Während des ersten Jahres der Besatzung waren dem Militärischen Befehlshaber zwei Stäbe unterstellt: Der Kommandostab unter der Leitung von Oberstleutnant Erich Gravenhorst (Lebensdaten nicht bekannt) war mit operativen Aufgaben betraut, während der Verwaltungsstab unter der Leitung von SS-Gruppenführer Harald Turner (1891–1947) mit administrativen Aufgaben betraut war. Turner beaufsichtigte und unterwies die vier Feldkommandanturen, die in neun Kreiskommandanturen unterteilt waren. Im November 1942 wurde Turner durch Dr. Egon Bönner (1901–1981) ersetzt und im Januar 1943 wurde der Verwaltungsstab zu einer Verwaltungsabteilung herabgestuft und dem Kommandostab unterstellt.

Die Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes für Serbien unter dem Kommando von SS-Oberführer Wilhelm Fuchs (1898–1947) verfügte innerhalb ihrer Abteilung IV (Gestapo) über ein Judenreferat, das SS-Untersturmführer Fritz Stracke (Lebensdaten nicht bekannt) leitete.

Diese Einsatzgruppe war offiziell Turner unterstellt, erhielt aber gleichzeitig auch Befehle vom Reichssicherheitshauptamt in Berlin. Eine solche Verästelung der Befehlskette war typisch für das deutsche Besatzungssystem in Serbien und führte nicht selten zu Unklarheiten und Machtkämpfen zwischen den verschiedenen Positionen und Institutionen.

Eine wesentliche Änderung trat Anfang 1942 ein, als der Polizeiapparat in Serbien reorganisiert und das Amt des Höheren SS- und Polizeiführers eingeführt wurde. Mit diesem Amt wurde der SS-Gruppenführer August Meyszner (1886–1947) betraut, der als Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes dem SS-Standartenführer Emanuel Schäfer (1900–1974) unterstellt war. Von diesem Zeitpunkt an war die Macht von Turner, der bis dahin einer der Hauptbefürworter und die treibende Kraft hinter der Politik der Verfolgung von Juden:Jüdinnen und Rom:nja im besetzten Serbien gewesen war, stark eingeschränkt. Bereits im Dezember 1941, nach der Abreise von General Böhme, wurde der Militärverwaltung und der Sicherheitspolizei die Aufgabe der Erschießung von „Geiseln“ übertragen.

Parallel zur Organisation des militärischen Besatzungssystems beschlossen die deutschen Besatzer, eine serbische Zivilregierung zu etablieren, die sich ausschließlich mit internen Verwaltungsangelegenheiten befassen sollte. Ende April 1941 wurde die sogenannte kommissarische Regierung [Komesarska vlada] unter der Leitung von Milan Aćimović (1898–1945) eingesetzt, die jedoch bereits im August desselben Jahres durch die Regierung der nationalen Rettung [Vlada narodnog spasa] unter General Milan Nedić (1877–1946) abgelöst wurde.

Die wichtigste Abteilung der serbischen Verwaltung war die Spezialpolizei, die in sieben Abteilungen unterteilt war. Jovan („Joca“) Nikolić (geboren 1907) leitete die Abteilung für „jüdische Angelegenheiten“. Diese wurde anfangs als „Polizei für Juden bezeichnet, aber in „Abteilung für Juden und Zigeuner [Odsek za Jevreje i Cigane] umbenannt, als sie in die Organisationsstruktur der Abteilung der Spezialpolizei eingegliedert wurde. Die Abteilung wurde von einem Beauftragten der Abteilung IV B4 der Gestapo geleitet: erst von Otto Vincent (geboren 1913), ab dem im Frühsommer 1941 dann von Egon Sabukoschek (1918–1995).

Rassengesetze gegen Juden:Jüdinnen und Rom:nja

Zwischen Mitte April und Mitte Juli 1941 verabschiedeten die deutschen Besatzungsbehörden gegen Juden:Jüdinnen und Rom:nja gerichtete Gesetze und richteten die zur Kontrolle der beiden Minderheiten notwendigen Polizeiorgane ein. Damit schufen sie die Grundlage für deren Trennung vom Rest der serbischen Bevölkerung und die Voraussetzungen für eine umfassende Kontrolle aller Lebensbereiche.

Zwischen dem 20. und 22. Mai wurden die ersten Maßnahmen ergriffen, mit denen Rom:nja die gleichen Beschränkungen wie Juden:Jüdinnen auferlegt wurden: Durch die Verordnung über die Presse [Uredba o štampi], die Verordnung über die Theaterleitung [Uredba o vođenju pozorišta], die Verordnung über Kinos [Uredba o radu bioskopa] und die Verordnung über Kabaretts und Varietés [Uredba o kabaretima i varietetima] wurden Rom:nja von allen Aktivitäten im Zusammenhang mit Medien, Unterhaltung und kultureller Produktion ausgeschlossen.

Am 30. Mai 1941 erließ der Militärkommandant in Serbien die „Verordnung betreffend die Juden und Zigeuner“ [Naredba koja se odnosi na Jevreje i Cigane]. Von nun an sollten Rom:nja wie Juden:Jüdinnen behandelt, allerdings separat registriert werden. Die Verordnung definierte solche Personen als „Zigeuner“, die mindestens drei „Zigeuner-Großeltern“ hatten; „Zigeuner-Mischlinge“, die mit „Zigeunern“ verheiratet waren, galten ebenfalls als „Zigeuner“. In Anlehnung an die Regelungen für Juden:Jüdinnen wurde Rom:nja befohlen, gelbe Armbinden mit der Aufschrift „Zigeuner“ zu tragen.

Weiterhin wurde ihnen untersagt, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und sich an öffentlichen Plätzen aufzuhalten sowie als Rechtsanwält:innen, Ärzt:innen, Tierärzt:innen, Apotheker:innen, Lehrer:innen und in anderen Berufen zu arbeiten. Die serbische Spezialpolizei war mit der Überwachung der Durchsetzung und Einhaltung der Verordnung beauftragt.

Nach Inkrafttreten dieser Verordnung fand in ganz Serbien die Registrierung der jüdischen Bevölkerung und aller Rom:nja statt. Bis Mitte Juli 1941 wurden allein in Belgrad 3 050 Rom:nja registriert; die Zeitung „Novo Vreme“ veröffentlichte die Daten mehrerer anderer Städte, wie Leskovac, wo 1 500 Rom:nja registriert wurden, Obrenovac (652 Rom:nja) und Požarevac (1 943 Rom:nja).

Am 11. Juli 1941 schrieb der stellvertretende Chef der Militärverwaltung Georg Kießel (1907–1950) an den kommissarischen Leiter des Innenministeriums. Im Auftrag des Militärbefehlshabers in Serbien ordnete er eine Änderung der „Verordnung betreffend die Juden und Zigeuner“ vom 30. Mai an. Kießel schlug vor, dass von nun an „serbische Staatsbürger zigeunerischer Abstammung“, die nachweisen konnten, dass sie einen angesehenen Beruf ausübten und ein geregeltes Leben führten, und deren Vorfahren nachweislich seit mindestens 1850 ansässig waren, vorerst nicht von den Bestimmungen der Verordnung betroffen sein sollten.6Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA), Gesandtschaft Belgrad, AZ Pol 3 Nr. 4c, Paket 62/6: Korrespondenz zwischen dem kroatischen Außenministerium, der deutschen Botschaft in Zagreb, dem Auswärtigen Amt in Belgrad und dem Militärkommandanten in Serbien.

Es ist nicht abschließend geklärt, auf Grundlage welcher Überlegungen die Änderung der Verordnung beschlossen wurde. Aus der kurzen Erklärung, mit der die Änderung angeordnet wurde („Zur Beseitigung gewisser Härten, die in Durchführung meiner Verordnung betreffend die Juden und Zigeuner vom 30.5.1941 […] entstanden sind […]“), kann jedoch geschlossen werden, dass es teilweise Widerstand gegen die Umsetzung oder Bitten um Klarstellung gegeben haben muss.

Ein Beispiel für einen solchen Einspruch ist der Fall des Reis-ul-Ulema (Großmufti von Jugoslawien) in Sarajevo und des Imams von Višegrad, dessen Zuständigkeitsbereich die in Serbien lebenden Muslim:innen einschloss. In einem „Promemoria“ an die deutsche Botschaft in Zagreb vom 19. Juni 1941 forderte das Außenministerium des Unabhängigen Staates Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska, NDH) im Namen der muslimischen Religionsgemeinschaft, dass die in Serbien lebenden Rom:nja muslimischen Glaubens aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Arierund nicht als „Zigeuner“ betrachtet und behandelt werden sollten.

Vermutlich lagen die Motive für eine solche Intervention in der besonderen sozialen Stellung der so genannten „Weissen Zigeuner“, also der in Bosnien und Herzegowina ansässigen und in den meisten Fällen in hohem Maße assimilierten muslimischen Rom:nja. Die wohlwollende Haltung der muslimischen Behörden ihnen gegenüber scheint angesichts ihrer Verfolgung durch die deutschen Besatzer auf die in Serbien lebenden muslimischen Rom:nja ausgeweitet worden zu sein.

Ein weiteres Beispiel ist ein Brief vom 5. Juni 1941 an den Belgrader Bürgermeister Dragomir „Dragi“ Jovanović (1902–1946), der von 26 Roma aus Belgrad unterzeichnet wurde. Dieser zeigt außerdem Handlungsspielräume von Rom:nja auf und gewährt Einblicke in Binnendifferenzierungen in Bezug auf Klassenzugehörigkeit und Selbstidentifikation der Belgrader Rom:nja. In dem Brief berufen sich die Unterzeichnenden darauf, dass sie seit Generationen ansässig seien, auf ihr serbisches Nationalgefühl sowie auf ihre militärischen und steuerlichen Beiträge für die serbische Nation und den serbischen Staat. Auf dieser Grundlage bitten sie den Bürgermeister, die Verordnung vom 30. Mai abzuändern, um als seit Generationen in Belgrad ansässige Rom:nja nicht mit „Juden“ gleichgesetzt zu werden. Außerdem bitten sie darum, wieder im Kulturbereich tätig sein zu dürfen, und fordern, als „Alteingesessene“ nicht mit jenen „Zigeunern“ gleichgesetzt zu werden, die erst kürzlich in Belgrad eingetroffen seien und angeblich nur „betteln und stehlen“ würden.7Brief in serbischer Sprache, veröffentlicht in Acković, Romi u Beogradu, 251. Die deutsche Fassung des Briefes ist zu finden unter: Istorijski arhiv Beograda (IAB), OGB, b. 590: „An den Herrn Polizeipräsident der Stadt Belgrad“.

Es ist nicht bekannt, ob dieser Appell letztlich für die Unterzeichnenden und ihre Familien erfolgreich war und wie vielen serbischen Rom:nja es gelang, die Bedingungen der Verordnung vom 11. Juli zu erfüllen und damit rassistischer Verfolgung und Diskriminierung zu entgehen. Nichtsdestotrotz ist es wahrscheinlich, dass diese und ähnliche Interventionen zu der oben erwähnten Änderung der Politik der deutschen Besatzungsbehörden gegenüber den Rom:nja führten.

Massenverhaftungen und Erschießungen von „Geiseln“

Im September 1941 wurden im Dorf Meljak in der Nähe von Belgrad erstmals Gruppen von Roma verhaftet, denen vorgeworfen wurde, Partisanen zu unterstützen. Sie wurden in das Konzentrationslager Banjica gebracht und einige Tage später zusammen mit anderen politischen Gefangenen des Lagers erschossen.

Die Verhaftungen waren Teil einer Entwicklung der deutschen Besatzungspolitik, die erstmals in einem Brief Turners vom 21. September 1941 formuliert wurde. Als Reaktion auf die von Turner beschriebene akute Bedrohungslage für die deutschen Kriegsziele in Serbien schlug er darin nicht nur die Verhaftung von Serb:innen vor, die der Unterstützung von Aufständischen beschuldigt wurden, sondern auch die Verhaftung aller „Juden“ und aller „Zigeuner“.8Staatsarchiv Nürnberg, NOKW-892, Harald Turner, Lagebericht, 21. September 1941, S. 5: „Ebenso wäre die schon eingeleitete Inhaftierung sämtlicher Juden in verschärfter Form durchzuführen und zugleich die Inhaftierung der Zigeuner.“

Infolgedessen nahmen im Oktober die Verhaftungen, Internierungen und Erschießungen von Rom:nja als ein Teil der repressiven Maßnahmen, die die Besatzer gegen die Zivilbevölkerung mit dem Ziel der Niederschlagung des Partisanenwiderstands ergriffen, drastisch zu.

Am 4. Oktober 1941 führte der Generalbevollmächtigte Böhme als Reaktion auf den unerwartet heftigen Widerstand der Partisan:innen eine Quote ein, nach der für jeden getöteten Deutschen 100 „serbische Gefangene“ und für jeden verwundeten Deutschen 50 erschossen werden sollten. Anfangs wurden vor allem Kommunist:innen erschossen, die bereits in Konzentrationslagern inhaftiert waren. Bereits am 10. Oktober ordnete Böhme jedoch an, dass „umgehend alle Kommunisten, als solche verdächtigen männlichen Einwohner, sämtliche Juden, eine bestimmte Anzahl nationalistischer und demokratisch gesinnter Einwohner“ als „Geiseln“ festzunehmen seien.9Bundesarchiv, RH 24-18/213, Anl. 48, Bl. 163–166, Befehl (Nr. 2848/41 geh.) des Bevollm. Kommandierenden Generals in Serbien, gez. Böhme, in: Heim et al., VEJ 14, 381. Während die Erschießungen zuvor durch die von Turner befehligte Hilfspolizei durchgeführt worden waren, war es nun die Wehrmacht – und theoretisch speziell diejenigen Einheiten, die die Verluste erlitten hatten –, welche die Massenerschießungen organisierte und durchführte.

Roma werden am 9. Oktober zum ersten Mal in der Korrespondenz über Vergeltungserschießungen erwähnt. Hier meldet die Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, dass 2 200 „Geiseln“ – „805 Juden und Zigeuner aus dem Lager in Šabac und der Rest aus dem Konzentrationslager Topovske Šupe in Belgrad – als Vergeltung für die Ermordung von 22 deutschen Soldaten in der Nähe der Stadt Topola am 2. Oktober erschossen werden sollten.10Manoschek, „Serbien ist judenfrei“, 91.

Am 21. Oktober wurden 2 300 männliche Einheimische (hauptsächlich Serben und Juden) sowie mindestens 250 Roma aus der Stadt Kragujevac und ihrer Umgebung als Vergeltung für einen weiteren tödlichen Partisanenangriff auf deutsche Einheiten erschossen. Am 26. Oktober forderte Turner in einem Rundschreiben alle Feld- und Bezirkskommandos dazu auf, männliche Juden und Roma für Vergeltungserschießungen zur Verfügung zu stellen. Als Begründung führte er an, „dass Juden und Zigeuner ganz allgemein ein Element der Unsicherheit und damit Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen“.11Staatsarchiv Nürnberg, NOKW-802, Harald Turner, Rundschreiben an alle Feld- und Bezirkskommandos im besetzten Serbien betreffend Juden und Zigeuner, 26. Oktober 1941.

In den folgenden Tagen begann die Operation zur Verhaftung der männlichen Roma aus Belgrad. Nach Schätzungen der Staatlichen Kommission zur Feststellung von Verbrechen der Besatzer und ihrer Helfer wurden etwa 1 000 Belgrader Roma verhaftet und in das Lager Topovske Šupe gebracht, von wo aus sie einige Tage später nach Jabuka, einem Dorf in der Nähe der Stadt Pančevo, gebracht und dort von Wehrmachteinheiten erschossen wurden.

Weitere sog. „Sühneerschießungen“ von Roma fanden im Dezember 1941 in Leskovac und in den Jahren 1942 und 1943 im nahe gelegenen Niš statt, wobei die meisten Todesopfer unter den Roma dort im Februar 1943 zu beklagen waren. Der Bezirk Niš war jedoch eine der Regionen, in der ein relativ hoher Anteil der männlichen Roma überlebte. Der Grund dafür liegt vermutlich in ihrem Einsatz als Zwangsarbeiter.

Aus Entschädigungsakten und anderen Quellen geht hervor, dass viele Roma (Männer und Jungen) entweder vor Ort unter Zwang zum Arbeitseinsatz rekrutiert wurden, oder als Zwangsarbeiter in die Bor-Minen und nach Bulgarien sowie in Lager und Fabriken in Deutschland deportiert wurden. Viele von ihnen kehrten nach dem Krieg in ihre Heimatstädte zurück.

Weitere Massenerschießungen von Roma durch die deutschen Besatzer an anderen Orten in Serbien sind bisher nicht auf Grundlage historischer Quellen belegt, aber die Forschungen zu diesem Thema sind noch nicht abgeschlossen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele Roma den allgemeinen Anti-Partisanenaktionen und Vergeltungsmaßnahmen in ganz Serbien zum Opfer fielen. Bei diesen wurde zwar nicht systematisch vorgegangen, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass das antiziganistische Stereotyp, Roma seien unzuverlässig und opportunistisch und arbeiteten deshalb häufig als Spion:innen oder Unterstützer:innen von Partisaneneinheiten, dazu führte, dass sie häufiger Ziel solcher Vergeltungsaktionen wurden.

Darüber hinaus verübten kollaborierende Četniks von Dragoljub „Draža“ Mihailović (1893–1946) Verbrechen an muslimischen Roma im Rahmen der Massaker, die 1943 in den südwestlichen Teilen Serbiens (Sandžak) an der muslimischen Bevölkerung verübt wurden. Die Vergeltungspolitik der Besatzer führte zur Vernichtung von fast der gesamten männlichen jüdischen Bevölkerung Serbiens sowie zum Tod von etwa 2 500 männlichen Roma und Tausenden serbischen Zivilisten.

Konzentrationslager Sajmište

Am 5. Dezember 1941 schlug General Böhme die Konzentration der verbleibenden jüdischen Bevölkerung und der Rom:nja im besetzten Serbien vor, da beiden Gruppen, so Böhme, nachrichtendienstliche Aktivitäten für die Aufständischen nachgewiesen worden seien. Der Bericht enthielt auch die Begründung für die Aufschiebung einer geplanten Deportation von „Frauen und Kindern der Aufständischen“ in das Banat.12Zbornik NOR, tom. I, Bd. 1, Dokument Nr. 276, 624–625. Vermutlich als Folge dieses Berichts wurden die im besetzten Serbien verbliebenen Juden:Jüdinnen, vor allem Frauen und Kinder, zwischen dem 8. und 12. Dezember in das Konzentrationslager Sajmište („Judenlager Semlin) verschleppt.

Zur gleichen Zeit wurden etwa 600 romani Frauen und Kinder aus Belgrad und den umliegenden Dörfern von serbischen Gendarmen und Polizisten in ihren Vierteln verhaftet, ins Lager nach Sajmište gebracht und dort in einem separaten Pavillon auf dem ehemaligen Messegelände interniert. Die Lebensbedingungen waren äußerst hart; den Aufzeichnungen des Standesamtes der Vertretung der Jüdischen Gemeinde [Matičnog ureda Predstavništva jevrejske zajednice] zufolge starben zwischen Dezember 1941 und April 1942 etwa zehn Prozent der internierten Romnja und ihrer Kinder.

In der Zeit zwischen der zweiten Dezemberhälfte und April 1942 wurden viele Romnja freigelassen, wenn es ihnen gelang, die erforderliche Bestätigung über einen Wohnsitz in Belgrad seit 1850 zu beschaffen. Dann wurden sie aus dem „Zigeuner“-Register gestrichen und durften anschließend in ihre Häuser zurückkehren.

Nach dem Krieg waren es eben diese freigelassenen Frauen, die gegenüber den neuen jugoslawischen Behörden Zeugnis darüber ablegten, was ihnen, ihren Ehemännern und anderen männlichen Angehörigen widerfahren war.

Rettung und Widerstand

Obwohl sich in der Historiographie noch nicht eingehend mit der Rettung von Rom:nja oder ihrer Beteiligung am Befreiungskampf der Partisan:innen befasst wurde, sind einige Fälle bekannt, in denen Gruppen von Rom:nja oder Einzelpersonen dank der Intervention Außenstehender vor Verfolgung gerettet wurden.

Ein Beispiel dafür ist die Geschichte von Dr. Sava Stanojević (1898–1982). Nach mehreren Berichten von romani Augenzeug:innen rettete Stanojević, der als Arzt in der Stadt Trstenik arbeitete, Rom:nja der nahe gelegenen Siedlung Osaonica vor Verhaftung und Vertreibung, indem er eine Typhusepidemie vortäuschte.

In Belgrad wurden laut der Aussage von Sava Sremčević (Lebensdaten nicht bekannt) einige Rom:nja gerettet, indem sie angaben, rumänische Staatsangehörige zu sein und so den Schutz der rumänischen Konsularbehörden in Serbien erhielten.13Acković, Romi u Beogradu, 245.

Viele Rom:nja schlossen sich auch der antifaschistischen Partisanenbewegung an. Zu den bekanntesten Beispielen gehören Slobodan Berberski (1919–1989), der als Partisan kämpfte und nach dem Krieg als Schriftsteller, Aktivist für die Rechte der Rom:nja und erster Präsident der International Romani Union wirkte, und Milica Katić (etwa 1905–1943), die sich im Sommer 1941 der Partisanenbewegung anschloss, nachdem ihr Dorf überfallen worden war, und feindliche Stellungen ausspionierte, um Partisaneneinheiten zu ihnen führen.

Stevan Đorđević Novak (1919–1943), der sich als Kämpfer hervortat, soll als Kommandeur einer Partisaneneinheit gedient haben und im Kampf gefallen sein, wofür er den „Orden des Volkshelden“ [Orden narodnog heroja] erhielt – eine der höchsten Auszeichnungen im sozialistischen Jugoslawien.

Viele Zeugenaussagen vor der Staatlichen Kriegsverbrecherkommission belegen vielfältige Handlungsspielräume der unter deutscher Besatzung lebenden Rom:nja. Beispiele, die die Agency von Romnja im Kampf um das eigene Leben und das ihrer Familien veranschaulichen, sind Anifa Ašimović (Lebensdaten nicht bekannt), eine Romni aus Niš, die in ihrer Aussage beschreibt, wie sie ihren Sohn vor der Verhaftung schützte, indem sie ihn unter Kissen versteckte,14AJ, 110-526, Bl. 436, Zeugenaussage von Anifa Ašimović vor der serbischen Staatskommission, 14. Februar 1945. oder Sabrija Kadrijević (geb. um 1899), die berichtet, dass ihre Tochter Balka (Lebensdaten nicht bekannt) ihrem Vater einen Mantel ins Gefängnis brachte, nachdem diesem bei der Verhaftung die Möglichkeit verwehrt worden war, sich angemessen anzuziehen. Sie soll sich außerdem später Partisan:innen angeschlossen haben, um seinen Tod zu rächen.15AJ, 110-526, Bl. 439, Zeugenaussage von Sabrija Kadrijević vor der serbischen Staatskommission, 14. Februar 1945.

Nachkriegsermittlungen und Gedenken

Obwohl die Staatliche Kommission in ihren Berichten anerkannte, dass Rom:nja Opfer rassistischer Verfolgung gewesen waren, wurden im Jugoslawien der Nachkriegszeit keine gesonderten Maßnahmen für eine juristische Verfolgung derjenigen Personen ergriffen, die für die Verbrechen an Rom:nja verantwortlich waren.16AJ, 110-613, Bl. 539–41, Bericht der serbischen Staatlichen Kommission zur Feststellung der Verbrechen der Besatzer und ihrer Kollaborateure über „Die rassische Verfolgung der Zigeuner aus Belgrad und Umgebung mit einem allgemeinen Überblick über die Verfolgung der Zigeuner in Serbien“ [Rasni progon Cigana iz Beograda i blize okoline sa opštim osvrtom na progon Cigana u Srbiji], Belgrad, ohne Datum [1945]. Es sind keine Kriegsverbrecherprozesse vor den jugoslawischen Militärgerichten bekannt, in denen die Frage des Völkermords und der rassistischen Verfolgung von Rom:nja in die Anklageschriften aufgenommen wurde, selbst wenn sie im Laufe der Verfahren erwähnt wurden.

Im Urteil gegen Turner, Kießel und andere wird zwar häufig ihre Verantwortung für die Tötung von Juden:Jüdinnen erwähnt, die Ermordung von Rom:nja wird jedoch nie thematisiert. Das Urteil gegen Karl Freiherr von Bothmer (1880–1947), Feldkommandant in Niš, nennt seine Verantwortung für die Bereitstellung von Listen mit „verdächtigen Personen“, Juden:Jüdinnen und Rom:nja, auf deren Grundlage die Gestapo Verhaftungen und Internierungen durchführte.17Lopičić, Nemački ratni zločini, 51–55, 102, 114, 127.

Obwohl Hunderte von überlebenden Rom:nja aus ganz Serbien vor der Staatlichen Kommission aussagten und Entschädigung für ihre eigene Verfolgung oder die ihrer Angehörigen forderten, scheint es keine Entschädigungszahlungen in größerem Umfang gegeben zu haben.

Die Geschichte des Völkermords an den Rom:nja war der breiten jugoslawischen und serbischen Öffentlichkeit lange Zeit unbekannt und fand keinen Eingang in die offizielle Geschichtsschreibung und Erinnerung. Selbst wenn über die undifferenzierte Erinnerung und das heroische Narrativ des nationalen Befreiungskampfes im sozialistischen Jugoslawien hinaus die Geschichte der Shoah in Serbien erforscht und diskutiert wurde, trat das Leid der Rom:nja im Vergleich zum dem der Juden:Jüdinnen in den Hintergrund.

Erst in den letzten Jahren ist das Thema in der Öffentlichkeit präsenter und Gegenstand einer – wenn auch begrenzten – Debatte geworden. Das ist vor allem den Bemühungen bedeutender romani Aktivisten wie Slobodan Berberski und Žarko Jovanović (1925–1985) zu verdanken, aber auch aktivistischen Wissenschaftlern, wie Dragoljub Acković (geboren 1952) und Raјko Đurić (1947–2020), die sich für Rom:nja einsetzen, sowie einigen Historiker:innen. Doch in der serbischen Erinnerungskultur an den Zweiten Weltkrieg hat die Opfergruppe der Rom:nja noch immer keinen angemessenen Platz gefunden.

Im Jahr 2007 wurde der 16. Dezember in Serbien offiziell zum internationalen Gedenktag für die romani Opfer des Zweiten Weltkriegs erklärt. Das Datum wurde in Erinnerung an den 16. Dezember 1942 gewählt, als Heinrich Himmler (1900–1945) im sogenannten Auschwitz-Erlass die systematische Deportation von Sinti:ze und Rom:nja in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau anordnete. In Serbien findet die offizielle Gedenkzeremonie am Erschießungsort Stratište in Jabuka, in der Nähe von Pančevo, statt. Hier ist seit der Erneuerung der Gedenktafel im Jahr 2019 ein Rad, als Symbol der Rom:nja, neben dem orthodoxen Kreuz und dem Davidstern zum Gedenken an die dort Ermordeten angebracht.

In einigen Städten und Dörfern, in denen während der deutschen Besatzung Massenerschießungen von Rom:nja stattfanden, werden von Rom:nja jährliche Gedenkfeiern organisiert, die meist eher privaten als öffentlichen Charakter haben, wie beispielsweise am 11. Dezember in Leskovac. Ein weiteres Beispiel für lokale Erinnerungskultur ist Trstenik, wo die von Sava Stanojević ersonnene Rettung in Form eines Theaterstücks mit dem Titel „Das Leid der Zigeuner“ [Ciganska Bol] erinnert wird. Das Stück wurde noch lange nach Ende des Krieges jedes Jahr am Jahrestag der Rettung öffentlich aufgeführt. Die Rettung wird von Rom:nja vor Ort immer noch als Festtag begangen.

Einzelnachweise

  • 1
    Acković, Romi u Beogradu; Vukanović, Romi (Cigani) u Jugoslaviji; Zirojević, “Cigani u Srbiji”; Vukanović, “The Gypsy Population”.
  • 2
    Janković, “Pravni status Roma”, 298–301, 304, 308.
  • 3
    Ibid., 303, 313.
  • 4
    Vojak, U predvečerje rata, 69; Publikationsstelle Wien, Die Gliederung, 16, 18–20.
  • 5
    Greble, Muslims, 167.
  • 6
    Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA), Gesandtschaft Belgrad, AZ Pol 3 Nr. 4c, Paket 62/6: Korrespondenz zwischen dem kroatischen Außenministerium, der deutschen Botschaft in Zagreb, dem Auswärtigen Amt in Belgrad und dem Militärkommandanten in Serbien.
  • 7
    Brief in serbischer Sprache, veröffentlicht in Acković, Romi u Beogradu, 251. Die deutsche Fassung des Briefes ist zu finden unter: Istorijski arhiv Beograda (IAB), OGB, b. 590: „An den Herrn Polizeipräsident der Stadt Belgrad“.
  • 8
    Staatsarchiv Nürnberg, NOKW-892, Harald Turner, Lagebericht, 21. September 1941, S. 5: „Ebenso wäre die schon eingeleitete Inhaftierung sämtlicher Juden in verschärfter Form durchzuführen und zugleich die Inhaftierung der Zigeuner.“
  • 9
    Bundesarchiv, RH 24-18/213, Anl. 48, Bl. 163–166, Befehl (Nr. 2848/41 geh.) des Bevollm. Kommandierenden Generals in Serbien, gez. Böhme, in: Heim et al., VEJ 14, 381.
  • 10
    Manoschek, „Serbien ist judenfrei“, 91.
  • 11
    Staatsarchiv Nürnberg, NOKW-802, Harald Turner, Rundschreiben an alle Feld- und Bezirkskommandos im besetzten Serbien betreffend Juden und Zigeuner, 26. Oktober 1941.
  • 12
    Zbornik NOR, tom. I, Bd. 1, Dokument Nr. 276, 624–625.
  • 13
    Acković, Romi u Beogradu, 245.
  • 14
    AJ, 110-526, Bl. 436, Zeugenaussage von Anifa Ašimović vor der serbischen Staatskommission, 14. Februar 1945.
  • 15
    AJ, 110-526, Bl. 439, Zeugenaussage von Sabrija Kadrijević vor der serbischen Staatskommission, 14. Februar 1945.
  • 16
    AJ, 110-613, Bl. 539–41, Bericht der serbischen Staatlichen Kommission zur Feststellung der Verbrechen der Besatzer und ihrer Kollaborateure über „Die rassische Verfolgung der Zigeuner aus Belgrad und Umgebung mit einem allgemeinen Überblick über die Verfolgung der Zigeuner in Serbien“ [Rasni progon Cigana iz Beograda i blize okoline sa opštim osvrtom na progon Cigana u Srbiji], Belgrad, ohne Datum [1945].
  • 17
    Lopičić, Nemački ratni zločini, 51–55, 102, 114, 127.

Zitierweise

Milovan Pisarri / Paula Simon: Serbien, in: Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Hg. von Karola Fings, Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg, Heidelberg 26. Juli 2025.-

1941
30. Mai 1941Der Militärkommandant im deutsch besetzten Serbien erlässt die „Verordnung betreffend die Juden und Zigeuner“ (Naredba koja se odnosi na Jevreje i Cigane). Diese Verordnung beinhaltet, dass sich Juden:Jüdinnen wie auch Rom:nja zur Registrierung melden und zur Erkennung gelbe Armbinden tragen müssen und dass sie vom öffentlichen, politischen und kulturellen Leben auszuschließen sind. Am 11. Juli 1941 wird die Verordnung dahingehend geändert, dass Roma, die einen angesehenen Beruf, eine geregelte Lebensweise und Vorfahren nachweisen können, die seit mindestens 1850 sesshaft waren, vorerst nicht gemäß der Verordnung behandelt werden sollen.
19. Juni 1941In einer „Promemoria“ an die deutsche Botschaft in Zagreb fordert das Außenministerium des Unabhängigen Staates Kroatien im Namen der muslimischen Religionsgemeinschaft, dass Rom:nja muslimischen Glaubens in Serbien aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als „Arier“ und nicht als „Zigeuner“ zu betrachten und zu behandeln seien. Trotz dieser Intervention werden in vielen Fällen auch diese muslimischen Rom:nja Opfer von Verfolgung und Ermordung.
21. September 1941Harald Turner, Chef der deutschen Militärverwaltung im besetzten Serbien, verfasst einen Bericht, in dem er nicht nur die Verhaftung aller Juden:Jüdinnen, sondern auch aller Rom:nja in Serbien vorschlägt.
4. Oktober 1941Als Reaktion auf die Ermordung von 22 deutschen Soldaten bei Topola ordnet der Bevollmächtigte Kommandierende General Franz Böhme im deutsch besetzten Serbien an, für jeden getöteten Deutschen 100 „serbische Häftlinge“ (vorwiegend Juden und Kommunisten) und für jeden verwundeten Deutschen 50 Häftlinge zu erschießen. Wenige Tage später, am 10. Oktober, erlässt er einen Befehl, der die formelle Grundlage für die darauffolgenden Massaker der Wehrmacht an Juden, Roma und Serben bildet.
9. – 21. Oktober 1941Mehr als 2 100 Juden und Roma aus den Lagern Šabac und Topovske Šupe werden als „Vergeltung“ für 22 deutsche Soldaten, die Anfang des Monats von serbischen Aufständischen bei Topola getötet worden waren, erschossen. Die Morde an den Häftlingen aus Šabac finden am 12. und 13. Oktober statt, für die Morde an den Häftlingen aus Topovske Šupe sind die genauen Tatzeiten innerhalb des genannten Zeitraums zwischen der Anordung der Erschießungen und der Meldung über deren Durchführung nicht bekannt.
18. – 21. Oktober 1941Nach einem Partisanenangriff auf Wehrmachtsoldaten verhaften deutsche Truppen zusammen mit kollaborierenden serbischen Einheiten 2 700 Zivilisten in und um Kragujevac, deutsch besetztes Serbien. Die Opfer sind überwiegend Serben, darunter ganze Jahrgänge von Schülern der dortigen Mittelschule, aber auch Roma (etwa 250 Männer) und Juden (etwa 40 Männer). Sie werden zumeist am Erschießungsort Šumarice getötet.
26. Oktober 1941Im deutsch besetzten Serbien ergeht an alle Feld- und Bezirkskommandos der Befehl, dass Juden und Roma als „Geiseln“ für Vergeltungsmaßnahmen genommen werden sollen.
28. Oktober – 3. November 1941Im deutsch besetzten Serbien führen Wehrmachtsoldaten gemeinsam mit serbischen Polizeieinheiten und Agenten der serbischen Spezialpolizei Massenverhaftungen von Belgrader Roma durch. Sie werden in das Belgrader Konzentrationslager Topovske Šupe, deutsch besetztes Serbien, gebracht und dort als Geiseln für Vergeltungsmaßnahmen inhaftiert. 2 200 „Geiseln“, mehrheitlich männliche Juden und Roma, werden schließlich in Zasavica, Jabuka und Jajinci bei Belgrad erschossen.
10. – 11. Dezember 1941Romnja und ihre Kinder aus Belgrad, deutsch besetztes Serbien, werden verhaftet und in das Konzentrationslager Sajmište eingewiesen, nachdem ihre männlichen Familienangehörigen einen Monat zuvor bei Massenerschießungen getötet worden waren. Der Lagerkommandant beschließt, die Frauen und Kinder zu entlassen, die einen dauerhaften Wohnsitz in Belgrad nachweisen können. Diejenigen, die nicht entlassen werden, werden während der Liquidierung des Lagers zusammen mit jüdischen Frauen und Kindern zwischen März und Mai 1942 ermordet.
11. Dezember 1941Als Vergeltung für die Ermordung von drei deutschen Soldaten durch Partisanen in Leskovac, Serbien, werden 310 „Geiseln“ von Soldaten der Wehrmacht erschossen, darunter 293 Roma aus Leskovac und den umliegenden Dörfern.
1942
17. – 19. Februar 1942Als Vergeltung für deutsche Soldaten, die bei einem Fluchtversuch von Gefangenen aus dem Lager Crveni Krst in Niš, Serbien, getötet wurden, werden am Erschießungsort „Bubanj“ außerhalb der Stadt etwa 1 000 Häftlinge erschossen, unter ihnen auch Roma. Nach dieser und folgenden Massenerschießungen werden Arbeitstrupps von Roma zum Erschießungsort gebracht und zum Vergraben der Leichen gezwungen.
29. August 1942Im deutsch besetzten Serbien berichtet der Chef des Verwaltungsstabs Harald Turner, dass in Serbien „die Judenfrage und die Zigeunerfrage gelöst“ seien.
20. Oktober 1942Bei Massenverhaftungen in den Roma-Vierteln von Niš, Serbien, werden 370 Roma festgenommen und im Lager Crveni Krst inhaftiert. Einige von ihnen werden später freigelassen.
1943
23. Februar 1943Mindestens 86 Roma, die als „Geiseln“ im Lager Crveni Krst in Niš, Serbien, inhaftiert sind, werden am Erschießungsort „Bubanj“ bei der größten Massenerschießung von Roma in der Stadt erschossen.
1947
27. Februar – 3. März 1947Der ehemalige Chef des Verwaltungsstabes im deutsch besetzten Serbien, Harald Turner, muss sich vor dem Militärgericht in Belgrad, Serbien, verantworten und wird zum Tod durch den Strang verurteilt. Die Hinrichtung findet am 9. März 1947 statt. Turner war im Herbst 1941 einer der Initiatoren des Massenmordes an Juden:Jüdinnen und Rom:nja.
29. Mai 1947Franz Böhme, ehemaliger Bevollmächtigter Kommandierender General in Serbien und einer der Hauptangeklagten im „Geiselmord-Prozess“, dem siebten Nachfolgeverfahren der Nürnberger Prozesse, begeht vor der Anklageverlesung im Gefängnis Suizid. Auf Böhmes Befehl waren 1941 Tausende Juden, Roma und Serben erschossen worden.
1969
30. Januar 1969Das Landgericht Dortmund verurteilt Herbert Andorfer, ehemaliger Lagerkommandant des Konzentrationslagers Sajmište in Belgrad, deutsch besetztes Serbien, wegen Mittäterschaft an der Ermordung von mehr als 5 500 Juden:Jüdinnen zu zweieinhalb Jahren Haft. Unter den Opfern des Lagers Sajmište befanden sich auch Romnja mit ihren Kindern.