Jan Yoors, geboren am 18. April 1922 in Antwerpen, Belgien, war der Sohn des Glasmalers Eugeen Yoors (1879–1975) und der Dichterin und Friedensaktivistin Magda Peeters (1892–1989). Eugeen und Magda Yoors emigrierten 1940 in das Vereinigte Königreich. Jan Yoors schloss sich ihnen 1944 an und diente bis 1946 bei den Freien Belgischen Streitkräften. Er machte Karriere als Künstler und arbeitete ab 1945 in London vor allem als Wandteppichweber. Im Jahr 1950 siedelte er dauerhaft nach New York, USA, über, wo er bis zu seinem Tod am 27. November 1977 ein Atelier unterhielt.
Zwischen 1934 und 1939 reiste Yoors regelmäßig mit einer Kumpania von Lovara, die er in Antwerpen kennenlernte. Er lebte sich so gut bei ihnen ein, dass er vom Oberhaupt der Familie als Sohn „adoptiert“ wurde. Das Familienoberhaupt figuriert in Yoors‘ Büchern und Artikeln als „Pulika“. In seinen Veröffentlichungen verwendete Yoors nur die Romani-Namen seiner Freunde und Bekannten, und die Identität von Pulika ist noch nicht eindeutig geklärt. Ausgehend von diesen Erfahrungen schrieb Yoors ausführlich über Rom:nja, und sein Werk ist u.a. insofern von Bedeutung, als es einen Bericht über den Widerstand belgischer und französischer Rom:nja im Zweiten Weltkrieg enthält. Dieser Bericht ist stark fiktionalisiert und enthält nur wenige Details. Gleichzeitig ist er als frühes Zeugnis des Widerstands der Rom:nja wichtig und hat der neueren Forschung zu dieser Dimension des Völkermords Impulse gegeben.
Yoors‘ Veröffentlichungen
In Artikeln für die Zeitschrift der Gypsy Lore Society, der er 1944 in London beitrat, beschrieb Yoors seine persönlichen Erfahrungen auf Reisen mit Pulika und seiner Familie sowie Aspekte des Lebens und der Bräuche der Rom:nja, die er beobachtet hatte. Die Artikel wurden mit seinen eigenen Fotografien von Rom:nja illustriert, von denen in späteren Jahren noch viele veröffentlicht und ausgestellt wurden.
Yoors‘ erste Buchveröffentlichung war „The Gypsies“ (1967). Darin findet sich ein Großteil des Materials aus seinen früheren Artikeln wieder, allerdings so modifiziert, dass der Text Ethnografie und Autobiografie in einem Stil verbindet, der an die „Gypsy“-Romantik der Gypsyloristen erinnert. „The Gypsies“ enthält auch einen kurzen Bericht über die Kriegserfahrungen der Kumpania von Pulika; Yoors berichtet, dass sie bis Mitte 1943 aktiv an Widerstandsaktivitäten beteiligt waren, bis einige von der deutschen Polizei gefangen genommen wurden und andere in den Untergrund gehen mussten. Sein nächstes Buch, „Crossing“ (1971), ist ganz den Kriegsereignissen und dem Widerstands-Narrativ gewidmet.
Yoors‘ Aktivität während des Krieges
Yoors‘ Darstellung des Widerstands ist in eine Erzählung über seine eigenen Kriegsaktivitäten eingebettet, die er mit Variationen sein ganzes Leben lang wiederholte, auch in einem (erfolglosen) Antrag auf Anerkennung als Widerstandskämpfer. Er beschreibt, dass er 1940 in Paris von einem französischen Agenten des britischen Geheimdienstes angesprochen worden sei, der ihn in Kommandotechniken ausgebildet und ihn gebeten habe, als Verbindungsmann zwischen „ihnen“ und den Rom:nja zu fungieren. Manchmal hätten Pulika und andere Rom:nja unter Yoors‘ Führung mit dem Widerstand zusammengearbeitet. Anfang 1943 sei Yoors zusammen mit befreundeten Roma von der Geheimen Feldpolizei (implizit in Paris) verhaftet und mehrere Monate lang im Gefängnis festgehalten, verhört und gefoltert worden. Nach seiner Freilassung und Flucht nach Spanien sei er vom alliierten Geheimdienst gebeten worden, bei der Schleusung gefährdeter Personen über die Grenze zu helfen. Mit Hilfe von in der deutschen Militärverwaltung beschäftigten deutschen Sinti habe er Gruppen durch Frankreich und über die Pyrenäen geführt. Nach mehreren Monaten erfolgreicher Arbeit sei er selbst in Spanien verhaftet und im Konzentrationslager Miranda de Ebro interniert worden, bis ihm die Ausreise nach England gestattet worden sei.
Jüngste Recherchen in öffentlichen und privaten Archiven, insbesondere durch die belgische Schriftstellerin Jo Govaerts (geboren 1972), und Interviews mit Zeitgenoss:innen zeigen, dass ein Großteil von Yoors‘ Erzählung nicht bestätigt werden kann und/oder in der von ihm erzählten Form höchst unplausibel ist. Es gibt keine Beweise für Untergrundkontakte oder -aktivitäten vor 1943, obwohl diese Möglichkeit angesichts der dokumentierten Verbindungen zwischen Yoors‘ Tante, Betsie Hollants (1905–1996), und französischen Widerstandsgruppen besteht. Yoors war auch ein guter Freund des Widerstandskämpfers Jan Daelemans (1921–1944), der zwei Maquis-Lager betrieb, die in „Crossing“ Erwähnung finden.
Im Laufe des Jahres 1942 war Yoors nachweislich mit Rom:nja, darunter die Familie Petalo, und anderen Fahrenden unterwegs und setzte sich gegen ihre Deportation ein. Im Januar 1943 war er in Begleitung von sechs Rom:nja, als diese von der belgischen Polizei wegen Verstoßes gegen einen Deportationsbefehl verhaftet wurden: Marie Koi (1901–1944?), geboren in Oslo, Norwegen, die in Frankreich geborene Madeleine Gorgan (1903–unbekannt), Louise Vandermeulen (1921–unbekannt), Adolphe (1915–unbekannt) und Paprika (1908–unbekannt) Petalo, und Maronna Fidi (1918–1944?). Louise Vandermeulen, Maronna Fidi und die Petalos waren wahrscheinlich enge Verwandte. Sie waren Mitglieder miteinander anverwandter Familien, die hauptsächlich in Belgien und den Niederlanden ansässig waren (wobei Maronna Fidi in Barcelona geboren worden war). Louise Vandermeulen wurde inhaftiert und die Petalos wurden interniert; was in den folgenden Jahren mit ihnen oder Madeleine Gorgan geschah, ist nicht überliefert. Marie Koi gehörte zu den Rom:nja, die Ende 1943 verhaftet und im Januar 1944 mit dem berüchtigten Transport Z vom Lager Mechelen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Maronna Fidi wurde am 19. Mai 1944 aus dem Lager Westerbork in den Niederlanden ebenfalls nach Auschwitz-Birkenau deportiert, zusammen mit anderen Mitgliedern der Familien Fidi und Petalo. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Koi oder Fidi überlebt haben.
Im Januar 1943 wurde Yoors nicht verhaftet, wohl aber im Februar in Brüssel. Bis Juni 1943 wurde er im Wehrmachtsgefängnis in Antwerpen festgehalten. Sein Körper wies seitdem Folterspuren auf. Mit Hilfe von Geheimagenten gelangte er nach Südfrankreich und war Mitglied, wenn auch nicht der Anführer, einer Gruppe, die im November 1943 die Pyrenäen überquerte. Nach einigen Monaten in Gefangenschaft, unter anderem in Miranda de Ebro, erwirkte die britische Botschaft Yoors‘ Freilassung und er reiste nach England.
Rom:nja und Widerstand
Unabhängig von der Frage nach Yoors‘ eigener Rolle haben Forschungen zur Identität von Pulika und den anderen Rom:nja, mit denen Yoors unterwegs war, ein neues Licht auf die Vorgeschichte des Völkermords und auf die Widerstandstätigkeit der Rom:nja geworfen. Yoors selbst berichtete, dass Pulika die Namen Vandermeulen und Wadosch/Vadoche benutzte, und diese Namen tauchen nicht nur in den Aufzeichnungen über Yoors‘ Aktivitäten auf (als Yoors 1961 nach Pulikas überlebender Tochter Keja suchte, nannte er sie Eugénie Vandermeulen), sondern auch in anderen Quellen zur Kriegsinternierung und Deportation: Vandermeulens und Vadoches waren unter den Deportierten des Transport Z, ebenso wie Verwandte der Vandermeulens, die auch die Namen Taicon, Galut und Gorgan verwendeten. Jo Govaerts hat Mitglieder der Familie Modest befragt, deren Freund:innen und Verwandte auf den Fotos von Yoors aus den 1930er Jahren zu sehen sind und die auch Mitglieder der Familien Vadoche, Petrebos, Karoli und Petalo auf den Fotos identifiziert haben.
Einzelne Rom:nja, die sich an Yoors erinnerten oder mit ihm in Verbindung standen, berichteten ebenfalls, an Widerstandshandlungen beteiligt gewesen zu sein oder andere zu kennen, die dies getan hatten. Dazu gehört ein älteres Mitglied der Familie Leimbergen, mit dem sich Jo Govaerts unterhielt. Zu ihnen gehören auch die drei Überlebenden, die José Gotovitch (geb. 1940) im Jahr 1976 interviewte: Kore-Herman Taicon (1924–unbekannt) und Paprika Marie-Jeanne Galut-Modis (1925–unbekannt), die mit dem Transport Z deportiert wurden, sowie Paprikas Ehemann Yayal-Jean Galut (1923–2014), der nach seiner Flucht aus der Internierung bei Verwandten unterkam, die in Rekem wohnten. Es scheint wahrscheinlich, dass diese drei zu Pulikas Kumpania gehörten, denn Yoors nennt unter seinen Romani-Zeitgenossen Pulikas Sohn Kore und einen Jungen namens Yayal, der später Paprika geheiratet habe. Es bleiben allerdings Unstimmigkeiten, denn Yoors berichtet in „The Gypsies“, dass Yayal und Paprika den Krieg überlebt hätten, während Kore nicht lange nach seiner Befreiung in Buchenwald gestorben sei.
Als mögliches Zeugnis für Pulikas Zusammenarbeit mit dem Maquis existiert lediglich ein Foto, das Jan Daelemans in Begleitung von Yoors‘ Freunden zeigt, während die direkte Verbindung anderer Rom:nja (einschließlich der Gorgans) mit dem Maquis aktenkundig ist. Auch Yoors‘ Beschreibung, wie Rom:nja überschüssige Lebensmittelkarten sammelten, um illegale Kämpfer:innen zu versorgen, falsche Ausweispapiere herstellten und auslieferten, Nachrichten überbrachten und in ihren Wohnwagen Menschen, Vorräte und Waffen schmuggelten, ist plausibel und deckt sich mit dem, was aus anderen Quellen bekannt ist. Dementsprechend ermutigen uns die jüngsten Forschungen der Anthropologin Lise Foisneau (geb. 1990), „Crossing“ als einen wertvollen Einblick in die Erfahrungen und Praktiken von Rom:nja in Kriegszeiten zu betrachten.