Gervaise Schmitt-Vinstretin, genannt Gréveline, wurde am 27. November 1931 in Paris, Frankreich, in eine Familie von Schaustellern und Korbflechtern geboren. Sie war die Tochter von Henri Schmitt bzw. Schmidt (unbekannt–1944) und Marie-Madeleine Vinstretin bzw. Winterstein, genannt Maralla (1900–unbekannt), und wuchs mit zwei Schwestern, Marguerite Rosa {1919–1944) und Florella-Adrienne (1939–1944), auf.
Flucht nach Frankreich
Wie viele belgische und französische Staatsangehörige flüchteten auch sie aufgrund des deutschen Überfalls während der Monate Mai und Juni 1940 in die Normandie. Nach einer ersten Station in Alençon, wo sie den Winter verbrachten, erreichte die Familie Montreuil-Bellay im Departement Maine-et-Loire. Dort waren Angehörige von ihnen in einem im November 1941 eröffneten Lager interniert worden. Die Familie mietete ein Haus, um unbehelligt zu bleiben, entschied sich dann aber, nach Nordfrankreich zurückzukehren, und ließ sich in Roubaix nieder.
Verhaftung und Deportation
Aufgrund des Auschwitz-Erlasses, der am 29. März 1943 auch auf Nordfrankreich und Belgien sowie die Niederlande ausgeweitet wurde, begannen die Deportationen von Sinti:ze und Rom:nja aus diesen Gebieten. Die Familie Schmitt-Vinstretin wurde Ende November 1943 in Roubaix verhaftet, anschließend zwei Wochen im Gefängnis Loos-lez-Lille in Loos interniert und am 9. Dezember 1943 im ‚SS-Sammellager‘ in der Kaserne Dossin in Mechelen registriert. Von dort wurde die Familie am 15. Januar 1944 in das Konzentrations– und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert.
Bei Ankunft wurden ihnen die Haare vom Kopf geschoren und Häftlingsnummern auf den Unterarm tätowiert; sie alle mussten in den Baracken des abgetrennten Lagerbereichs BIIe leben. Gervaises Schwester Florella-Adrienne, die gerade einmal fünf Jahre alt war, starb bald im Krankenrevier. Ihr an Typhus erkrankter Vater Henri Schmitt starb am 23. Mai 1944 – er wurde nach Auskunft von Gervaise Schmitt-Vinstretin zu Tode geprügelt. Gervaises ältere Schwester Marguerite Rosa Schmitt brachte ein Mädchen zur Welt, das nur wenige Tage überlebte.
Marie-Madeleine und Gervaise Schmitt-Vinstretin wurden am 15. April 1944 in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, wo sie zwei Tage später eintrafen. Unmittelbar nach ihrer Registrierung überstellte die Lagerverwaltung sie in das Außenlager Rechlin-Retzow. Mutter und Tochter wurden für Erdarbeiten und den Transport von Baumaterial eingesetzt.
Evakuierung nach Schweden und Rückkehr
Kurz vor der Befreiung gelangten sie in einem der Evakuierungstransporte des Roten Kreuzes über Ravensbrück nach Schweden. Am 26. April 1945 wurden sie als Patientinnen im Reservekrankenhaus Nya Borgarskolan in Malmö registriert. Sie blieben sechs Monate, um wieder zu Kräften zu kommen. Im Oktober 1945 wurden sie nach Frankreich ausgeflogen, wo sie in Paris im Hotel Lutetia, in dem zahlreiche Überlebende untergebracht waren, versorgt wurden, bevor sie nach Roubaix zurückkehrten.
2012 erschien unter dem Titel Les oubliés dʼAuschwitz [Die Vergessenen von Auschwitz] ein autobiografischer Bericht von Gervaise Schmitt-Vinstretin, der auf einem Interview basiert, das sie der Journalistin Cécile Chambon (geb. 1959) gegeben hatte.