Louise Maitre

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Louise Maitre
  • Version 1.0
  • Publikationsdatum 5. März 2024

Louise Maitre wurde 1907 in Dixmuide, Belgien, als Tochter von Jean und Marie Bomboulo geboren. Tag und Monat ihrer Geburt sind, wie die Lebensdaten ihrer Eltern, nicht bekannt. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Korbflechter Théodore „Isidoor“ Colombus (1903–1944), hatte sie vier Kinder: Joseph Maitre (1924–unbekannt), Rosa Maitre (1925–unbekannt), Jules Maitre (1933–unbekannt) und Alfred Colombus (1941–unbekannt).

Da Louise Maitre von Geburt an bei den belgischen Behörden als staatenlos geführt wurde, lässt sich anhand der Akten der Fremdenpolizei [Vreemdelingenpolitie/Police dʼEtrangers] ihre Verfolgungsgeschichte rekonstruieren. Das über sie angelegte Dossier beginnt im Jahr 1931. Bis 1939 wurden ihr mehrere ‚Reiswijzer‘/‚Feuille de Route‘ [Fahrtenblätter] ausgestellt. Es handelte sich dabei um Aufenthaltsdokumente mit Fotografien und Fingerabdrücken, die drei Monate gültig waren, jedoch keine Aufenthaltsberechtigung in Gemeinden und Städten garantierten.1Algemeen Rijksarchief (ARA), Individuelle Dossiers van de Vreemdelingenpolitie, A.38.163, Dossier Louise Maitre, Dok. 170, 303. In dieser Zeit führte sie verschiedene Namen, unter anderem Marie Trena, vermutlich, um Repressionen der Polizei zu entgehen.

Verhaftung, Flucht, Deportation

Am 7. Mai 1940 wurde Louise Maitre wegen fehlender Ausweispapiere verhaftet. Nach Haft in den Gefängnissen von Tongeren, Luik und Vorst verlor die Vreemdelingenpolitie ihre Spur. Wahrscheinlich konnte sie wegen der unübersichtlichen Lage während des Überfalls Deutschlands auf Belgien am 10. Mai 1940 entkommen. Im August 1940 erkundigte sie sich mittels einer Postkarte aus Toulouse, Frankreich, bei der Fremdenpolizei nach ihrer Familie.2Ebd., Dok. 152. Im Dezember 1941 brachte Louise Maitre im französischen Faumont ihren jüngsten Sohn Alfred zur Welt.

Ab Februar 1942 lebte sie wieder in Belgien, wo ihr bei Ankunft eine Zigeunerkaartausgestellt wurde. Im Frühsommer 1943 besuchte sie mehrmals ihren ältesten Sohn Joseph Maitre, der im Internierungslager Rekem inhaftiert worden war.3Ebd., 1245, Dok. 7102 N. 74/C/4/15: Bezoekersvergunningen teruggestuurd aan de V.P. door het bestuur van het Interneeringscentrum te Rekem. Am 23. November 1943 wurden Louise Maitre in Tournai und die übrige Familie in Doornik verhaftet und in das ‚SS-Sammellager‘ in der Kaserne Dossin in Mechelen gebracht. Dort wurde sie gemeinsam mit ihrem Partner Théodore Colombus und ihren drei Söhnen Joseph, Jules und Alfred registriert und am 15. Januar 1944 mit dem ‚Transport Z‘ in das Konzentrations– und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Louise Maitre registrierte die SS (Schutzstaffel) im Lager unter dem Namen Luise Golobnix.4Heddebaut, Des Tsiganes vers Auschwitz, 187. Im Frühjahr oder Sommer 1944 wurde sie in das Konzentrationslager Ravensbrück überstellt und war dann in Wolkenburg, einem Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg, zur Zwangsarbeit eingesetzt. Am 12. Januar 1945 wurde sie erneut nach Ravensbrück gebracht. Ob Louise Maitre danach weitere Lager durchlief und wo sie befreit wurde, ist im Detail nicht bekannt. In den Akten der Fremdenpolizei wird auch das Konzentrationslager Buchenwald genannt; möglicherweise war sie zeitweise in einem der Außenlager von Buchenwald inhaftiert gewesen.

Nach der Befreiung

Im Juni 1945 kehrte sie nach Belgien zurück und erhielt erneut eine ‚Zigeunerkarte‘.5ARA, Individuelle Dossiers van de Vreemdelingenpolitie, A.38.163, Dossier Louise Maitre, Dok. 74. Ihr Mann Théodore Colombus war am 13. Oktober 1944 in Buchenwald gestorben. Auch ihre Söhne überlebten die Lager nicht. Was mit ihrer Tochter Rosa Maitre geschah, ist nicht bekannt.

1948 forderte Louise Maitre in Tournai die Rückgabe ihres beschlagnahmten Besitzes. Ihrer Forderung wurde stattgegeben und sie wurde in die Schule geführt, in der ihr Wohnwagen eingelagert worden war. Dieser war jedoch in einem so schlechten Zustand, dass sie ihn nicht mehr nutzen konnte.6Heddebaut, Des Tsiganes vers Auschwitz, 247. Ab 1949 lebte Louise Maitre mit ihrem neuen Partner, dem Auschwitz-Überlebenden Herman Taicon (1920–unbekannt) dauerhaft in Belgien.7ARA, Individuelle Dossiers van de Vreemdelingenpolitie, A.404.227, Dossier von Herman Taicon, Dok. 233, 234, 266, 267, sowie A.38.163, Dossier Louise Maitre, Renouvellement de carte de nomade, Dok. 116,17. Nach wie vor galt sie als Staatenlose und musste eine ‚Zigeunerkarte‘ bei sich tragen. Damit stand sie weiterhin unter der genauen Beobachtung der belgischen Behörden. 1960 bemühte sie sich mithilfe eines Anwalts um eine Entschädigung in Deutschland, doch letztlich wurde kein Antrag gestellt. Louise Maitre verstarb am 6. Dezember 1961 in Leuven.

Notes

  • 1
    Algemeen Rijksarchief (ARA), Individuelle Dossiers van de Vreemdelingenpolitie, A.38.163, Dossier Louise Maitre, Dok. 170, 303.
  • 2
    Ebd., Dok. 152.
  • 3
    Ebd., 1245, Dok. 7102 N. 74/C/4/15: Bezoekersvergunningen teruggestuurd aan de V.P. door het bestuur van het Interneeringscentrum te Rekem.
  • 4
    Heddebaut, Des Tsiganes vers Auschwitz, 187.
  • 5
    ARA, Individuelle Dossiers van de Vreemdelingenpolitie, A.38.163, Dossier Louise Maitre, Dok. 74.
  • 6
    Heddebaut, Des Tsiganes vers Auschwitz, 247.
  • 7
    ARA, Individuelle Dossiers van de Vreemdelingenpolitie, A.404.227, Dossier von Herman Taicon, Dok. 233, 234, 266, 267, sowie A.38.163, Dossier Louise Maitre, Renouvellement de carte de nomade, Dok. 116,17.

Citation

Laura Stöbener: Louise Maitre, in: Encyclopaedia of the Nazi Genocide of the Sinti and Roma in Europe. Ed. by Karola Fings, Research Centre on Antigypsyism at Heidelberg University, Heidelberg 5 March 2024.

1940
10 May 1940Germany extends the war to Western Europe; the Wehrmacht invades Belgium, France, Luxembourg and the Netherlands.
1942
21 January 1942In German-occupied Belgium, special identity cards for Sinti and Roma are introduced on the initiative of the Belgian aliens police. Sinti and Roma are not allowed to leave their place of residence between 5 and 20 January for the issuing of special ID cards.
1943
29 March 1943The Reich Security Main Office orders the deportation of Roma and Sinti from German-occupied territories and countries (Belgium, Bialystok district, Alsace, Lorraine, Luxembourg, the Netherlands and northern France) to Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp.
October – December 1943Raids are carried out in the area of the German Military Commander for Belgium and Northern France, and the Sinti and Roma who are arrested are then transferred to the ‘SS transit camp’ in Mechelen awaiting deportation to Auschwitz-Birkenau.
9 December 1943The German criminal police in the area of the German Military Commander for Belgium and Northern France draw up a list with the name of 351 Sinti and Roma who are destined for deportation. One woman, Jeanne Royenne Vados, is later deported without having been registered on this list.
1944
15 January 1944From the ‚SS transit camp‘ in Mechelen, German-occupied Belgium, 352 men, women and children are deported on the train known as ‚Transport Z‘ to the Auschwitz-Birkenau concentration and extermination camp, where they arrive two days later. One-year-old Georgette Hédouin dies during the transport.  
1945
12 January 1945Together with other Sinti and Roma, Louise Maitre is transferred from Wolkenburg, a satellite camp of Flossenbürg concentration camp, Germany, to Ravensbrück.