Antoine Lagrené

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Antoine Lagrené
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 4. Juli 2024

Antoine Lagrené, genannt ‘Itsi’, wurde am 13. Januar 1931 in Frankfurt am Main, Deutschland, in eine Musikerfamilie geboren. Seine Eltern waren Alexandre (1899–1944) und Marie Lagrené, geb. Lagrené (1910–1994). Antoine Lagrené wuchs mit sechs Geschwistern auf. Die Familie bereiste Frankreich und Deutschland, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, entschied sich aber aufgrund der wachsenden Bedrohungslage im Deutschen Reich noch vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges zu einem dauerhaften Verbleib in Frankreich. Sie ließen sich im nordfranzösischen Pont-de-la-Deûle (Flers-en-Escrebieux) nieder, auch, um möglichen Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen, die aufgrund des am 6. April 1940 in Frankreich verhängten Reiseverbotes drohten. Mit ihnen zusammen zogen die Eltern von Marie Lagrené, Stanislas Lagrené (1886–1944) und Marie Weiss (1885–1944), mit ihren Kindern Jules (1914–1944), Michel (1920–1944), Jeanne (1923–1944) und Joséphine (1929–2022) ebenfalls in das Städtchen.

Deportation der Familie

Die Ausweitung des Auschwitz-Erlasses auch auf Belgien und Nordfrankreich, die am 29. März 1943 erfolgte, betraf die 15 Mitglieder der Familie Lagrené ganz unmittelbar. Sie wurden am 23. November 1943 auf Beschluss der Sicherheitspolizei (Sipo-SD) in Brüssel mithilfe der französischen Polizei verhaftet, im Gefängnis Loos-lez-Lille in Loos, Nordfrankreich, interniert und dann in das ‚SS-Sammellager‘ in der Kaserne Dossin in Mechelen, Belgien, überstellt. In Mechelen wurden sie von der deutschen Kriminalpolizei am 9. Dezember 1943 auf einer Deportationsliste erfasst. Alle Personen auf dieser Liste wurden am 15. Januar 1944 im Transport Z von Mechelen in das Konzentrations– und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert.

Bei der Ankunft im Lager wurden sie nicht getrennt oder selektiert, sondern in Birkenau in einen separaten Lagerbereich (BIIe) getrieben. Antoines Mutter Marie Lagrené brachte dort einen Jungen mit Namen Joseph zur Welt, der nach nur wenigen Tagen starb. Antoine Lagrené wurde als ‚arbeitsfähig‘ eingestuft und in das Konzentrationslager Buchenwald transportiert, wo er am 3. August 1944 eintraf.

In Buchenwald war der 13-jährige zunächst in Block 57 untergebracht, bevor er am 6. Oktober 1944 in Block 31 verlegt wurde, wo er von französischen Häftlingen betreut wurde. Hier erhielt Antoine Lagrené auch ein wenig schulischen Unterricht, den Jean Gallon (1914–1995), ein französischer Lehrer und Widerstandskämpfer, für die jüngsten Häftlinge organisierte. Antoine Lagrené musste im Lager auch Zwangsarbeit verrichten, etwa im Kommando im Kommando ‘Holzhof’, wo Holz zum Feuern aufbereitet wurde. Am 11. April 1945 wurde Buchenwald von amerikanischen Truppen befreit. Antoine Lagrené kehrte am 27. April 1945 nach Longuyon, Departement Meurthe-et-Moselle in Frankreich, zurück.

Von den 15 in Pont-de-la-Deûle verhafteten Personen überlebten nur drei: Antoine Lagrené, seine Mutter Marie Lagrené und seine Tante Joséphine Lagrené. Marie Lagrené wurde erst in das Konzentrationslager Ravensbrück überstellt und von dort in das Konzentrationslager Flossenbürg, wo sie im Außenlager Wolkenburg Zwangsarbeit leisten musste. Sie wurde im Konzentrationslager Bergen-Belsen befreit. Joséphine Lagrené war am 15. April 1944 aus Auschwitz-Birkenau in das Konzentrationslager Ravensbrück überstellt worden. Am 31. August 1944 wurde sie nach Altenburg, einem Außenlager von Ravensbrück, verbracht, wo sie Zwangsarbeit für die Hugo Schneider AG (HASAG) leisten musste. Es folgten Verlegungen in die Außenlager Schlieben und Taucha, die – wie seit dem 1. September 1944 auch Altenburg – dem Konzentrationslager Buchenwald unterstellt waren. Am 11. Oktober 1944 wurde sie, zusammen mit anderen Frauen des Außenlagers, erneut nach Auschwitz überstellt. Aufgrund des Vormarsches der alliierten Truppen wurde sie von dort in das Konzentrationslager Bergen-Belsen transportiert, das zu einem Sterbelager geworden war. Hier erlebte Joséphine Lagrené am 15. April 1945 die Befreiung durch britische Truppen.

Spätes Erinnern

Am 8. Mai 2012 wurden die Namen der in Auschwitz-Birkenau gestorbenen Mitglieder der Familie Lagrené dem Kriegsdenkmal der Stadt Flers-en-Escrebieux hinzugefügt.

Antoine Lagrené starb am 22. Februar 2020 in Lille, Joséphine Lagrené am 22. Oktober 2022 in Forbach (Departement Moselle).

Citation

Monique Heddebaut: Antoine Lagrené, in: Encyclopaedia of the Nazi Genocide of the Sinti and Roma in Europe. Ed. by Karola Fings, Research Centre on Antigypsyism at Heidelberg University, Heidelberg 4 July 2024.

1940
6 April 1940The French Government orders the ‘house arrest’ of ‘nomads’ throughout French territory. This abolishes freedom of movement for Sinti and Roma by decree.
10 May 1940Germany extends the war to Western Europe; the Wehrmacht invades Belgium, France, Luxembourg and the Netherlands.
1942
16 December 1942‘Auschwitz Decree’: Heinrich Himmler, head of the Schutzstaffel (‘Reichsführer-SS’), orders the deportation of Sinti and Roma from the German Reich to Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp.
1943
29 March 1943The Reich Security Main Office orders the deportation of Roma and Sinti from German-occupied territories and countries (Belgium, Bialystok district, Alsace, Lorraine, Luxembourg, the Netherlands and northern France) to Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp.
23 November 1943In Flers-en-Escrebieux (Pont-de-la-Deûle department), the Lagrené family of 15 is arrested in order to transfer them via the Loos-lez-Lille prison to the ‘SS transit camp’ in Mechelen (German-occupied Belgium and northern France).
9 December 1943The German criminal police in the area of the German Military Commander for Belgium and Northern France draw up a list with the name of 351 Sinti and Roma who are destined for deportation. One woman, Jeanne Royenne Vados, is later deported without having been registered on this list.
1944
15 January 1944From the ‚SS transit camp‘ in Mechelen, German-occupied Belgium, 352 men, women and children are deported on the train known as ‚Transport Z‘ to the Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp, where they arrive two days later. One-year-old Georgette Hédouin dies during the transport.  
15 April 1944473 Sinti and Roma, women and girls, are transferred from Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp to Ravensbrück concentration camp in Germany.
2 August 1944919 Sinti and Roma, men and boys, are transferred from Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp to Buchenwald concentration camp in Germany. 918 are registered in Buchenwald on 3 August. Josef Freiwald escapes while the train is near Weimar, but is recaptured and taken into custody in Buchenwald on 6 September 1944.
11 October 1944110 Sinti and Roma, all women, are transferred from Hasag-Taucha, a satellite camp from Buchenwald concentration camp, to Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp. Joséphine Lagrené and Jeanne-Marie Modis-Galut are among the prisoners.
1945
11 April 1945Buchenwald concentration camp is liberated by US troops.
15 April 1945British soldiers liberate Bergen-Belsen concentration camp in Germany. Around a quarter of the liberated inmates die in the following weeks as a result of their imprisonment.
30 April 1945The Ravensbrück concentration camp in Germany is liberated by soldiers of the Soviet Red Army.
2012
8 May 2012The names of the members of the Lagrené family murdered in the Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp are inscribed on the war memorial in the town of Flers-en-Escrebieux, France.